Frage an Gabriele Dobusch von Günter B. bezüglich Gesundheit
Warum, bzw. wer ist verantwortlich und hat es durchgesetzt, dass die zusätzlichen Leistungen für Diabetiker die sich kostenaufwendiger ernähren müssen kurzfristig gestrichen wurden?
Warum muss ich mich als Rentner mit Minirente teuer freiwillig krankenversichern, obwohl ich nie privatversichert war. Als Alleinerzieher von 3 Kindern und teilweise Sozialhilfeempfänger werden Versicherungzeiten nicht anerkannt. Dafür wird man im Alter bestraft! Das ist "sehr" sozial. Danke!
MfG
Günter Burmeister
Sehr geehrter Herr Burmeister,
erstmal vielen Dank für Ihre Frage. Sie fällt zwar nicht in meinen unmittelbaren fachlichen Zuständigkeitsbereich, ich will aber gerne versuchen, Ihnen so gut wie möglich zu antworten.
Zu Ihrer ersten Frage:
Die Anerkennung der sogenannten "Krankenkostzulage" bei RentnerInnen, die ergänzende Sozialleistungen erhalten (übrigens auch bei Hartz IV EmpfängerInnen), richtet sich im Regelfall nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. (Alle Informationen zu dieser ziemlich altehrwürdigen Einrichtung finden Sie auf http://www.deutscher-verein.de .)
Die Empfehlungen des Vereins zu den Krankenkostzulagen aus dem Jahr 1997 standen nicht mehr im Einklang mit der medizinischen Sicht von DiabetologInnen und ÄrztInnen des öffentlichen Gesundheitswesens und wurden deshalb 2008 überarbeitet. Aktuell wird empfohlen, bei Diabetes melitus Typ 1 und 2 keine erhöhten Ernährungskosten mehr anzuerkennen. Mit entscheidend dafür war eine Studie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass eine normale ausgewogene Ernährung (Vollkost) ausreichend ist. Diese wiederum wird nach Ansicht des Deutschen Vereins durch die Regelsätze der Grundsicherung und Hartz IV abgedeckt.
Die Hamburger Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz hat ihre Arbeitshilfe für die Ämter zum 1.7.2009 entsprechend angepasst. Diese finden Sie unter http://www.hamburg.de/ah-sgbxii-kap03-30/1548838/ah-sgbxii-30-5.html . Danach ist für Diabetes Typ 1 und 2 keine Krankenkostzulage mehr zu gewähren. Die Bundesagentur für Arbeit hat entsprechend ihren fachlichen Hinweis zur Bewilligung dieser Leistung ebenfalls angepasst.
Verantwortlich für die "Kürzung" ist somit zunächst der Deutsche Verein und in der Folge die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz unter Senator Wersich (CDU). Beim Deutschen Verein können Sie sich an Herrn Reiner Höft-Dzemski, den zuständigen Experten für die hier relevante Empfehlung wenden. Die Empfehlung selbst, sowie die dazugehörige Begründung finden Sie unter: http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/empfehlungen2008/pdf/DV%2025-08.pdf .
Ich rate Ihnen aber zu einem Gespräch mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Lassen Sie sich von ihm/ihr über die aus aktueller medizinischer Sicht richtige Ernährung beraten. Wenn Sie sich wehren wollen, ist eine stringente medizinische Begründung des Mehrbedarfs sowieso eine Grundvoraussetzung. ExpertInnen wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft oder das Forum für Diabetes-Patienten http//www.diabetesde.org erklären jedoch:
"Heute sind sich Mediziner, Ernährungsexperten und Wissenschaftler darüber einig, dass Menschen mit Diabetes - egal ob Typ 1 oder 2 - ganz "normale" Lebensmittel essen können und sollen."
Die ExpertInnen raten sogar explizit von teuren Produkten, die den Zusatz "für Diabetiker geeignet" tragen, ab. Informieren Sie sich auf http://www.diabetesde.org unter "Aktiv leben mit Diabetes". Dort gibt es viele Tipps rund um das Thema Ernährung. Meine Fraktionskollegin Andrea Rugbarth hat zu den veränderten Kriterien für die Bewilligung von Krankenkostzulagen bereits eine Kleine Schriftliche Anfrage an den Senat gestellt (Drs. 19/3685), die ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle, wenn Sie sich in meinem Büro unter kontakt@gabi-dobusch.de melden.
Ihre zweite Frage ist sozialversicherungsrechtlich leider noch komplizierter. Bis 2004 wurden die Krankenkosten von zuvor nicht krankenversicherten SozialhilfeempfängerInnen direkt von der Stadt aus Steuergeldern bezahlt. Für diese Zeit bestand dann keine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Im Normalfall blieb man/frau jedoch in der Krankenversicherung in der man/frau auch vor dem Bezug von Sozialhilfe war.
Um zu vermeiden, dass Versicherte bis zum Renteneintritt - als jüngere Menschen - die günstigen Tarife der privaten Krankenversicherung nutzen, um dann bei Renteneintritt in das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung zurückzukehren, ist meines Wissens schon in den 80iger/90iger Jahren eine Regelung getroffen worden, die vorsieht, dass neun Zehntel der zweiten Hälfte des Berufslebens eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherungen bestanden haben muss, damit Sie beim Renteneintritt in die Pflichtkrankenversicherung für RentnerInnen eintreten können. Alle anderen müssen sich als RentnerInnen "freiwillig" selbst krankenversichern. Diese Regelung geht auf die Gesundheitsreform von 1989 unter Minister Blüm (CDU) zurück. Bei längerem Sozialhilfebezug und Übernahme der Krankenkosten durch die Behörde infolge eines zuvor nicht bestehenden Krankenversicherungsschutzes kann es, wie wohl bei Ihnen, dazu kommen, dass Sie sich dann freiwillig entweder gesetzlich oder privat versichern müssen. Es gibt dann aber nach § 106 SGB VI die Möglichkeit einen Zuschuss zu den Versicherungskosten zu erhalten. (Dabei treten in einigen Fällen Diskrepanzen auf, die zwar bekannt sind, für die man sich aber noch auf keine Lösung hat einigen können.)
Ohne Frage ist das ärgerlich. Es war eben ein politischer Fehler, die Private Krankenversicherung in der 80iger und 90iger Jahren immer weiteren Bevölkerungskreisen zu öffnen. Die SPD versucht, wie Sie vielleicht wissen, mit einer Bürgerversicherung die Widersprüche und teils fatalen Wirkungen des Zusammenspiels von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen zu überwinden. Außerdem hat Ulla Schmidt dafür gesorgt, dass sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenversicherungen alle diejenigen versichern müssen, die - aus welchem Grund auch immer - ohne Krankenversicherung dastanden. Auch die privaten Krankenversicherungen müssen seitdem einen günstigen Basistarif anbieten. Allerdings wurde gleichzeitig auch eine Pflicht für die BürgerInnen eingeführt, sich zu versichern. Denn alles andere ist nicht nur hoch riskant, sondern auch nicht sehr solidarisch.
Gerne können Sie sich für Rückfragen an mein Büro unter kontakt@gabi-dobusch.de oder Tel: 040/30682314 wenden. Dann könnten wir die Zusammenhänge vielleicht auch besser rekonstruieren.
Für Ihre Leistungen als alleinerziehender Vater von drei Kindern zolle ich Ihnen übrigens höchsten Respekt. Wie Sie sicher wissen, sind Sie damit eine echte Ausnahme von der Regel.
Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung zumindest eine informative Antwort gegeben zu haben
Ihre
Gabi Dobusch