Sollte der Bundestag proaktiv als sehr wahrscheinlich durch die Fachwelt erkannte verfassungswidrige Gesetze wie die Verlustverrechnungsbeschränkungen der § 20 Abs. 6 Satz 4 bis 6 EStG aufheben?
Sehr geehrter Herr Wiese,
der größte Teil der Fachwelt hält § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG (Aktien), Satz 5 (Termingeschäfte) und Satz 6 (Totalverluste) für verfassungswidrig, insbesondere wegen dem Gleichheitsgebot von Art 3 Abs. 1 GG.
Zu Satz 4 (Aktienverluste) hat der BFH bereits 2020 entschieden und das entsprechende Klageverfahren dem BVerfG vorgelegt (Az. 2 BvL 3/21).
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202110103/
Aus der Begründung ist ableitbar, dass Satz 5 und Satz 6 auch verfassungswidrig sind.
Im Eckpunktepapier zum ZuFinG war die Streichung der 3 Sätze vorgesehen, aber leider nicht mehr im Kabinettsentwurf.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2022-06-29-eckpunkte-zukunftsfinanzierungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=6
Herr Schrodi und sein Vorgänger halten die 3 Sätze nicht für verfassungswidrig, aber sollte der Bundestag nicht den Fachexperten folgen?
MfG
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerichte kommen hin und wieder zu anderen Einschätzungen als die Politik, ebenso einzelne Meinungen aus der Fachwelt. Zu diesem Zweck gibt es unter anderem die Gewaltenteilung in Deutschland, um den Klageweg zu ermöglichen. Eine Aufhebung bestimmter Gesetze im Vorhinein einer Entscheidung eines Gerichtes, das erst einmal angerufen werden müsste, halte ich für nicht sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Wiese