Frage an Detlef Müller von Ruben H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Müller,
Die Einflussnahme von Interessenverbänden beeinflusst und behindert die Entscheidungsfindung der demokratisch gewählten Volksvertreter bei nahezu jedem Gesetzesvorhaben. Erkennen Sie die Problematik? Wie stehen Sie zu den Vorschlägen von abgeordnetenwatch.de und lobbycontrol eines Bundeslobbygesetzes ( https://lobbyregister.org/ )?
vielen Danke im Vorraus für die Antwort.
mit freundlichen Grüßen
Ruben Heinrich
Sehr geehrter Herr Heinrich,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Meine Antwort muss aber aus zwei Teilen bestehen:
Zunächst: Grundsätzlich finde ich es gut, ein "Bundeslobbygesetz" einzuführen, mit dem Ziel, die Tätigkeit von Lobbyisten transparent zu gestalten. Bitte haben Sie aber Verständnis, dass es den Rahmen dieser Anfrage sprengen würde, würde ich den vorliegenden Gesetzesvorschlag, auf den Sie sich beziehen, an dieser Stelle Punkt für Punkt durchgehen. Die Initiatoren sagen es selbst: "Wir erwarten nicht, dass der Bundestag unseren Entwurf direkt umsetzt. Vielmehr wollen wir der Debatte über ein Lobbyregister damit neuen Schwung geben und zeigen, was machbar ist." Das ist übrigens auch SPD-Position - nur müssen CDU/CSU eben auch mitmachen...
Bitte erlauben Sie mir aber auch kritische Anmerkungen zu Ihrem Einleitungssatz: "Die Einflussnahme von Interessenverbänden beeinflusst und behindert die Entscheidungsfindung der demokratisch gewählten Volksvertreter bei nahezu jedem Gesetzesvorhaben." Diese Aussage ist so, wie sie da steht, in ihrer Allgemeinheit falsch, und sogar gefährlich. Warum? Weil jede Interessengruppe, die an Abgeordnete herantritt, Lobbyarbeit macht. Das ist der Verein XY, der mich auf einen Kaffee zu sich einlädt, das wäre natürlich das böse Rüstungsunternehmen (mit denen ich mich aber nicht treffe), das sind aber auch die hochprofessionell arbeitenden Lobbyisten von GREENPEACE, BUND, der Solarbranche, auch der Gewerkschaften!, etc. Merken Sie was? Das böse Wort "Lobbyismus" bezeichnet eben nicht immer nur die bösen Machenschaften von Unternehmen mit schmutzig rauchenden Schloten. Es ist ein wichtiger Bestandteil parlamentarischer Demokratie, dass Interessengruppen, Unternehmen, Verbände, Handwerkskammern, etc. an Abgeordnete herantreten und ihre Anliegen äußern. Wie sonst sollte der Abgeordnete sonst darauf aufmerksam werden, wenn durch eine versteckte Klausel in einem Gesetzeswerk unvorhergesehene Konsequenzen für Arbeitsplätze entstehen? Lobbyismus an sich ist nicht schlecht. Schlecht ist er nur, wenn dadurch unzulässiger Einfluss auf Abgeordnete ausgeübt wird. Dazu muss es aber auch einen moralischen Kompass bei den Angesprochenen geben. Wenn ein Abgeordneter ein großes Rüstungsunternehmen im Wahlkreis hat, muss es ihm natürlich erlaubt sein, dessen VertreterInnen zu treffen. Aber er muss selbst entscheiden, wie er damit umgeht und welche Schlüsse er daraus für seine politische Arbeit zieht. Bei uns in Chemnitz sitzt VW. Mich interessieren natürlich die Belange von VW, weil viele Arbeitsplätze daran hängen. Aber ich muss darauf achten, mich in meinen Entscheidungen nicht von VW abhängig zu machen. Umgekehrt spreche ich Lobbyisten auch selber an, z.B. der Deutschen Bahn, wenn ich zum Beispiel politischen Einfluss auf Entscheidungen der Deutschen Bahn nehmen will, um etwas für Chemnitz zu erreichen. Politik ist Kommunikation, aber es ist immer die Frage, wie man kommuniziert, und ob man anständig kommuniziert, so dass man reinen Gewissens vor die Wählerinnen und Wähler treten kann.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB