Was erhoffen sie sich durch die Großvermögenssteuer?
Wie können mögliche negative Effekte der Besteuerung vermieden werden (Abwanderung von Personen mit Großvermögen und Verringerung der Attraktivität des Standorts für vermögende Personen -> mglw. langfristige Verringerung der sowieso schon niedrigen Wirtschaftsleistung) und wie soll vermieden werden, dass aufgrund von Steuerschlupflöchern, nicht die falsche Zielgruppe damit getroffen wird bzw. die Gesetze nicht ihren Zweck erfüllen?
Sehr geehrter Herr S.,
herzlichen Dank für Ihre überaus wichtige Frage.
Deutschland wird in den kommenden Jahren sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen, als dies in der Vergangenheit der Fall war: Vor allem unsere Infrastruktur (Straßen, Schulen, Krankenhäuser) wurde vernachlässigt und muss wieder auf Vordermann gebracht werden, die öffentlichen Haushalte auf allen politischen Ebenen haben Schulden angehäuft, die Budgets vieler Ministerien sind ausgereizt, vielfach unterfinanziert.
Wir werden diesem Übel nur mit einem Mix aus mehreren Maßnahmen begegnen können, wobei eben „eine gerechte Steuerpolitik, die auch große Vermögen einbezieht“, unumgänglich ist.
Bei diesen Zeilen sollte man jetzt nicht nur allein an eine Vermögensteuer denken, die 1996 nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wurde und für die nun durch die Neuberechnung der Grundsteuer die Voraussetzungen für einen Neustart gegeben wären.
Es geht auch darum, an unserem recht komplexen deutschen Steuersystem Privilegien zu überdenken. Bei "kleineren" Erbschaften fällt oftmals vergleichsweise mehr an Erbschaftssteuer an als bei Großvermögen, vor allem wenn es um Unternehmenserbschaften geht. Da wären Neuregelungen, die natürlich Unternehmen selber nicht gefährden dürfen, nur allzu fair. Auch Immobilien bleiben nach 10 Jahren Haltedauer komplett steuerfrei.
Und nochmal zu „gerecht“: Ganz aktuell am 04.02.25 hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft vermeldet, dass man davon ausgehe, dem Staat würden durch Steuerhinterziehung jährlich 100 Milliarden Euro verloren gehen: Stichwort „Umsatzsteuerkarussell“. Und dass wohl auch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte nach wie vor laufen, wie auch die Ex-Staatsanwältin und Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker annimmt. – Nirgendwo hat dieser Spruch mehr an Bedeutung wie hier bei Wirtschaftskriminalität: Die kleinen hängt man, die großen lässt man laufen. Man halte sich das mal vor Augen: Bei vielfach angesprochenem Sozialhilfebetrug geht man von 350 Millionen pro Jahr aus, und hier von 100 Milliarden! Und fast niemanden interessiert es!
Ich denke, in den hier genannten Punkten steckt verdammt viel Potenzial, das es – endlich - zu heben gilt. Wobei man sich die Ausgestaltung jeder Veränderung natürlich sorgsam anschauen muss und dabei auch nicht überziehen darf, damit die in Ihren Fragen genannten Befürchtungen vermieden werden. Mit umsichtigem Handeln ohne Schielen auf Parteispenden von großen Tieren ist das sehr wohl machbar.