Frage an Gabriela Heinrich von Jürgen K. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Sehr geehrte Frau Heinrich,
derzeit wird verstärkt über Verschwörungstheorien diskutiert.
In einigen wird unterstellt, dass nicht die jenigen, die Geld in Rüstung und legale Drogen investieren Böses im Schilde führen, sondern Menschen die ihr Geld für wohltätige Zwecke spenden (z.B https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/bill-gates-und-die-maer-von-der-weltherrschaft-li.83544 ).
Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch politische Entscheidungen, die sich vielen Menschen weniger durch Vernunft aber um so mehr durch Lobbyismus erklären lassen, z.B.:
- Das Gesetz zur Bankenrettung, dass von einer der Bankenbranche nahestehenden Anwaltskanzlei mit formuliert wurde ( https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/informationsfreiheit/warum-der-gesetzentwurf-zur-bankenrettung-die-steuerzahler-160000-euro ).
- Bislang wurde die Einführung eines Werbeverbots verhindert. Und wenn es doch kommt, dann mit langen Übergangsfristen und Ausnahmen ( https://www.welt.de/wirtschaft/article208239969/Werbeverbot-fuer-Zigaretten-Drogenbeauftragte-kritisiert-brutale-Lobbyarbeit.html?fbclid=IwAR3vjqCdrCO0vfO4fl7L27yfZngaU_fndw-nAWRXM12xf6z66_H1xNUQkig ).
Mangels transparenter Kontrolle (siehe https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/parteispenden/wie-der-bundestag-unterlagen-zu-parteispenden-unter-verschluss-halten-wollte ) führt dies zu Vermutungen, aus denen weitere Verschwörungstheorien erwachsen könnten.
So könnte man vermuten,
- dass nahezu alle Endscheidungen von Lobbyinteressen bestimmt wurden.
- dass der Wille der Wähler (der nicht einmal systematisch erfragt wird) nur minimalen Einfluss hat.
Dazu habe ich folgenden Fragen an Sie:
- Wo würden Sie die Grenze zwischen verständlichen Sorgen und absurden Verschwörungstheorien ziehen?
- In wieweit besteht die Gefahr, dass durch die Verschwörungstheorien auch berechtigte/verständliche Sorgen der Bürger ignoriert werden?
- In wieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung, Misstrauen (durch mangelnde Transparenz) in die Arbeit der Parlamente zu entkräften?
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kosel
Sehr geehrter Herr Kosel,
gerne beantworte ich Ihre Fragen:
Frage: Wo würden Sie die Grenze zwischen verständlichen Sorgen und absurden Verschwörungstheorien ziehen?
· Antwort: Ich finde, dass man sich grundsätzlich mit den Sorgen von Menschen beschäftigen muss – die Gründe, sich ernsthaft zu sorgen sind sehr individuell, basieren auf Beobachtungen und Entwicklungen in unserer Gesellschaft oder betreffen die persönliche Situation. Meistens gibt es einen realen Grund, den man nachvollziehen und bestenfalls Abhilfe schaffen kann. Wenn sich Sorgen auf Verschwörungstheorien beziehen, die auf falschen Annahmen, Propaganda oder Zirkelschlüssen beruhen, kann man das schlecht nachvollziehen. Ein eingefleischter Verschwörungstheoretiker wird zum Beispiel Argumente gegen seine Theorie als Beweis für diese einstufen („die Medien berichten nicht darüber, also muss sie stimmen“).
Frage: In wieweit besteht die Gefahr, dass durch die Verschwörungstheorien auch berechtigte/verständliche Sorgen der Bürger ignoriert werden?
· Antwort: Hier sehe ich zunächst keine Gefahr. Zum Beispiel bei Impfgegnern kann und muss man schon unterscheiden: einerseits zwischen der Sorge vor gesundheitlichen Risiken von Impfungen, die ja nicht völlig unberechtigt ist und worüber man sich sachlich austauschen kann, und andererseits Theorien, wonach die Bundesregierung das Coronavirus mit Unterstützung von Bill Gates erfunden und in China losgelassen hat, um endlich alle in Deutschland zwangsimpfen zu können (auch wenn es gar keinen Impfstoff gibt). Aber Ihre Frage ist natürlich nicht unberechtigt. Denn wenn Verschwörungstheoretiker zu laut werden, könnte es sein, dass besonnene und fakten-basierte Bedenken überhört werden. Für Politiker und Politiker ist es aber unabdingbar, genau hinzuhören und nicht alle in einen Topf zu werden. Es gibt selbstverständlich berechtigte Kritik an einzelnen Maßnahmen oder politischen Entscheidungen und es gibt auch Kritik, die man entkräften kann und soll.
Frage: In wieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung, Misstrauen (durch mangelnde Transparenz) in die Arbeit der Parlamente zu entkräften?
· Antwort: Ich finde eigentlich nicht, dass „die Politik“ intransparent ist. Wir führen im Bundestag öffentliche Anhörungen durch, die Debatten werden im Fernsehen übertragen und die Abgeordneten stehen in der Regel allen Interessierten Rede und Antwort – Online, bei Veranstaltungen vor Ort, bei Bürgersprechstunden etc. In einer Vielzahl von Antworten auf Kleine Anfragen werden ständig alle denkbaren Fragen der Opposition seitens der Bundesregierung beantwortet und stehen der Öffentlichkeit – bei Interesse – zur Verfügung. Das heißt natürlich nicht, dass es keinen Verbesserungsbedarf geben würde, wie zum Beispiel das auch von der SPD geforderte Lobbyregister.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich