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Detlef Müller
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Frage von Axel C. •

Wie verantwortungslos ist eine weitere Vernachlässigung des Bestandsnetzes? Muss jetzt nicht alle verfügbare Kraft und müssen jetzt nicht alle verfügbaren Mittel in die Bestandssanierung fließen?

Sehr geehrter Herr Müller,
Der Bundesrechnungshof hat die Deutsche Bahn AG als Sanierungsfall eingestuft. Es scheint, dass ein beispielloser Kraftakt notwendig ist, um das Bestandsnetz wieder in einen leistungsfähigen Zustand zu versetzen. Die dazu notwendigen Mittel sind wahrscheinlich nur schwer abschätzbar. Zinsentwicklung und Inflation werden die Lage sicherlich momentan nicht verbessern. Auch Fachkräfte stehen nicht in der notwendigen Zahl zur Verfügung. Beispielsweise würden allein für die Planung des sogenannten Deutschlandtaktes 33.000 neue Planungsingenieure benötigt (Q:Quarks.de). Wäre es nicht sinnvoller sich zunächst auf einen 'Deutschland-Akt' der Vollsanierung zu konzentrieren und sich erst sekundär den 'Deutschland-Takt' mit umfangreichen und teils umstrittenen Hochgeschwindigkeits-Neubaustrecken vorzunehmen.

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Sehr geehrter Herr C.,   

die Einschätzung des Bundesrechnungshofes der DB AG als "Sanierungsfall" kann ich so nicht folgen.  

Richtig ist, dass bei Ausbau- und Erhalt des Schienennetzes in Deutschland dringend etwas geschehen muss, um die Verlagerungsziele des Bundes und des Koalitionsvertrages im Verkehrssektor zu erreichen. Dafür brauchen wir vor allem mehr Kapazität und mehr Belastbarkeit - oder wie man so schön sagt Resilienz - des Netzes.  Um dies zu erreichen, brauchen wir beides: Einen stärkeren Fokus auf den Erhalt des Netzes (der gleichzeitig eine Erhöhung der Kapazität des Netzes mit sich bringt) aber eben auch den Neubau von Schieneninfrastruktur, der den Verlagerungszielen gerecht wird.

Um beides umzusetzen, brauchen wir zunächst die entsprechenden strukturellen Voraussetzungen. Diese werden derzeit von der Bundesregierung erarbeitet.  Namentlich sind das die Einrichtung einer am Allgemeinwohl orientierten Infrastruktursparte innerhalb des Gesamtkonzerns DB sowie eine deutliche Vereinfachung der Finanzierungsstrukturen von Aus- und Neubau der Schieneninfrastruktur.

Gleichzeitig arbeiten DB AG und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) derzeit an der Korridorsanierung, dem von Ihnen angesprochenen "Deutschlandakt", die dazu dienen wird, gerade die hoch- und höchstbelasteten Schienenstrecken in unserem Land schnellstmöglich auf einen aktuellen und bestmöglichen Zustand zu bringen. Neu an dem Ansatz der Korridorsanierung ist, dass alle Gewerke (egal ob bspw. Gleisbett, Oberleitung oder Signaltechnik) gleichzeitig saniert werden sollen, ohne auf eventuell ausstehende Abschreibungszyklen zu warten. Das hat den Vorteil, dass ein Korridor nur einmal baulich angegangen werden muss und nicht alle zwei bis drei Jahre ein neues Gewerk ausgewechselt werden muss.

Diese Korridorsanierung wird in den kommenden Jahren ein Kraftakt werden und sie wird auch erhebliche finanzielle Mittel binden. Daher hat der Koalitionsausschuss im März 2023 auch beschlossen, u.a. Einnahmeteile aus der LKW-Maut für diesen Kraftakt zu nutzen.

Nichtsdestotrotz dürfen wir während dieses Kraftaktes auch den Ausbau der Schieneninfrastruktur nicht aus den Augen verlieren. Denn langfristig wird die Kapazität des Bestandsnetzes nicht ausreichen, um die Verkehrsnachfrage auf der Schiene zu erfüllen. Deswegen braucht es den Deutschlandtakt, der gerade auch als Planungs- und Priorisierungsinstrument für eben diesen Ausbau dient. Zudem ist auch zu beachten, dass allein die Planung von Infrastrukturprojekten in unserem Land gerne auch mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann. Hier an dieser Stelle einen Stopp auszurufen, hätte vor allem langfristig schwerwiegende Folgen.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage damit zufriedenstellend beantworten konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Detlef Müller

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