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Florian Schöttle
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Frage von Holger M. •

Frage an Florian Schöttle von Holger M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schöttle,
mich interessiert, was Sie gegen das "Geschäftesterben" am Tempelhofer Damm tun wollen. Immer mehr Ladenbesitzer müssen den T-Damm, zum Teil wegen überzogener Mieterhöhungen verlassen. Ladenmietbindung wäre da vielleicht ein guter Ansatz. Gern wüsste ich hierzu Ihre Meinung. Vielen Dank im voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Much

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Much,
die Problematik ist ausgesprochen komplex.
Das von Ihnen beschriebene Phänomen hat auf der einen Seite seine Ursachen im Strukturwandel des Einzelhandels insgesamt, der von einem gewaltigen Konzentrationsprozess, einer Monopolisierung (Aldi und Lidl haben in einigen Produktkategorien bis zu 80% Marktanteil, auch durchaus im Non-Food-Bereich) gekennzeichnet ist und auf der anderen Seite in strukturellen Entwicklungen im Bezug auf die soziale Schichtung der Stadtteile in Berlin. Wir erleben zur Zeit erhebliche Segregationsprozesse, d.h. die Bezirke und Stadtteile Berlins sortieren sich zunehmend sozial, teilweise kann schon von einer Ghettoisierung bestimmter Gebiete gesprochen werden.
Sozial eher belastete, destrukturierte Stadtteile sind am ehesten vom Einzelhandelssterben betroffen.
Abhilfe haben in der Vergangenheit tatsächlich gebietsorientierte Struktur-Entwicklungsmaßnahmen gebracht, die durch soziokulturelle Angebote zur sozialen Stabilisierung der Gebiete beitragen z.B. im Rahmen von "soziale Stadt", durch Quartiers- und Stadtteilmanagement. Näheres finden Sie auf der Berlin.de Seite unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/quartiersmanagement/. In den entsprechenden Gebieten gibt es auch immer Gewerberaumbörsen und Beratungen im Bezug auf den Umgang mit den Eigentümern, auf deren unbescheidene Forderungen in der Regel auch nicht unbedingt eingegangen werden muß. Sie müssen ja auch erst einmal einen neuen Mieter finden.
Ganz wesentlich ist auch die Entwicklung und die Pflege von familienfreundlicher Infrastruktur wie natürlich Kinderbetreuung und neuerdings auch wohnortnahe Arbeitsplatzangebote für freiberufliche Tätigkeiten, auf die viele Erwerbstätige zunehmend angewiesen sind.
Behördlich angeordnete Mietenbindungen sind nur im Rahmen von Städtebaulichen Gebietsausweisungen also im Rahmen von "städtebaulichen Maßnahmen" auf der Grundlage der entsprechenden Regelungen des baugesetzbuches möglich, waren bisher auch ein probates Mittel der Sicherung sozialer Mietpreise im Wohnungsbereich, sind aber leider qua oberster Verwaltungsrechtsprechung quasi verboten worden, weil von Flächzenmangel in Berlin nicht mehr ausgegangen werden kann und der Steigerungsbetroffene Mieter ja jederzewit in ein günstigeres Angebot ausweichen könne. Im Grunde also auch ein segregationsförderndes Urteil, weil es die billigeren Angebote ja dann auch in den sozial belasteteren Gebieten gibt. In Berlin steht uns dieses Instrument insofern kaum mehr zur Verfügung.
Für den Tempelhofer Damm speziell ist die Planung einer Shopping-mall am Tempelhofer Hafen bei weitem die schlimmste Bedrohung. Dort werden 90% Filial- und Franchisebetriebe großer Ketten angesiedelt, gegen die der kleinteilige Einzelhandel in der Konkurrenz nicht bestehen kann und zwar für den T-Damm quasi standortfern, so daß für die dortigen Läden nicht einmal mehr Mitnahmeeffekte möglich sind.
Es ist jedoch auch schwer, gewerberechtlich steuernd einzugreifen. Die gesetzliche Grundlage hätte das bezirkliche Gewerbeamt schon, aber gegen die Handelsriesen ist verwaltungsrechtlich kaum zu bestehen.
Die meisten Gestaltungsmöglichkeiten hat man als Grundstückseigentümer, zum Beispiel die Teltow-Kanal-Genossenschaft als Eigentümerin des Tempelhofer Hafens. Sie hat sich bewußt gegen die Ansiedelung eines attraktiven Wohn- und Kulturquartiers am Hafen entschieden, für das es eine ausgearbeitete Planung gibt. So könnten beispielsweise auch die landeseigenen Immobiliengesellschaften in ihren Läden am T-Damm günstige Mietpreise anbieten, um die benachbarten Privateigentüer unter Konkurrenz zu setzen.
Wenn die Wahlbürger mir das Vertrauen schenken und mir ein Mandat zufallen würde, würde ich mich an den genannten "wunden Punkten" entsprechend einsetzen und versuchen, gemeinsam mit den Bezirklichen Stellen dort gestaltend einzugreifen. Gewerberaum- und Strukturpolitik ist für mich als Atelierbeauftragten eines der wesentlichen Kompetenzfelder.
Freundliche Grüße
F.Schöttle