Frage an Gabriele Katzmarek von Alexander L.
Sehr geehrte Frau Katzmarek,
Sie schreiben, das Thema fracking sei zu komplex, als daß es mit ja, nein oder Enthaltung beantwortet werden könnte. Ich kann diese Haltung nicht nachvollziehen, denn das Thema ist alles andere als komplex: Es gibt Stimmen, die behaupten, fracking sei ungefährlich, andere behaupten das Gegenteil. Gemeinsam ist beiden "Expertengruppen" lediglich, daß keine von beiden Gruppen wirklich wissen kann, was wirklich der Fall ist.
Fakt ist jedoch, daß gefährliche Chemikalien in den Boden gepresst werden und dies durch Grundwasserschichten hindurch. Niemand kennt den Weg des Wassers genau - also bleibt auch bei allen Annahmen und Vermutungen die Ungewissheit. Wir wissen ebenfalls von Fällen in den USA, wo fracking das Grundwasser verseucht hat - was beweist, daß -nennen wir es Unfälle- eben nicht ausgeschlossen werden können.
Damit sind alle entscheidungsrelevanten Fakten für ein ja oder nein verfügbar.
Es geht um unsere Gesundheit und unsere Kinder. Welche Art Komplexität verhindert hier eine klare Stellungnahme Ihrerseits?
Alexander Lambertz
Sehr geehrter Herr Lambertz,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Fracking.
Zu Erinnerung der Wortlaut der Petition: Sind Sie für ein vollständiges Verbot oder gegen ein vollständiges Verbot von Fracking?
Gerne erläutere ich Ihnen, warum die Fragen zu Fracking komplexer sind, als Abgeordnetenwatch in seiner Petition oder auch andere Kampagnen-Netzwerke wie Campact suggerieren.
1. Es wird keine Differenzierung zwischen „konventionellem“ und „unkonventionellem“ Fracking vorgenommen.
Ich bin der Meinung, dass das bereits heute praktizierte „konventionelle“ Fracking zur Gasförderung unter anderem in Sandgesteinen weiterhin durchführbar sein sollte. Die hier bereits bestehenden Vorschriften zum Schutz von Mensch und Umwelt, beispielsweise der Umgang mit Lagerstättenwasser, sollten jedoch deutlich verschärft werden. Für alle Frackingvorhaben müssen Umweltverträglichkeitsprüfungen verbindlich vorgeschrieben werden, was die Transparenz und Beteiligung im Genehmigungsverfahren deutlich verbessert. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist damit zwingend durchzuführen. Das „konventionelle“ Fracking zu verbieten oder zu beschränken, ist für mich keine Option, da die Umweltrisiken überschaubar sind und zahlreiche Arbeitsplätze damit verbunden sind.
2. Der Bedarf der Weiterentwicklung einer bisher riskanten Technologie wird ausgeblendet.
Sie schreiben selbst sinngemäß: „Weder die Befürworter noch die Gegner wissen wirklich wie gefährlich oder ungefährlich das „unkonventionelle“ Fracking unter Zugabe von wassergefährdenden chemischen Additiven wirklich ist.“ Was folgt daraus? Meiner Meinung nach sollte die Weiterentwicklung und Erforschung dieser Technologie im Zentrum stehen, um eine zu 100 Prozent ungefährliche Technologie zu entwickeln. Bis dahin wird die kommerzielle Nutzung verboten. Um dorthin zu kommen, müssen jedoch Möglichkeiten zur Erprobung und Erforschung gegeben werden. Genau das soll der Gesetzentwurf widerspiegeln. Wenn Sie akzeptieren, dass das meine Position ist, wie hätte ich dann Ihrer Meinung nach bei der Petition von Abgeordnetenwatch abstimmen sollen?
3. Die Frage spiegelt nicht die komplexe politische und rechtliche Situation wieder.
Meine erste Reaktion, als das Thema Fracking wieder aktuell wurde, war: Wozu? Unsere aktuelle Energieversorgung ist über andere Wege gesichert und wir treiben den Umbau unseres Energiesystems mit großer Konsequenz voran. Wir brauchen Fracking nicht, lasst es uns verbieten. Leider ist es nicht so einfach. Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, wurde die Entscheidung zum Thema Fracking auf nach der parlamentarischen Sommerpause vertagt, da sich die Koalition aus SPD und Union nicht auf einen Gesetzentwurf einigen konnten. Zentrale Streitpunkte sind die Frage nach der Rolle der Expertenkommission und der Anzahl der Probebohrungen. Die SPD möchte einen Parlamentsvorbehalt für Fracking-Maßnahmen etablieren und somit die Expertenkommission auf ihre beratende Funktion beschränken. Die Probebohrungen sollen auf das wissenschaftlich notwendige Maß begrenzt werden. Prinzipiell befürworte ich, dass wir als SPD-Bundestagfraktion hart geblieben sind, insbesondere was die Frage der Expertenkommission angeht, jedoch ist die Verschiebung eine insgesamt schlechte Nachricht: Fracking bleibt erlaubt und wir sind weiterhin angewiesen auf die Einsicht der Unternehmen, in dieser Phase keine unkonventionellen Fracking-Projekte zu beginnen. Daher brauchen wir eine gesetzliche Regelung zum Fracking. Ein Thema, das so viele Menschen bewegt, zweifelsohne mit Umweltrisiken verbunden und gleichzeitig für verschiedene Unternehmen von großem Interesse ist, unreguliert zu lassen, ist keine Option! Die Stimmen, die insbesondere die SPD-Abgeordneten auffordern sich einem Gesetzentwurf zu verweigern, verkennen die Lage: Unser politischer Verhandlungspartner in dieser Frage, die Union, braucht kein Gesetz, das Fracking regelt und beschränkt. Die Union kann mit der jetzigen Situation leben, die zahlreiche Wege offen lässt, um bei gegebenenfalls geänderten Machtverhältnissen Fracking schnell und weitgehend zu erlauben. Wie kann ich also dieses Bedürfnis nach einem zügigen Kompromiss, das mich von meiner oben angedeuteten Wunsch-Regelung hat abweichen lassen, in meiner Antwort auf die Frage von Abgeordnetenwatch darstellen?
Sehr geehrter Herr Lambertz, dies sind drei Aspekte, die mich beim Thema Fracking beeinflussen. Es gibt noch weitere, zum Beispiel die Frage woher unser Gas derzeit kommt, wie verlässlich es geliefert und unter welchen Sozial- und Umweltstandards es gewonnen wird. Letztlich spielt auch die Frage nach möglichen zusätzlichen Arbeitsplätzen eine Rolle. Oberstes Ziel bei allen Überlegungen und Verhandlungen bleibt natürlich weiterhin, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen.
Auch wenn Sie meine Überlegungen und Bedenken vielleicht nicht teilen, hoffe ich, dass ich Ihnen darstellen konnte, warum ich mich mit der Frage für oder gegen ein vollständiges Fracking-Verbot schwer getan habe.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Gabriele Katzmarek