Frage an Danny Eichelbaum von Volker L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Eichelbaum,
im Rahmen eines beim Landgericht Potsdam anhängigen Verfahrens habe ich leider Erfahrungen sammeln müssen bei denen ich nachhaltig den Eindruck gewonnen habe, dass die bestehenden Probleme weniger eine Frage der Ressourcen sondern vielmehr eine Frage unzureichenden Managements im LG Potsdam sind.
Die Konsequenz daraus ist, dass sich das Verfahren über Jahre hinzieht, weil Abläufe dem völligen Selbstlauf überlassen sind, nicht koordiniert werden und keiner Kontrolle unterliegen. Dazu kommen im Einzelnen immer wieder auch Arbeitsfehler die zeitaufwändig korrigiert werden müssen und neue Papierwellen auslösen. So gesehen halte ich es für nicht übertrieben die Zustände im LG Potsdam als desaströs zu bezeichnen, da Effizienz hier allem Anschein nach keine Kategorie im LG Potsdam darstellt.
Auch wenn die gegenwärtige Corona Pandemie von vielen Problemen ablenkt sollten sie im Auge behalten, dass sich Erlebnisse, wie oben beschrieben, auf die politische Meinungsbildung der Bürgen auswirken kann. Die Zahl offener Rechtsfälle in Brandenburg steigt ja geradezu dramatisch an und geht in die Zehntausende. So ist es nicht verwunderlich, wenn dann der Begriff Staats- bzw. Landesversagen ins Spiel kommt.
Nun die Frage:
Sind sie sich dieser Situation bewusst und wie wollen sie das Problem lösen?
Mit feundlichem Gruß
Liebold
Sehr geehrter Herr L.,
zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen für Ihre Anfrage bedanken. Es ist wichtig, dass Sie sich mit Ihren Anregungen und Gedanken an mich wenden. Berichte und Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes Brandenburg sind die Grundlage dafür, dass wir ihre Interessen im Parlament vertreten können. Auf diesem Wege bekommen wir nicht nur einen Eindruck aus erster Hand, sondern erhalten einen Überblick über die Bandbreite an verschiedenen Herausforderungen und Interessen, an deren Ausgleich wir immer wieder arbeiten müssen.
In Ihrem Schreiben vom 02.08.2020 beklagen Sie eine unzureichende Koordination und Kontrolle der Verwaltungsabläufe im Landgericht Potsdam. Dies führe zu übermäßig langen Verfahrenslaufzeiten. Zum Teil auftretende Arbeitsfehler würden dieses Problem verschlimmern. Die Zahl der nicht zum Abschluss geführten Rechtsfälle stiege zum gegenwärtigen Zeitpunkt besonders an. Dabei fragen Sie nach meinem Problembewusstsein und möglichen Lösungsansätzen.
Es ist richtig, dass die SARS-CoV-19-Pandemie in unerwarteter Weise eine Veränderung der politischen Prioritäten bewirkt hat. Die zur Eindämmung des Infektionsgeschehens vorgenommene Einschränkung des öffentlichen Lebens hat auch die Brandenburger Justiz nicht unberührt gelassen. Geplante Verhandlungstermine wurden verschoben, Anhörungen konnten nicht stattfinden. Allerdings wurde bei den Brandenburger Gerichten umgehend Abhilfe geschaffen. Zusätzliche Terminierungen, aber auch die Möglichkeit der Durchführung schriftlicher Verfahren für gerichtliche Entscheidungen sind nur einige Maßnahmen, mit denen die märkischen Gerichte die durch die Corona-Pandemie angestauten Verfahren zeitnah bearbeiten wollen. Alle Gerichte und Staatsanwaltschaften waren während der Pandemie für Verfahrensbeteiligte weiterhin ansprechbar. Dabei war es richtig, die Rechtspflege aufgrund der Pandemie nicht zum Erliegen kommen zu lassen, sondern in dieser herausfordernden Situation alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen. So werden seit Anfang Mai am Brandenburger Oberlandesgericht alle terminierten Verfahren wieder verhandelt.
Sie weisen darauf hin, dass die anhängigen Rechtsverfahren beim Landgericht Potsdam keiner Kontrolle und Koordination unterliegen. Dies ist bedingt richtig so. Zwar gehört es zu den Verwaltungsaufgaben des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg die organisatorischen, haushälterischen, personellen sowie infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Brandenburger Gerichte ihre verfassungsrechtliche Aufgabe der Rechtsprechung wahrnehmen können. Rechtsstaatliche Grundsätze, wie die Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, gebieten es jedoch die in Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz verankerte richterliche Unabhängigkeit zu achten.
Diese umfasst die freie richterliche Würdigung und fachliche Einschätzung von Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften sowie die Terminierung von Gerichtsverhandlungen. Sollte es bei dieser richterlichen Aufgabenwahrnehmung zu Entscheidungen kommen, welche die verfassungsrechtlich zuerkannte Unabhängigkeit aufgrund von Fehlern in der Rechtsanwendung oder –auslegung überschreitet, steht es jedem Kläger frei, Rechtsmittel zu ergreifen. Eine Kontrolle der richterlichen Tätigkeit durch die obersten Landesbehörden findet somit nicht statt. Weisungen in Sachfragen werden nicht erteilt.
Richtig ist jedoch auch: Die Verfahrenslaufzeiten waren bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie nicht zufriedenstellend. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag durchsetzen können, dass jährlich Haushaltsmittel für die Einstellung von 30 Richtern und Staatsanwälten sowie 40 Stellen für das Folgepersonal eingeplant werden. Damit wirken wir auch der Überalterung der Justiz entgegen. Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir bereits 66 Richter und Staatsanwälte eingestellt. Wir planen, noch in diesem Monat weitere zehn Richter und Staatsanwälte einzustellen. Dabei ist unser Ziel klar: Wir wollen den vollständigen Abbau der Altverfahren. Deshalb besteht nun auch die Möglichkeit bei den Gerichten, befristete Kammern zur Abarbeitung von Altverfahren einzurichten.
Dabei dürfen wir nicht außer Betracht lassen, dass die Digitalisierung der Justiz ein weiterer, wichtiger Meilenstein bei der Erreichung dieses Ziels sein wird. Wir arbeiten deshalb unter Hochdruck an der Einführung einer E-Akte sowie einer Verfahrensbearbeitung im elektronischen Rechtsverkehr. Die Erfolge dieses Ansatzes werden in vermutlich bereits einem Jahr sichtbar sein.
Wir versichern Ihnen: Schnellere Verfahrenslaufzeiten und der Abbau der Altverfahren werden kommen. Dafür werden wir die finanziellen und personellen Voraussetzungen schaffen. Nun brauchen wir etwas Zeit und Ihr Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Danny Eichelbaum