Frage an Detlef Müller von Robert F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
mit bestürzen habe ich über den Onlinedienst Heise erfahren, dass die Bundesregierung einen massiven Ausbau der geplanten Zentraldatei der Steuerzahler anstrebt (http://www.heise.de/newsticker/meldung/93973).
Dies mag im Zuge der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung als sinnvolle Maßnahme erscheinen, jedoch stehen diesem Ansinnen große datenschutzrechtliche Bedenken im Wege. Gerade die Aufnahme der Religionszugehörigkeit und die geplante Verknüpfung dieser Daten mit anderen Behörden stellt aus meiner Sicht einen gravierenden Einschnitt in bestehende Datenstutzrichtlinen dar.
Leider ist diese geplante Änderung nur eine von vielen, die in mir den Verdacht erhärten, dass hier nicht zum Wohl des Bürgers entschieden wird. So empfinde ich die geplante Onlinedurchsuchung und die Vorratsdatenspeicherung als Affront gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das es um den Datenschutz in Deutschland nicht zum Besten steht, kann man am Aufweichen der Mautdatenzweckbindung und dem Umgang mit den Flugpassagier- oder Swift-Finanzdaten sehr gut verfolgen.
Die Frage die sich mir nun stellt ist, wie Sie als Abgeordneter zu dem schleichenden Verfall des Datenschutzes und der Bürgerrechte stehen und was Sie dagegen unternehmen möchten? Wie möchten Sie die Balance aus Datenschutz und Antiterrorkampf wahren? Wie wollen Sie die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates wiederherstellen und einem Aufbau einer Stasi 2.0 entgegenwirken?
Ich bedanke mich im Vorraus und verbleibe
mit freundlichem Gruß
Robert Fritzsching
PS: Aus diesen Überlegungen heraus bitte ich Sie, der aktuellen Fassung des "Jahressteuergesetz 2008" nicht zuzustimmen und weitere Nacharbeiten zu fordern!
Sehr geehrter Herr Fritzsching,
vielen Dank für ihre Anfrage.
Zum von Ihnen angesprochenen Problem der Onlinedurchsuchung gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtsgrundlage. Deshalb hat Bundesinnenminister Schäuble auch die Durchführung von Online-Durchsuchungen auf Drängen der SPD gestoppt. Gemeinsam mit der SPD-Fraktion möchte ich mich allerdings dafür einsetzen, eine verfassungskonforme Lösung für Online-Durchsuchungen zu finden und eine vernünftige Rechtsgrundlage zu schaffen. Dazu benötigen wir dringend eine Neugestaltung des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG), die dem Bundeskriminalamt unter anderem die Möglichkeit gibt, die Telekommunikation zu überwachen. Gerade die jüngsten Meldungen zu den Drohungen der Taliban Richtung Deutschland erfordern eine praktische, sicherheitsorientierte Innenpolitik. Die Notwendigkeit einer eigenen Rechtsgrundlage für die Online-Durchsuchung wurde erst kürzlich durch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs deutlich. Die rechtlichen und technischen Voraussetzungen dieses Instruments sind darüber hinaus überaus diffizil.
Die heimliche Durchsuchung des Computers ist ein besonders schwerer Eingriff in die Schutzsphäre des Bürgers. Dennoch darf es meiner Meinung nach keine rechtsfreien Räume geben, in denen Hinweise auf begangene oder geplante Verbrechen vor den Ermittlungsbehörden geschützt sind. Im Zweifelsfall sollte den Ermittlungsbehörden hier auch das Mittel der Online-Durchsuchung zur Verfügung stehen.
Da die Online-Durchsuchung im Gegensatz zur Hausdurchsuchung heimlich erfolgen soll, um die Betroffene Person oder ihre Komplizen nicht vor den Ermittlungen zu warnen, bedarf es zu ihrer Genehmigung besonders hoher rechtsstaatlicher Hürden wie zum Beispiel einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Die Auflagen für diesen Beschluss müssen deutlich höher liegen als bei der Hausdurchsuchung.
Ich bin mir bewusst, dass nicht die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verloren werden darf. Es darf nicht sein, dass die Freiheitsrechte des Einzelnen unnötig im Namen der Sicherheit eingeschränkt werden; es bedarf dabei stets der Wahrung einer vernünftigen, rechtsstaatlichen Balance.
Zum Thema Zentraldatei der Steuerzahler kann ich derzeit noch keine zuverlässige Aussagen treffen, ihre Vermutung stützt sich allein auf Presseberichte. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich nicht auf Spekulationen eingehen möchte.
Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Müller, MdB