Der Mindestlohn sollte sich, wenn überhaupt, durch den Austausch unterschiedlicher Interessenvertreter:innen am Arbeitsmarkt bilden. Warum sollten Politiker sich überhaupt dazu äußern?
Sehr geehrter Friedrich Jeschke, würde sich Volt auch für eine wirtschaftlich sinnvolle Senkung des Mindestlohnes einsetzen?
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Danke für Ihre Frage Herr R..
Wir stehen immer wieder vor einer entscheidenden Frage: Soll Arbeit in unserer Gesellschaft fair entlohnt werden? Soll jeder Mensch, der tagtäglich hart arbeitet, von seinem Lohn auch leben können? Die Antwort kann nur „Ja“ lauten!
Deshalb brauchen wir den Mindestlohn – und zwar gerade im Niedriglohnsektor.
Ich möchte betonen: Nicht jede:r Arbeitnehmer:in kann einen Lohn frei verhandeln. Es gibt Millionen Menschen, die in Berufen arbeiten, die unverzichtbar für unsere Gesellschaft sind – in der Pflege, in der Gastronomie, in der Reinigung oder in der Logistik. Doch genau diese Menschen stehen häufig in einer schwachen Verhandlungsposition gegenüber Arbeitgebern. Wer keine starke Lobby hat, wer auf seinen Job dringend angewiesen ist, kann selten selbstbewusst mehr Geld fordern. Oft fehlt auch die Erfahrung und das Wissen, wie man verhandelt.
Genau hier muss die Politik einen Rahmen setzen. Es darf nicht dem Gutdünken einzelner Unternehmen überlassen bleiben, wie viel ein Mensch für seine harte Arbeit bekommt. Ohne einen gesetzlichen Mindestlohn geraten Arbeitnehmer unter Druck, während einige Unternehmen ihre Gewinne auf dem Rücken von Billiglöhnen maximieren. Das ist nicht fair, das ist nicht sozial und das ist nicht nachhaltig.
Deshalb setzt sich Volt entschieden für die Umsetzung der EU-Mindestlohn-Richtlinie ein. Denn faire Löhne dürfen nicht von nationalen Einzelinteressen abhängen, sondern müssen europaweit gesichert sein. Ein gerechter Mindestlohn schützt nicht nur Arbeitnehmer:innen in Deutschland, sondern verhindert auch Lohndumping innerhalb der Europäischen Union.
Doch wir brauchen mehr als eine einmalige Festlegung des Mindestlohns – wir brauchen ein dynamisches System. Volt fordert deshalb, dass der Mindestlohn stets an 60 % des Medianbruttolohns 1) angepasst wird. Das würde aktuell (Stand 2024) 14,61 Euro pro Stunde bedeuten – eine notwendige Erhöhung, um Arbeitnehmern ein existenzsicherndes Einkommen zu garantieren. Laut aktuellen Daten beziehen etwa 810.000 Menschen in Deutschland Bürgergeld als Aufstockung zu ihrem Lohn. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, die oft im Niedriglohnsektor oder in Minijobs arbeiten und Schwierigkeiten haben, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren. Eine Studie zeigt, dass zwischen 2010 und 2018 fast ein Drittel aller Leistungsbezieher, die in einer Familie mit Kindern leben, erwerbstätig waren.
Und faire Löhne enden nicht mit dem letzten Gehaltsscheck. Wer sein Leben lang arbeitet, muss sich auf eine angemessene Rente verlassen können. Volt fordert daher, dass die Rentenbeiträge von Mindestlohnempfangenden so gestaltet werden, dass sie eine generationengerechte Altersvorsorge sichern. Niemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, sollte in Altersarmut geraten.
Faire Löhne sind eine Frage der Würde. Arbeit verdient Respekt, und Respekt zeigt sich in einer gerechten Bezahlung. Deshalb brauchen wir den Mindestlohn – als Schutz vor Ausbeutung, als Grundlage für soziale Sicherheit und als Zeichen politischer Verantwortung.
Wahlprogramm https://voltdeutschland.org/programm-bundestagswahl-2025
- Der Medianbruttolohn ist eine Messzahl für das Einkommen der Arbeitnehmer in einem Land. Er bedeutet: Wenn man alle Löhne der Beschäftigten in einer Reihe vom niedrigsten bis zum höchsten ordnet, dann ist der Median der Lohn genau in der Mitte. Das heißt, die Hälfte der Arbeitnehmer verdient weniger, die andere Hälfte verdient mehr. Der Median ist oft aussagekräftiger als der Durchschnitt, weil er nicht durch besonders hohe oder besonders niedrige Gehälter verzerrt wird. Während der Durchschnittslohn stark von einigen wenigen Spitzenverdienern beeinflusst werden kann, zeigt der Medianbruttolohn realistischer, was ein typischer Arbeitnehmer verdient.