Wie bewerten Sie die Haltung von Friedrich Merz, gemeinsam mit der AfD Anträge durch den Bundestag zu bringen? Lässt sich dies nicht als eine gewisse Annäherung zwischen CDU/CSU und AfD verstehen?

Sehr geehrter Herr D.,
mich haben Hunderte Schreiben zu den Abstimmungen der vergangenen Woche erreicht. Ich kann nicht auf alle persönlich eingehen. Gern erläutere ich aber meine Beweggründe für beide Entscheidungen.
Die Plenardebatten am Mittwoch und am Freitag haben gezeigt, dass es auch in der Migrationspolitik einen Wechsel braucht. Nach den furchtbaren Attentaten in Magdeburg und Aschaffenburg haben die Fraktionen von SPD und Grünen bislang keine Antworten gefunden. Kanzler Olaf Scholz hat schon am Mittwoch in seiner Regierungserklärung die Schuld für die versäumte rechtzeitige Abschiebung des Täters von Aschaffenburg nur auf ein Versagen der Bundesländer und Behörden geschoben, aber keinen Handlungsbedarf beim Bund erkannt.
Die Union ist überzeugt, wenn aus der demokratischen Mitte keine Lösungsansätze kommen, um die Missstände bei Migration und in der inneren Sicherheit anzugehen - mit Humanität und Ordnung -, wird das die radikalen Ränder weiter stärken. Dem wollen und müssen wir konsequent entgegentreten.
Es braucht eine funktionierende Kontrolle bei der Einreise und es braucht wirksame Durchsetzung der Ausreisepflicht v.a. von Gefährdern. Nur so kann verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden, nur so kann Integration gelingen, nur so können letztlich sogar Gefahren für unsere Demokratie abgewendet werden. Leider haben sich SPD und Grüne in der letzten Woche hier nicht bewegt.
Die Union sucht immer eine Mehrheit in der demokratischen Mitte des Bundestages und lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab. Auch in der letzten Woche hat es keine Absprachen und keinerlei Zusammenarbeit gegeben. Im Wortlaut der abgestimmten Entschließungsanträge am Mittwoch hat die Union ihre Distanz zur AfD und beispielsweise zu deren Forderung nach "Remigration" und zu deren Putin-Nähe auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Dort steht, dass die AfD Stabilität, Sicherheit und Wohlstand gefährdet, dass sie Fremdenfeindlichkeit schürt und Verschwörungstheorien in Umlauf bringt. Das war wahrlich keine Einladung an die AfD, sondern der Versuch, sie fernzuhalten. Trotzdem hat die AfD in totaler Selbstverleugnung all dem zugestimmt.
Dass es bei einem an die scheidende Bundesregierung gerichteten Entschließungsantrag zu einer Stimmenmehrheit mit der FDP, aber auch mit der AfD gekommen ist, war trotzdem unnötig und hilft in der Sache nicht weiter. Meine Bedenken gegen dieses Vorgehen habe ich in der Fraktion sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, bin insoweit aber dem Fraktionsbeschluss gefolgt.
Die Abstimmung zum Gesetzentwurf am Freitag hatte für mich eine neue Qualität. Absprachen zu dem debattierten Gesetzentwurf hat es selbstverständlich auch hier nicht gegeben. Aus meiner Sicht wäre es aber schon zu weit gehend, wenn ein Gesetz nur aufgrund der Zustimmung der AfD zustande käme. Die AfD darf in unserer Demokratie nicht zum Zünglein an der Waage werden. Deshalb konnte ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Meine persönliche Haltung gegenüber der AfD ist völlig klar. Die AfD steht mit ihrem völkischen Bevölkerungsbegriff, mit ihrer Nähe zu Russland, mit der Diskreditierung unserer Demokratie und ihren Verschwörungstheorien gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Eine Mehrheit der Menschen möchte, dass wir zu effektiven Maßnahmen bei Migration und innerer Sicherheit kommen. Eine Mehrheit will aber auch, dass wir dies nicht mit der AfD zusammen umsetzen, sondern dass die Parteien der Mitte gemeinsam, sachorientiert und in angemessener Tonlage die Probleme lösen.
Es geht deshalb jetzt darum, für eine starke Union in der nächsten Bundesregierung zu kämpfen, die die Probleme beim Thema Migration, bei Wirtschaft, Sicherheit und Klimaschutz entschlossen angeht.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker