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Detlef Müller
SPD
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Frage von Niebel M. •

Frage an Detlef Müller von Niebel M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Müller,

Ich schreibe Ihnen als Wähler des Wahlkreises Mittelsachsen.
Mit großer Sorge beobachte ich die momentane Entwicklung zur Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, welche im Schnelldurchlauf durchgepeitscht werden soll.

Unaufhaltsam scheinen wir auf die anlasslose Massenüberwachung zuzusteuern. Die Bürger Deutschlands werden unter Generalverdacht gestellt und es entsteht ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre. Unabhängig davon ist der Hauptkritikpunkt, dass mit der Vorratsdatenspeicherung jeder Bürger potenziell verdächtigt ist und überwacht wird und dass die Datenspeicherung so dazu beiträgt, die Unschuldsvermutung abzuschaffen.

Verhältnismäßigkeit ist eine grundlegende Säule der Rechtsstaatlichkeit und besitzt in Deutschland Verfassungsrang.
Mehr Sicherheit und Schutz vor Terrorismus müssen Ziele unserer Gesellschaft sein. Allerdings zeigen Vorfälle wie im Januar dieses Jahres in Frankreich, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht gegen Terrorismus wirkt, aber sehr wohl ein Meilenstein auf dem Weg in die Kontrollgesellschaft ist. Für die Verhinderung terroristischer Akte eignet sich die VDS nicht mehr als die bereits existierenden Möglichkeiten.

Ich möchte nicht, dass Informationen darüber, mit wem, wann und wie lange ich kommuniziere gespeichert werden. Gleiches gilt für Standortinformationen mit denen ganze Bewegungsprofile erstellt werden können und mit aller Sicherheit auch werden.

Ich fordere Sie auf, sich gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen! Wie werden Sie entscheiden?

Beste Grüße,

Markus Niebel

"Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren“. Benjamin Franklin

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Niebel,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich sehe die Vorratsdatenspeicherung auch äußerst kritisch und bin dabei mit der übergroßen Mehrheit meiner SPD-Fraktionskollegen einig. Denn es ist höchst zweifelhaft, ob durch Vorratsdatenspeicherung insbesondere geplante Terrorakte tatsächlich verhindert werden (können). Aus diesen Gründen ist das Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung auch ausdrücklich kein Anliegen der SPD.
Am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt.
Mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Maas wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt.
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen:
Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.
Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.
Die Leitlinien sind eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir sind uns sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.
Sehr geehrter Herr N. , in einer Regierungskoalition muss es immer Kompromisse geben, die bisweilen auch schwer zu schlucken sind. Das gilt für den Mindestlohn (an dem CDU/CSU äußerst schwer zu kauen haben) wie auch für die Pkw-Maut (die die SPD nicht wollte).
Wir freuen uns, wenn Sie den Gesetzgebungsgang verfolgen und mit uns im Gespräch bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB

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