Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Gabriela Heinrich
SPD
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Frage von Lars S. •

Frage an Gabriela Heinrich von Lars S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Würden Sie per Gesetz ein Unternehmen mit 300 Arbeitsplätzen zum 31. Dezember 2020 schließen, dem Inhaber defacto ein Berufsverbot aussprechen und eben jene 300 Mitarbeiter und deren Familien somit die Existenz nehmen?

Video: https://www.youtube.com/watch?v=yGWFrbVol1g

Unser Hintergrund:
Wir sind ein Werksvertragsunternehmen aus Bayern im Bereich Wurstproduktion. ABER …
Werkvertragsunternehmen ist nicht gleich Werkvertragsunternehmen - außer für Politik und Medien.
Schon mal überlegt, dass es auch Werkvertragsunternehmen gibt, die Recht und Gesetz achten?
Keine Beanstandungen bei Kontrollen der Bundes- und Landesbehörden haben.
Und dass es Mitarbeiter gibt, die genau in solchen Unternehmen arbeiten möchten - freiwillig und rundum glücklich und zufrieden.
Und das schon seit Jahren. Gibt's nicht? Gibt's doch! Bei uns!

Weitere Faktenchecks: https://lstiefvater.de/werkvertraege

Wir sind sehr auf Ihre Antwort gespannt.
Vielen Dank.

Lars Stiefvater
Stiefvater Unternehmensgruppe

Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Stiefvater,

ich zweifle nicht daran, dass einige Betriebe der Fleischwirtschaft – seien es die Auftraggeber oder die Werkvertragnehmer – vollkommen gemäß der Vorschriften arbeiten. Aber der Ausbruch des Corona-Virus bei Tönnies hat leider gezeigt, dass das nicht für alle Firmen gilt.

Die Auftraggeber entziehen sich weitgehend dem Arbeits- und Gesundheitsschutz für die – bei einem oder auch mehreren (teils osteuropäischen) Subunternehmen beschäftigten – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf ihrem Betriebsgelände ihrer Tätigkeit nachgehen. Selbst in einer Halle können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusammen arbeiten, die jeweils bei verschiedenen Subunternehmen beschäftigt sind. Und niemand ist eindeutig für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der gesamten Halle zuständig.

Nach Einschätzung der Gewerkschaften, unterlegt von Ergebnissen der Kontrollbehörden, handelt es sich zudem bei Arbeitszeitverstößen, unangemessenen Lohnabzügen, mangelhaftem Arbeitsschutz und unwürdigen Unterkünften im Zusammenhang mit Werkverträgen in der Fleischwirtschaft nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. Laut den zuständigen Arbeitsschutzkontrollbehörden in Nordrhein-Westfalen hat in manchen Fleischverarbeitungsbetrieben die gesamte Belegschaft einen Werkvertrag. Pro Produktionsstandort sind bis zu 30 verschiedene Werkvertragsunternehmen im Einsatz. Dadurch entsteht ein undurchsichtiges und kaum kontrollierbares Geflecht, das nun zugunsten von Gesundheits-, Arbeitsschutz und klaren Verantwortlichkeiten aufgelöst werden soll. Durch die Reform wollen wir die Verantwortung vollständig auf die Fleischverarbeitungsbetriebe übertragen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der erst im Herbst im Bundestag beraten wird, sieht kein vollständiges Verbot von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft vor. Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung sollen in Zukunft nur noch von eigenem Stammpersonal des Inhabers vorgenommen werden dürfen. Kleinere Betriebe mit bis zu 49 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollen vom Verbot ausgenommen werden. Handwerkliche Unternehmen sollen damit von faktisch industriellen Unternehmen abgegrenzt werden. Zugleich sieht der Entwurf verschiedene weitere Maßnahmen vor, wie die bessere Arbeitszeiterfassung, Mindeststandards für Gemeinschaftsunterkünfte, höhere Bußgelder bei Verstößen, bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Kontrollen der Arbeitsschutzaufsicht der Länder und die Einrichtung einer Fachstelle „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Die Reform ist für Unternehmen, die bisher als Subunternehmen der Fleischindustrie Arbeitskräfte zur Verfügung stellen, natürlich ein schwerer Schlag – vor allem wenn sie selbst stets auf Sicherheit, Hygiene und Arbeitsschutz gesetzt haben. Ein anderes Mittel erscheint jedoch nicht möglich, zumal es bereits in der Vergangenheit zahlreiche niedrigschwelligere Initiativen gab, um die Bedingungen in der Fleischindustrie zu verbessern, die aber offensichtlich – leider – nicht ausreichend wirksam waren.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriela Heinrich

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