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Gabriele Dobusch
SPD
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Frage von Thomas S. •

Frage an Gabriele Dobusch von Thomas S. bezüglich Humanitäre Hilfe

Guten Tag Frau Dobusch,

Obdachlose Menschen haben in Hamburg einen schweren Stand. Die städtischen Notprogramme garantieren keine menschenwürdigen Standards, z,B wenn Menschen, die in einer Notunterkunft übernachtet haben, um 8 Uhr morgens auch bei Minusgraden die Unterkunft verlassen müssen. Die Unterkünfte sind überfüllt, Gewalt und Aggressivität die Regel. Obdachlose werden in aller Regel durch Polizei und Ordnungsamt von öffentlichen Plätzen verscheucht. Bei einer derartigen Räumung am Fischmarkt wurden die Zelte der obdachlosen Menschen gleich mit entsorgt. Das Problem verschärft sich, den in Hamburg leben deutlich mehr Menschen auf der Straße als noch vor zehn Jahren. 1910 Obdachlose trafen die Wissenschaftler bei ihrer Untersuchung im vergangenen März auf der Straße: Das sind fast doppelt so viele wie bei der letzten Untersuchung im Jahr 2009.

https://www.zeit.de/hamburg/2019-01/winternotprogramm-obdachlosigkeit-kaelte-uebernachtung-unterkunft

Im aktuellen Winter sind in Hamburg bisher 4 obdachlose Menschen im Freien erfroren (Stand 08.01.2021). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fordert während der besonders kalten Zeit Aufenthaltsräume für Obdachlose, die auch tagsüber geöffnet haben.

Ein Hamburger Bündnis gemeinnütziger Organisationen bringt obdachlose Menschen bis März in einem Hotel unter, um sie vor dem Coronavirus und der Winterkälte zu schützen.

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Wohnungsloe-in-Hamburg-Waehrend-der-kalten-Monate-ins-Hotel-,obdachlos470.html

Diese Hilfe nutzt den notleidenden obdachlosen Menschen, kann Leben retten und der wegen Corona angeschlagenen Hotelbranche planbare Einnahmen sichern. Sie erreicht aktuell aber nur 20 Menschen.

Frage 1:

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Hamburger Senat zeitnah die Vergabe von aktuell leerstehenden Hotelzimmern an Obdachlose organisiert und finanziert?

Werden Sie sich in Ihrer Fraktion für einem diesbezüglichen Antrag einsetzen?

Viele Grüße T. S.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schüller,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Hamburgische Bürgerschaft debattierte in den letzten Wochen und Monaten pandemie-bedingt das Thema Hilfen für Obdachlose bzw. Winternotprogramm noch intensiver als üblich. Ich persönlich habe mich über die vielfachen Ausweitungen des Programms sehr gefreut. Es besteht aus vielen Bausteinen - das ist mE auch wichtig, denn es gibt sehr viele sehr unterschiedliche Situationen und Schicksale. Kein Ansatz wird allem und allen gerecht. Und die Hotelunterbringung, die Sie ansprechen, ist eben ein möglicher Baustein, den die Stadt Hamburg aber auch bereits nutzt. Sie bringt bereits jetzt wohnungslose Menschen in Hotels unter, wenn entweder die Kapazitäten in den öffentlichen Einrichtungen nicht ausreichen, ein besonderer Bedarf auf Einzelunterbringung z.B. aufgrund psychischer Krankheiten vorliegt oder wenn es sich um Familien mit minderjährigen Kindern handelt. Aktuell sind 42 Einzelpersonen und 3 Familien (insgesamt weitere 11 Personen) in Hotels untergebracht. Das ist gut so. Dazu kommen auch einige Einzelunterbringungsplätze, die, von der Stadt finanziert, bei Kirchengemeinden bereitstehen. 

Ob und inwieweit darüber hinaus für besondere Zielgruppen weitere Möglichkeiten zur Einzelunterbringung während der Pandemie geschaffen werden können, wird aufgrund eines Bürgerschaftsbeschlusses vom 24.11.2020 (Drs. 22/2311), der von SPD und GRÜNEN beantragt wurde, vom Senat immer wieder geprüft. Eine neue Unterbringung für besonders Pflegebedürftige wurde bereits realisiert. Außerdem werden Zweibettzimmer im Winternotprogramm auch nur an eine Person vergeben, wenn das erforderlich ist. Der weitere Ausbau der bereits umfänglichen Unterbringungskapazitäten des Winternotprogramms (WNP) 2020/2021 – siehe hierzu https://www.hamburg.de/sozialbehoerde/pressemeldungen/14503622/2020-10-23-sozialbehoerde-winternotprogramm/ – ermöglicht auch hier grundsätzlich eine lockere Belegung und im Einzelfall für Menschen mit besonderen Bedarfslagen die Unterbringung in Einzelzimmern beziehungsweise vorübergehend eine Einzelbelegung in Mehrbettzimmern.

