Frage an Detlef Müller von Torsten T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Müller,
leider kann ich Ihre vorherige Antwort nicht ohne Nachhaken stehen lassen, da ich meine Fragen nicht ausreichend beantwortet sehe.
Sie schrieben "Die Bundesanwaltschaft ermittelt nicht im Auftrag der Regierung". Es überrascht ein wenig, dass sie als Abgeordneter nicht über die Org.-struktur der Exekutiven informiert sind. Die Bundesanwaltschaft ist dem Bundesjustizministerium unterstellt. Es wurde zwar Weisungen abgestritten, aber in der Realität gibt es solche in offizieller, vor allem aber in inoffizieller Form. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass Herr Maas (SPD) als oberster Dienstherr von Herrn Range nicht über eine solch heikle Angelegenheit informiert war.
Sie fragen ferner, was mich zu der Aussage "die SPD habe die Massenüberwachung aller Bürger mittels Vorratsdatenspeicherung wiederholt gewollt" veranlasst. Zum einen das Umfallen des Herrn Maas, welcher zunächst die VDS strikt ablehnte, nun aber eine 180°-Wendung vollzogen hat - Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Zum anderen Ihr eigenes Abstimmungsverhalten in vorangegangenen Legislaturperioden zu diesem bzw. verwandten Punkten. Sie können das hier auf Abgeordnetenwatch selbst einsehen:
Internetsperren 18.06.2009: JA
Vorratsdatenspeicherung 09.11.2007: JA
Sie behaupten ferner, dass die SPD eine "schlimmere Vorratsdatenspeicherung" verhindert hätte. Sind Grundrechte denn verhandelbar wie der Preis für Obst auch einem Basar? Warum wurde wenn die SPD Schlimmeres verhindern will, eine Klage vor dem EuGH gegen die EU-Richtlinie durch den Bundestag durch die CxU/SPD-Fraktion abgelehnt?
Vor diesem Hintergrund ist meine Aussage und Frage durchaus berechtigt - aber leider noch nicht durch Sie beantwortet. Was konkret beabsichtigt die SPD um die Bürgerrechte zu festigen oder wenigstens zu bewahren?
Ihr Kollege von der CDU offeriert eine persönliche Sprechstunde, in der man ihn u.a. auch zu diesen Themen befragen kann. Gedenken Sie etwas ähnliches einzuführen?
viele Grüße, T.Thau
Sehr geehrter Herr Thau,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage. Im Einzelnen:
Ich kenne die Organisationsstruktur der Exekutive sehr wohl, Sie aber offenbar nicht die unterschiedlichen, gesetzliche geregelten Arten der Aufsicht. Das Weisungsrecht darf nur in den Grenzen des Art. 20 Abs. 3 GG ausgeübt werden, die Staatsanwaltschaften sind an das Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO gebunden. Soviel hierzu. Auf die Mutmaßungen, die sie sodann anstellen, will ich nicht eingehen, eben weil es Mutmaßungen sind.
Was die Abstimmung über Internetsperren mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun hat, müssen Sie mir erklären. Und was vergangene Abstimmungen über die Vorratsdatenspeicherung angeht: Seien Sie doch froh, dass wir uns für restriktivere Regeln einsetzen.
Ich "behaupte" nicht nur, dass die SPD eine "schlimmere Vorratsdatenspeicherung" verhindert hat, das ist auch so. Glauben Sie im Ernst, dass die CDU/CSU, regierte sie alleine, es u.a. bei einer Höchstspeicherfrist von 10 bzw. 6 Wochen belassen hätte? Sicher nicht. Wir haben in der Sache den "Schwarzen Peter", weil die SPD das Justizministerium stellt und den (sorry) Mist deswegen umsetzen muss, auf den man sich im Koalitionsvertrag geeinigt hat. Vorteil ist aber: Dann versuchen wir es eben auch (wie geschehen) zu unseren eigenen Bedingungen durchzusetzen. Das ist es wohl, was Sie als "Umfallen" bezeichnen. In Wirklichkeit handelt es sich aber darum, dasjenige in verträglicher Weise auszugestalten, was der Koalitionspartner unbedingt wollte - wir aber nicht.
Was die "Verhandelbarkeit" von Grundrechten angeht, so erläutere ich Ihnen gerne, wie das Grundgesetz die Einschränkung von Grundrechten regelt. JEDES Gesetz, das Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen hat, schränkt (natürlich) Grundrechte ein. Deshalb sieht das Grundgesetz ja ausdrücklich vor, dass Grundrechte unter dem Rechtsstaat auch durch einfache Gesetze eingeschränkt werden können. Die Frage ist nur, in welchem (verfassungsrechtlich erlaubtem) Maße das geschieht. Eine Einschränkung ist dann von vorherein nicht möglich, wenn dadurch der sogenannte "Wesensgehalt" eines Grundrechts betroffen ist. Das ist bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung aber völlig unstreitig nicht der Fall. Bei der (von CDU/CSU gewollten) Vorratsdatenspeicherung sollen Daten (die ja ohnehin schon bei den Telekommunikationsdienstleistern liegen) von den Kommunikationsdienstleistern zum Zwecke der Verbrechensbekämpfung für eine bestimmte Zeit (weiter) gespeichert werden. Nochmal: Nicht der Staat speichert die Daten, sondern die Dienstleister, die sie von den Kunden bekommen haben. Heiko Maas nun hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Höchstspeicherfristen und die Art und Weise des Abrufs der Daten höchst restriktiv festlegt. Gerne diskutiere ich mit Ihnen über Einzelheiten des Gesetzes, aber darauf sind Sie bislang nicht eingegangen. Deswegen kann ich Ihre Frage auch nicht beantworten, wie die "SPD die Bürgerrechte festigen oder wenigstens bewahren will", wenn Sie mir nicht erläutern, bei welchen konkreten Maßnahmen des Gesetzes Sie welche Anmerkungen haben.
Was Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung angeht: Wenn Sie den vorliegenden Gesetzentwurf studieren, werden Sie feststellen, dass die sehr weitgehenden Vorgaben Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 2. März 2010 zur Vorratsdatenspeicherung zum Teil fast wortgleich berücksichtigt werden.
Natürlich biete ich auch Sprechstunden an (aber ich glaube, das wissen Sie eigentlich bereits, sehr geehrter Herr Thau, ich bin ja für Sie kein Unbekannter): Setzen Sie sich dazu gerne mit meinem Wahlkreisbüro zwecks Terminabsprache in Verbindung.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB