Frage an Franz Obermeier von Hannes S. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Obermeier,
wie ich Ihrem Wahlprospekt entnehme, zählte die Energiepolitik zu Ihren wichtigsten Themen im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. In einer Antwort zur Energiepolitik vom 1.9. führen Sie die drohende Stromlücke ins Feld. Demgegenüber ist zu sagen: In den Siebziger Jahren wurde der Bau von Atomkraftwerken ebenfalls schon mit einem erheblichen Zuwachs des Strombedarfs auf das bis Dreifache begründet. Der tatsächlicher Zuwachs lag weit darunter (weniger als das eineinhalbfache). Ebenso wird seit langem behauptet, die erneuerbaren Energien könnten fossile und atomare Energien auch langfristig nicht ersetzen. Tatsächlich lagen sie 2008 im Strombereich bei 15,3% und können 2020 bei 47% liegen (BEE). Viele PV- und Windkraftanlagen können erst mit mehrmoatiger Verspätung ans Netz gehen. Zur von Ihnen beschworenen Stromlücke: 2008 wurden 22,5 TWh Strom exportiert, das sind 4,2% des Stromjahresbedarfs. Obwohl zeitweise 5 Atomkraftwerke vom Netz genommen waren, gab es laut RWE, die eine der größten Stromwarten in Deutschland betreibt keinerlei Engpässe. Zur schlüssigen Energiepolitik: Energiesparen könnte natürlich viel stärker gefördert werden. Die von Ihnen angesprochenen Wärmepumpen sind bei vernünftiger Dämmung der Gebäude in viel geringerem Masse nötig (Biomasse und Kraft-Wärme-Kopplung sind primärenergetisch besser als Wärmepumpen). Bis 2020 sollen ja 1 Mio Elektroautos in Deutschland fahren. Laut Bundesverband Solarer Mobilität sind dafür entgegen herrschender Meinung keine neuen Kraftwerke nötig. Sie können langfristig gar zur Pufferung der diskontinuierlichen erneuerbaren Energien beitragen. Elektroautos wollen Sie nun fördern. Meine Frage: Wie? Und meine Frage zur Atomenergie: Warum soll der ganze Atommüll an einem Standort in Gorleben gelagert werden? Ich kenne einige Menschen dort und halte es für unverantwortlich. Und was wäre, wenn es eine Diskussion über ein mögliches Endlager in Bayern gibt?
mit freundlichen Grüßen
Lieber Herr Schißler,
bei Ihren Zahlen gehen Sie von der "installierten Leistung" aus, also von der maximalen Produktionsmenge. Das hilft uns energiepolitisch aber nicht weiter, denn Windräder produzieren nur bei Wind, Photovoltaikzellen nur bei Sonne. Die Herausforderung besteht darin, den regenerativ erzeugten Strom so zu speichern, dass er kontinuierlich verfügbar ist. Bei den gerade laufenden Koalitionsverhandlungen diskutieren wir deshalb auch die gezielte Förderung von Anlagen zur Stromspeicherung. Der Weg zur "Grundlastfähigkeit" der erneuerbaren Energien kostet viel Geld und braucht seine Zeit. Aus Gründen der Versorgungssicherheit können wir heute nicht vorhersagen, wann z.B. Atomkraftwerke zur Grundlast-Stromerzeugung überflüssig sein werden.
Zum Thema Strombedarf: Wie viel wir in Zukunft benötigen, hängt zum einen mit effizientem Energieeinsatz zusammen. Zum anderen ist die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich. Ich bin der Auffassung, dass ein enger Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Stromverbrauch besteht. Und unser Ziel ist ein Wachstum von rund drei Prozent pro Jahr.
Dass Deutschland Strom exportiert liegt in der Tat an einer Überproduktion, allerdings - und das ist entscheidend - an einer temporären. Wenn zahlreiche Anlagen (also auch Windräder und Photovoltaikanlagen) gut ausgelastet sind und gleichzeitig wenig Strom benötigt wird (an Wochenenden oder Feiertagen), dann haben wir in Deutschland in der Tat einen Überschuss.
Sie kritisieren, dass wir Energiesparen nicht genug fördern: Das stimmt so nicht! Beispiel: Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Hier haben wir sogar ziemlich erfolgreich Anreize zur effizienteren Nutzung von Energie geschaffen. Darüber hinaus werden Biomasse und Kraft-Wärmekopplung ebenso staatlich gefördert. Solche Programme werden wir in Zukunft ausbauen.
Darüber hinaus sprechen Sie das Thema "Elektroauto" an: Sollten 2020 eine Millionen Fahrzeuge mit Stromantrieb fahren, wird der Stromverbrauch mit Sicherheit zusätzlich steigen. Vermutlich werden wir vorrangig die Entwicklung solcher Elektroautos fördern, damit diese Fahrzeuge rasch auf den Markt kommen. Inwieweit dann künftig tatsächlich neue Großkraftwerke nötig sind, wird sich zeigen. Mein Ziel wäre, die Energie für diese Fahrzeuge aus regenerativen Anlagen bereitzustellen.
Warum unser Atommüll in Gorleben gelagert werden muss? - Weil es keinen Sinn macht, solche Endlager über ganz Deutschland zu verteilen. In den 70er und 80er Jahren gab es ein aufwändiges Auswahlverfahren über ein geeignetes "Wirtsgestein". Sämtliche möglichen Standorte wurden untersucht. Der Salzstock in Gorleben wurde damals von den Wissenschaftlern als am ehesten geeignet angesehen. Ich setze mich dafür ein, dass die wissenschaftliche Erkundung - auch unter internationaler fachlicher Beteiligung - wieder aufgenommen wird.
Viele Fragen, ein weites Feld: Wenn Sie zusätzliche Fragen und Anmerkungen zum Thema Energiepolitik haben, können Sie mich gerne in meinem Büro anrufen (030/227 73 609).
Viele Grüße
Franz Obermeier