Frage an Friedrich Jeschke von Klaus D. L. bezüglich Staat und Verwaltung
Verwaltung ist ein exekutiver Akt.
Unter Föderalismus versteht man meist autonome politisch-staatliche Gliederung.
Während Verwaltung also politische Entscheidungen (Gesetzgebung) über Verwaltungsvorschriften umsetzt, finden die eigentlichen foederativen Prozesse auf politischer Ebene statt. Dabei geht es um das politische Aushandeln zwischen verschiedenen foederativen Ebenen ( z.B. Kommunen, Bundesländer und Bundesstaat) wie auch um notwendige (Re-) Integration politischer Entscheidungen der verschiedenen Ebenen.
Meine Frage:
Welche Optionen für die Organisationsform einer fortgeschrittenen EU - im Sinne der ever closer Union - werden von v o l t favorisiert? Welche Funktionen nehmen die als Nationalstaaten organisierten Mitglieder in ihr ein? Wie ist in dieser Organisationsform eine funktionale Operationalisierung des Subsidiaritäts -prinzips gewährleistet? Und wird eine funktionale Äquivalenz dieser zukünftigen HiEU - Organisationsform mit dem Modell bestehender Nationalstaaten angestrebt (Frage der Finalitaet)?
Lieber Herr L.,
danke für Ihre Fragen. Volt favorisiert ein föderales Europa mit klarer
Subsidiarität. Durch unsere Vorstellung das Mehrheitsprinzip einzuführen
und das EU-Parlament zu stärken, muss die Kontrolle der Subsidiarität also
wie bisher (!) über die nationalen Parlamente erfolgen. Da hier also
bereits bestehende Mechanismen existiert, der Auszug zu der entsprechenden
Rechtsvorschrift des Europaparlamentes: (Vergleich Artikel 5 Absatz 3 des
Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Protokoll (Nr. 2) über die
Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/7/subsidiaritatsprinzip )
„Gemäß den Bestimmungen in Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 2 sowie
Artikel 12 Buchstabe b EUV (Vertrags über die Europäische Union) sorgen die
nationalen Parlamente dafür, dass das Subsidiaritätsprinzip gemäß dem im
Protokoll Nr. 2 vorgesehenen Verfahren eingehalten wird. Im Zuge dieses
Verfahrens („Frühwarnsystem“) können die nationalen Parlamente oder die
Kammern eines dieser Parlamente binnen acht Wochen nach der Übermittlung
eines Entwurfs eines Gesetzgebungsaktes in einer begründeten Stellungnahme
an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der
Kommission darlegen, weshalb der Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem
Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Erreicht die Anzahl der begründeten
Stellungnahmen der nationalen Parlamente mindestens ein Drittel (eine
Stimme je Kammer bei Zweikammerparlamenten und zwei Stimmen bei
Einkammerparlamenten), muss der Entwurf überprüft werden („gelbe Karte“).
Das Organ, das den Entwurf des Gesetzgebungsaktes verfasst hat, kann
beschließen, an dem Entwurf festzuhalten, ihn zu ändern oder ihn
zurückzuziehen, wobei dieser Beschluss zu begründen ist. Bei Vorschriften
im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen
liegt die Schwelle niedriger (ein Viertel der Stimmen). Bestreitet im
Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mindestens die einfache
Mehrheit der Stimmen aller nationalen Parlamente die Übereinstimmung eines
Legislativvorschlags mit dem Subsidiaritätsprinzip und beschließt die
Kommission, an ihrem Vorschlag festzuhalten, wird er dem Gesetzgeber
(Europäisches Parlament und Rat) vorgelegt, der in erster Lesung Stellung
nimmt. Ist der Gesetzgeber der Ansicht, dass der Legislativvorschlag nicht
mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang steht, kann er ihn mit der
Mehrheit von 55 % der Mitglieder des Rates oder einer Mehrheit der
abgegebenen Stimmen im Europäischen Parlament ablehnen („orange Karte“).
Das „Gelbe Karte“-Verfahren wurde bis heute dreimal ausgelöst, während das
„Orange Karte“-Verfahren noch nie zum Einsatz gekommen ist. Im Mai 2012 gab
es erstmals eine „gelbe Karte“ für einen Vorschlag für eine Verordnung der
Kommission betreffend die Ausübung des Rechts auf Durchführung kollektiver
Maßnahmen im Kontext der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
(„Monti II“). Zwölf der 40 nationalen Parlamente oder Kammern dieser
Parlamente waren der Ansicht, dass der Vorschlag inhaltlich nicht mit dem
Subsidiaritätsprinzip vereinbar sei. Die Kommission zog schließlich ihren
Vorschlag zurück, war aber dennoch der Ansicht, dass kein Verstoß gegen das
Subsidiaritätsprinzip vorlag. Im Oktober 2013 erteilten 14 nationale
Parlamentskammern in 11 Mitgliedstaaten dem Vorschlag für eine Verordnung
zur Schaffung der europäischen Staatsanwaltschaft eine weitere „gelbe
Karte“. Nach Auswertung der begründeten Stellungnahmen der nationalen
Parlamente entschloss sich die Kommission dazu, den Vorschlag beizubehalten
,
und führte an, dass er mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sei. Eine
dritte „gelbe Karte“ wurde schließlich von 14 Kammern in 11 Mitgliedstaaten
dem Vorschlag zur Revision der Richtlinie über die Entsendung von
Arbeitnehmern
im
Mai 2016 erteilt. Die Kommission gab für die Aufrechterhaltung ihres
Vorschlags eine ausführliche Begründung
an,
da sie der Auffassung war, dass dieser aufgrund der per definitionem
grenzüberschreitenden Natur des Sachverhalts der Entsendung von
Arbeitnehmern nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße.“
Wie Sie sehen gibt es zum Subsidiaritätsprinzip bereits klare Regelungen,
die mangels Einstimmigkeitsprinzip seltener genutzt werden.
Kurz gesagt: Was alle gemeinsam Lösen und Anpacken können müssen sie
gemeinsam beschließen, wie aber Aachener Printen oder Frankfurter Grüne
Soße gemacht wird bleibt auf der entsprechenden Ebene.
Ich stehe für Nachfragen und persönlichen Austausch gerne zur Verfügung.
Sie finden meine Kontaktdaten auf dem Profil verlinkt.
Herzliche Grüße
Friedrich Jeschke