Ob eine grundsätzliche Unterbringung von obdachlosen Menschen in Hotels geeignet wäre, dem Problem Obdachlosigkeit gerecht zu werden, wage ich zu bezweifeln. In den öffentlichen Unterkünften sind eben immer auch Sozialarbeiter*innen vor Ort, welche den Nutzer*innen einen Weg aus der Obdachlosigkeit zeigen und sie darin unterstützen können, diesen Weg zu gehen. An allen Standorten sind entsprechende Beratungskapazitäten vorgesehen, auch Arbeitsmarkt- und Perspektivberatung, zB um gegen ausbeuterische Verhältnisse vorgehen zu können und Menschen gegebenenfalls zu ihrem Recht zu verhelfen, außerdem wurden Angebote der medizinischen Versorgung an den Standorten ausgebaut. Eine Unterbringung im Rahmen des WNP sieht nicht nur eine regelmäßige Essensversorgung durch einen von der Stadt finanzierten Cateringservice vor. Solch ein Hilfesystem doppelt und kleinteilig vorzuhalten, erscheint mir nicht sinnvoll. Jetzt liegt der Fokus klar auf der Überwindung der Obdachlosigkeit und ihrer Ursachen. So wurden die bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle erst kürzlich personell aufgestockt, um präventiv Wohnungslosigkeit vorzubeugen und Menschen aus der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) wieder in regulären Wohnraum zu vermitteln. Die Hilfen für die in der Pandemie sich in einer äußerst schwierigen Situation befindenden Sexarbeiter*innen sind ebenfalls vorbildlich.

Zur Frage der Sicherheit: 

Die Angebote im Winternotprogramm sind auch in Corona-Zeiten sicher und sind keine Gefahr für die obdachlosen Menschen. Das belegen die Zahlen von Ansteckungen in den Einrichtungen. Gefahr droht vor allem durch das Übernachten im Freien. Um die Versorgung von Obdachlosen in Hamburg auch während der Corona-Pandemie bestmöglich sicherzustellen, hat die Stadt Hamburg ihre diesbezüglichen Programme und auch das Winternotprogramm in diesem Jahr noch einmal beträchtlich ausgebaut. Allein im Winternotprogramm stehen bis zu 1.020 Betten bereit. Bereits seit dem letzten Winter sind durchgängige Unterkunft und Versorgung (also auch tagsüber) von Obdachlosen in Hamburg gewährleistet. Neben den Nachtunterkünften gibt es in Hamburg diverse Tagesaufenthaltsstätten, welche die Wohnungslosen mit Kleidung, (warmen) Mahlzeiten und Gelegenheiten zum Duschen und Waschen von Kleidung versorgen. Ebenso erhalten die Nutzer*innen der Einrichtungen hier ärztliche Versorgung, soziale Beratung und umfassende Information über die regelhaften Programme zum Wiedererlangen einer Wohnung.

Auch für Hygiene während der Pandemie ist gesorgt. So haben die von F&W Fördern & Wohnen AöR betriebenen Einrichtungen umfassende Hygienekonzepte. Die Übernachtungsstätten werden täglich umfassend gereinigt und gelüftet, wofür eine zeitweise Schließung für wenige Stunden am Tag leider unerlässlich ist. Informationen zu allen Angeboten der Obdachlosenhilfe in Hamburg finden Sie hier: www.hamburg.de/obdachlosigkeit. Um auch tagsüber die Abstandswahrung bei der Nutzung der Hilfsangebote zu ermöglichen, wurde darüber hinaus eine weitere Tagesaufenthaltsstätte in der Markthalle mit 200 Plätzen eingerichtet. Die Nutzer*innen aller Einrichtungen werden darüber hinaus natürlich von medizinischem Fachpersonal beobachtet und bei Corona-Symptomen einzeln untergebracht und versorgt.

Soweit erst einmal. Sie können vieles in der Parlamentsdatenbank nachlesen - zusammenfassend vielleicht am besten, wenn das Plenarprotokoll vom 27.1. vorliegt. An dem Tag haben wir das Thema in der aktuellen Stunde debattiert und Sozialsenatorin Leonhard hat noch einmal rekapituliert, was in Ausschusssitzungen nun auch schon mehrfach diskutiert worden ist. Allerdings: das Konzept der FHH wird beständig konzeptionell und auch
qualitativ weiterentwickelt. Neue Ideen sind da immer willkommen!

Mit freundlichem Gruß - bleiben Sie gesund

Gabi Dobusch

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