Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Gabriela Heinrich
SPD
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Frage von Jens H. •

Frage an Gabriela Heinrich von Jens H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Heinrich,

in letzter Zeit habe ich mich mit der Idee der kollektiven Arbeitszeitverkürzung beschäftigt. In den Augen ihrer Vertreter ist sie sowohl ein probates Mittel um die stetige Arbeitslosigkeit zu mildern, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, als auch der Zunahme an psychischen Krankheiten in den Industrieländern entgegenzuwirken. Zu guter Letzt würde dadurch auch die zumeist noch von Frauen geleistete Reproduktionsarbeit gerechter verteilt werden. Aus linksliberaler Perspektive könnte eine 30-Stunden-Woche die Produktivität der Beschäftigten sogar noch erhöhen, da die Konzentrationsspanne laut Untersuchungen bereits nach wenigen Stunden Arbeitszeit abnimmt. Marxistische Ökonomen (wie Heinz-Josef Bontrup etwa) wollen hingegen eine gezielte Drosselung der Produktion, jedoch bei vollem Lohnausgleich. Angesichts unserer "Überflussgesellschaft" kann ich einer Produktivitätssenkung nur zustimmen, gerade angesichts unserer Klimakrise. Nun ist klar, dass im Zuge der globalen Standortkonkurrenz eine 30- oder sogar 20-Stunden-Woche nur als langfristiges Ziel ausgegeben werden und nur auf europäischer Ebene funktionieren kann. Diese visionäre Idee kann also nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Aber wäre es nicht wichtig, ein solches Zukunftskonzepts aktiv zu verbreiten und zur gesellschaftlichen Debatte zu stellen?

Wie stehen Sie zur Idee einer 30- oder 20-Stunden-Woche beim vollen Lohnausgleich und würden Sie dabei auf eine Beibehaltung oder Senkung der Produktivität abzielen?

Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Habermann,

grundsätzlich sehe ich hier eine gemeinsame Aufgabe der Gewerkschaften und der Arbeitgeber im Sinne der Tarifautonomie. Es gibt bereits Betriebe, die verkürzte Arbeitszeiten bei vollem Gehalt getestet haben. Und es gibt auch schon tarifliche Lösungen wie die von der IG Metall ausgehandelte „verkürzte Vollzeit“ (28 Stunden). Generell werden sich solche Lösungen durchsetzen, von denen sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber profitieren. Ob das von einigen Betrieben praktizierte Modell der deutlichen Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohn nachgeahmt wird, wird vom tatsächlichen Erfolg in der Praxis abhängen.

Die SPD unterstützt die Rahmenbedingungen für die Tarifautonomie und flexible Arbeitszeitmodelle. Hinzu kommen neue Ansätze, gerade auch zur besseren Vereinbarkeit von Kindererziehung, Pflege und Beruf – aber auch in Hinblick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt. Auf dem von uns einst in einer Großen Koalition durchgesetzten Elterngeld haben wir unter anderem mit dessen Erweiterung und dem Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit aufgebaut – also der Möglichkeit, die Arbeitszeit zeitweise zu reduzieren, aber auch wieder aufzustocken. Diesen Rechtsanspruch wollen wir im nächsten Schritt auch auf kleinere Betriebe ausweiten.

Mit einem Wahlarbeitszeitgesetz wollen wir die Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Arbeitszeit erweitern und auch einen rechtlichen Rahmen für mobile Arbeit schaffen, für den die Tarifparteien Vereinbarungen abschließen sollen. Das Recht auf Homeoffice – soweit möglich – gehört für uns genauso dazu wie das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit. Wir setzen uns zudem für betriebsübergreifende Langzeitkonten ein, mit denen Arbeitszeit angespart und je nach Lebensphase genutzt werden kann. Für bis zu 24 Monate wollen wir zudem ein Familiengeld einführen, anknüpfend an das Elterngeld. Damit soll eine Reduzierung durch einen staatlichen Zuschuss ermöglicht werden. Ein solches Modell haben wir auch als „Familiengeld Pflege“ vorgeschlagen.

Im Sinne der Tarifautonomie sehe ich persönlich es als Aufgabe der Gewerkschaften, zu geeigneten Lösungen zusammen mit den Arbeitgebern zu kommen. Zumal sich die konkreten Anforderungen an einen Arbeitsplatz auch zum Teil je nach Branche erheblich unterscheiden. Die Wettbewerbsfähigkeit muss dabei stets berücksichtigt werden, denn ansonsten würden keine neuen Arbeitsplätze entstehen, sondern bestehende gefährdet.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich

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