Frage an Gabriele Katzmarek von Kurt N. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Katzmarek,
Ca. 6,5 Millionen Direktversicherte oder Betriebsrentner in der BRD fühlen sich „erst
angelockt und dann abgezockt“ wenn der bereits vor 2004 geschlossene Vertrag zur
vermeintlich privaten Altersvorsorge ausgezahlt wird.
Denn dann müssen ca. 20% der selbst angesparten Auszahlungssumme an die GKV
abgeführt werden.
Auch ich gehöre zu den Betroffenen und habe an Sie als gewählten Vertreter im Deutschen Bundestag Fragen:
1. Wie wollen Sie bzw. Ihre Partei diese Ungerechtigkeit in der privaten
Altersvorsorge, in Form der doppelten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beseitigen?
2.Wie erklären Sie bzw. ihre Partei den Betroffenen und gleichzeitigen
Wählern den Eingriff in bestehende Verträge?
• Der uralte Grundsatz (pacta sund servanda) also das Prinzip der Vertragstreue im Recht ist einfach ausgehebelt worden.
• Derzeit verfügen die GKV über ein finanzielles Polster von ca. 30Mrd. €.
• Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausgleichszahlung durch den Bund
an die GKV für die ALG II- Empfänger findet bisher nicht statt.
3. Wann wird die „Abzocke“ der Direktversicherten und Betriebsrentner
endlich gestoppt und ein Lastenausgleich der betroffenen Bürger,
einschließlich derer die bereits zahlen oder schon gezahlt haben, vorgenommen?
Schlußfrage: Was glauben Sie werden diese 6 - 8 Mio betrogenen Direktversicherten wählen?
Mit freundlichen Grüßen
K. N.
Sehr geehrter Herr N.,
vielen Dank für Ihre Frage.
ich verstehe Ihren Ärger über die sogenannte Doppelverbeitragung. Viele Menschen in meinem Wahlkreis sprechen mich auf diese Problematik an. Ich teile die Ansicht, dass sich hier endlich etwas bewegen muss.
Der damalige Beschluss war ein Fehler. Das möchte ich in aller Deutlichkeit so sagen. Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir Fehler der Vergangenheit auch als solche benennen, solange wir an einer an der Zukunft orientierten Lösung arbeiten, die diese Fehler korrigiert.
Zunächst einmal muss die heutige Freigrenze von 152,25 Euro monatlich in einen Freibetrag umgewandelt werden. Was bedeutet das konkret? Betriebsrentenzahlungen bis zu einer Freigrenze von aktuell 152,25 Euro monatlich sind schon heute von der Betragszahlung befreit. Übersteigt die Betriebsrentenzahlung diese Höhe, wird jedoch seit 2004 der volle Beitrag für Kranken- und Pflegeversicherung auf die gesamte Betriebsrente erhoben. Durch die Umwandlung in einen Freibetrag würden die Betriebsrenten bis zur Höhe von derzeit 152,25 Euro generell beitragsfrei gestellt werden, egal wie hoch die Betriebsrente insgesamt ausfällt. Die Gesamtbelastung würde somit sinken.
Auch darüber hinaus möchte ich für langfristige Verbesserungen sorgen. Als die damalige Entscheidung getroffen wurde, waren doppelt so viele Menschen arbeitslos wie heute. Damals musste eine Finanzierung des Krankenversicherungssystems sichergestellt werden. Heute ist die Lage der Krankenkassen deutlich besser. Sie befinden sich in einer Lage, die es ihnen ermöglicht große Rücklagen zu bilden. Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage und zu erwartender Mehreinnahmen für die Krankenkassen ist eine Entlastung für Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner finanziell darstellbar. Dafür setzen wir uns in der SPD ein. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, das Thema auf die Agenda der Bundesregierung gesetzt hat.
Der finanzielle Spielraum muss genutzt werden, um die Verbeitragung für Menschen in Ihrer Situation abzuschwächen. So bin ich für eine Halbierung des Beitragssatzes für Betriebsrenten in der Auszahlungsphase. Das heißt im Klartext: für Betriebsrenten genau wie bei der gesetzlichen Rente soll künftig nur noch der halbe Krankenkassenbeitrag erhoben werden.
Als SPD-Landesgruppe Baden-Württemberg, der alle sozialdemokratischen Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit Wahlkreisen in unserem Bundesland angehören, haben wir uns hier bereits im Jahr 2018 öffentlich positioniert. Gemeinsam mit anderen Bundestagabgeordneten werden wir dieses Thema weiter forcieren, bis sich endlich Verbesserungen einstellen.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich dem Thema angenommen. Leider schiebt er die finanzielle Verantwortung, die eindeutig bei den Krankenkassen liegt, auf den Steuerzahler. Er möchte, dass die ca. 2,9 Mrd. jährlich aus Steuermitteln finanziert werden, statt aus den Beitragsmitteln – um die es immer ging. Insbesondere vor dem Hintergrund hoher Rücklagen bei den Krankenkassen ist das nicht nachzuvollziehen und letztendlich ein taktisches Manöver um eine Forderung zu erheben, von der man weiß, dass ein Finanzminister sie nicht unterstützen kann. Aus meiner Sicht passt das in die Arbeitsweise von Jens Spahn: Profilierung auf Kosten anderer.
Diese Einschätzung teilt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Spahns Vorstoß als unsachgemäß zurückgewiesen hat. Sie spricht sich jedoch auch nicht für eine andere Lösung aus.
Ich setze mich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der SPD für eine Korrektur des Fehlers von 2004 ein. Jetzt ist die finanzielle Situation der Krankenkassen stabil, die Kassen haben sogar Rücklagen. Also muss die Korrektur auch von dort finanziert werden.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Fraktion Carsten Linnemann hat angekündigt, dass seine Fraktion noch in diesem Monat zu einer Entscheidung kommen möchte, wie sie sich zum genannten Thema positioniert. Wichtig ist hier, dass der Koalitionspartner endlich Farbe bekennt. Dazu benötigt es auch gesellschaftlichen Druck. Deshalb würde ich Sie bitten auch meinem Unionskollegen Kai Whittaker zu schreiben. Nur gemeinsam können wir die CDU/CSU dazu bringen, diesen Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren.
Mit freundlichem Gruß
Gabriele Katzmarek