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Frage von Selina K. •

Wie wollen Sie, nach der Besteuerung von Großvermögen, Unternehmen und Wohlhabende in Deutschland halten? Andere Anreize?

Es gibt Sorgen über überstürzte, undurchdachte und kurzfristige Entscheidungen, ohne langfristige Folgen zu durchdenken und Vorbereitungen zu treffen. Unternehmen stehen vor Krisen, Deutschland wird wirtschaftlich abgehängt. Eine höhere Besteuerung könnte dazu führen, dass viele Unternehmen vermehrt auf ausländische Standorte bauen.

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Sehr geehrte Frau K.,

herzlichen Dank für Ihre letztlich recht komplexe Frage.

Deutschland wird sich für die Zukunft neu erfinden müssen: Im Wahlkampf hört man derzeit viele Sprüche wie etwa „Mehr Netto vom Brutto“, die suggerieren, wir könnten weitermachen wie bisher, hätten sogar noch Luft nach oben. Und es gäbe ja auch durchaus eine grundsätzliche Berechtigung für diesen Wahlspruch. Nur stehen diesem Wunschdenken multiple Krisen, eine über viele Jahre vernachlässigte Infrastruktur, ohnehin schon hoch verschuldete öffentliche Finanzen und ein uns immer teurer kommender Klimawandel entgegen. Dazu bläst uns als großer Exportnation zunehmend ein recht rauer Wind ins Gesicht und dass nach Deals um die Ukraine und Gaza plötzlich ein stabiler und dauerhafter Weltfrieden ausbricht bleibt leider auch mit allerhand Zweifeln behaftet.

Mit anderen Worten: Der Staat wird sicherlich mit Blick auf die weitere Zukunft überlegter mit seinen finanziellen Mitteln umgehen müssen. Aber wir werden auf der anderen Seite auch nicht um zusätzliche Einnahmen herumkommen. 

Und hier fällt nun mal auf, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet, dass die obersten 10% über rund zwei Drittel des gesamten Privatvermögens verfügen, das reichste Prozent über ein Drittel. Ganz unten werden wir nicht viel kürzen können. Also gilt es, mit einem Mix aus mehreren Maßnahmen vor allem den oberen Bereich näher zu betrachten. Wobei es nicht nur um die Vermögensteuer geht, die 1996 nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wurde und für die nun durch die Neuberechnung der Grundsteuer die Voraussetzungen für einen Neustart gegeben wären.

Bei einer Vermögensteuer ist mir sehr wohl bewusst, dass es unterschiedliche Sichtweisen auf die Wiedereinführung gibt: Das ifo-Institut hat sich dagegen ausgesprochen, das DIW dagegen dafür. Und es gibt auch Studien, die abgeschätzt haben, ob Steuerflucht dabei zu einem ernsten Thema werden könnte. Auch hier sind die Ergebnisse nicht ganz eindeutig, es wird sicherlich auch davon abhängen, wie man die Steuer ausgestaltet – und dass man dabei nicht überzieht. Die Vermögensteuer in der Form von 1995 würde heute nach Schätzungen etwa 10-20 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskasse spülen – Geld, das damals nicht geflüchtet ist und dies dann wohl auch heute in aller Regel nicht tun würde.  

Aber es gibt noch mehr Punkte, die mitbedacht werden sollten: Es geht auch darum, an unserem recht komplexen deutschen Steuersystem Privilegien zu überdenken. Bei "kleineren" Erbschaften fällt oftmals vergleichsweise mehr an Erbschaftssteuer an als bei Großvermögen, vor allem wenn es um Unternehmenserbschaften geht. Da wären Neuregelungen, die natürlich Unternehmen selber nicht gefährden dürfen, nur allzu fair. Auch Immobilien bleiben nach 10 Jahren Haltedauer komplett steuerfrei.

Und es geht noch weiter: Kürzlich hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft vermeldet, dass man davon ausgehe, dem Staat würden durch Steuerhinterziehung jährlich 100 Milliarden Euro verloren gehen: Stichwort „Umsatzsteuerkarussell“. Und dass wohl auch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte nach wie vor laufen, wie auch die Ex-Staatsanwältin und Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker annimmt. – Nirgendwo hat dieser Spruch mehr an Bedeutung wie hier bei Wirtschaftskriminalität: Die kleinen hängt man, die großen lässt man laufen. Man halte sich das mal vor Augen: Bei vielfach angesprochenem Sozialhilfebetrug geht man von 350 Millionen pro Jahr aus, und hier von 100 Milliarden! 

Zum Vergleich das Volumen des Bundeshaushalts 2024: 476 Milliarden Euro.

Mit anderen Worten: Wenn es uns endlich gelingt, Schlupflöcher zu schließen, dann wäre unser Steuersystem viel gerechter und die finanzielle Lage in Deutschland deutlich entspannter. Was letztlich auch den Unternehmen wieder zu Gute käme. Es würde allerdings wohl ein paar Jahre dauern, bis unsere Steuerverwaltung alles im Griff hätte. Aber andere Staaten in Europa hatten ähnliche Probleme und die haben schon viel erreicht.

Schließlich lassen Sie in Ihrer Frage den Begriff „Anreize“ anklingen: Ja, wir werden Anreize brauchen, zunächst schon mal um die Stimmung in der Wirtschaft wieder zuversichtlicher zu gestalten. Dazu sollte der Bund vorzugsweise seinen Kommunen zu Hilfe eilen, um diesen wieder ganz allgemein finanziellen Spielraum, bevorzugt für Investitionen, zu ermöglichen. Ferner denke ich an die Bereiche Digitalisierung und da unsere Kinder und Enkel auch noch vernünftig leben können wollen an ökologische Nachhaltigkeit.