Frage an Claudia Tausend von Beate L. bezüglich Naturschutz
Sehr geehrte Frau Tausend,
ich verfolge mit großer Sorge das weitere Schicksal des Gesetzesentwurfes zum Kohleausstiegsgesetz. Diese Sorge begründet sich darauf, dass im Entwurf die ursprüngliche Intention der Kohlekommission zum Kohleausstieg, nämlich diesen zu beschleunigen und die Fördermengen zu reduzieren, ins Gegenteil verkehrt wird. Statt der ursprünglich geplanten Festlegung für eine Obergrenze der Kohlenutzung soll durch ihn eine Grundlage für deren inakzeptable künstliche Aufrechterhaltung geschaffen werden. Konkret enthält § 42 des Entwurfs u.a. folgende Punkte: 1. Kohleabnahmegarantien jenseits der von der Kohlekommission bewilligten Menge 2. Einräumung einer Subventionierungsmöglichkeit der Kohleindustrie durch deren Bezeichnung als „energiewirtschaftlich notwendig“ 3. Den Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen mit den Energieunternehmen und einer damit einhergehenden Unkündbarkeit und Intransparenz.
Wie positionieren Sie sich dazu?
Sehr geehrte Frau L.,
wir wollen den Kohleausstieg ökologisch, sozial und rechtssicher gestalten. Dazu haben wir das Kohleausstiegsgesetz auf Basis der Vorschläge der Kohlekommission beschlossen.
Zusätzlich haben wir das Strukturförderungsgesetz verabschiedet, um die Beschäftigten und die betroffenen Regionen bei diesem schwierigen Transformationsprozess bestmöglich zu unterstützen. Im Ergebnis wird Deutschland als erstes hochindustrialisiertes Land in dieser Form gesetzlich fixiert aus Atom und Kohle aussteigen.
Es gibt nun einen klaren Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Spätestens 2038 wird das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet. Auf dem Weg dorthin wird die Verbrennung von Braun- und Steinkohle in festgelegten Stufen schrittweise verringert. Es gibt festgelegte Zeitpunkte, an denen überprüft wird, ob der Ausstieg beschleunigt werden kann. Uns war wichtig, dass ein früherer Ausstieg vor 2038 möglich ist.
Bereits bis Ende 2022 werden acht der ältesten Kraftwerksblöcke zur Verstromung von Braunkohle abgeschaltet, der erste noch in diesem Jahr!
Bis 2030 werden die Braunkohlekapazitäten mehr als halbiert. Auch bei der Steinkohle werden noch 2020 die ersten vier Gigawatt vom Netz gehen. Bis 2030 wird die Leistung von heute mehr als 20 auf dann acht Gigawatt reduziert. In den Jahren 2026, 2029 und 2032 wird überprüft, ob das Enddatum für alle Kraftwerke (Braun- und Steinkohle) nach 2030 um jeweils drei Jahre vorgezogen und der Kohleausstieg bereits 2035 abgeschlossen werden kann. Gesetzlich geregelt wird außerdem, dass der eingesparte CO2-Ausstoß nicht an anderer Stelle in Europa emittiert wird, sondern die CO2-Zertifikate vom Markt genommen werden. Nur so wirkt der Kohleausstieg voll und ganz für den Klimaschutz. Wenn die SPD dem Kompromissvorschlag nicht zugestimmt hätte, würden alle diese Kraftwerke weiterlaufen.
Außerdem war uns eine sozialverträgliche Lösung wichtig: Was nicht geht, ist von einen Tag auf den anderen alle Kohlekraftwerke abzuschalten. Der Staat muss den Wandel unterstützen und darf die Betroffenen nicht alleine lassen. Sie brauchen Sicherheit und Perspektiven in ihrem Lebensumfeld. Besonders betroffene ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 58 Jahre erhalten ein Anpassungsgeld. Sie können dieses für bis zu fünf Jahre beziehen und anschließend in Rente gehen – die Abschläge trägt der Bund. Jüngere Beschäftigte profitieren von dem seit Anfang 2019 geltenden Qualifizierungschancengesetz, das die Weiterbildungsförderung für vom Strukturwandel betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert und neue Qualifikationen ermöglicht.
Wir unterstützen den Strukturwandel in den betroffenen Regionen mit über 40 Milliarden Euro. Die Regionen erhalten die nötigen Mittel, um den Strukturwandel aktiv und nachhaltig zu gestalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ziel ist es, neue wirtschaftliche Perspektiven für die Menschen zu entwickeln und neue Strukturen aufzubauen, bevor die alten endgültig wegfallen. Die Bundesmittel fließen unter anderem in den Ausbau von Bahnlinien und Straßen, in neue Forschungseinrichtungen und die Ansiedlung von Bundesbehörden.
Die Beschlüsse zum Kohleausstieg und zur Strukturstärkung folgen den Vorschlägen der sogenannten Kohlekommission, die Anfang 2019 im Konsens zwischen Politik, Umweltverbänden, Gewerkschaften, Industrie und gesellschaftlichen Gruppen aus den Kohleregionen ihre Empfehlungen vorgelegt hatte. Mit der Einsetzung der Kohlekommission hatte sich die Große Koalition dafür entschieden, den Kohleausstieg unter Einbeziehung aller betroffenen Interessen zu regeln und eben nicht dem Markt überlassen, was mit den Beschäftigten in den Revieren und mit den Regionen passiert. Nur auf der Grundlage des in der Kohlekommission erarbeiteten Kompromisses kann nun ein stetiger, planbarer und für alle verlässlicher Ausstiegspfad gewährleistet werden. Das bedeutet dann aber auch, dass die Unternehmen für ihre genehmigungsrechtlich gesicherten Interessen entschädigt werden. Der Bund zahlt den Betreibern von Braunkohlekraftwerken für Stilllegungen bis 2029 insgesamt bis zu 4,35 Milliarden Euro an Entschädigung. Im Gegenzug verpflichten sich die Betreiber vertraglich, auf betriebsbedingte Kündigungen und auf Klagen gegen den Bund zu verzichten. Das schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Den entsprechenden Verträgen muss das Parlament noch zustimmen. Dies steht erst im September an. Die Abgeordneten werden die Verträge prüfen und eine Anhörung dazu durchführen.
Mit den Betreibern von Steinkohlekraftwerken wurden hingegen keine Entschädigungen vereinbart. Stattdessen erhalten die Kraftwerksbetreiber Stilllegungsprämien, deren Höhe auf Basis von Ausschreibungen am Markt ermittelt wird. Dabei gilt ein Höchstbetrag, der bis 2027 schrittweise sinkt. Für Stilllegungen ab 2028 gibt es keine finanzielle Entschädigung mehr.
Ich kann nachvollziehen, dass nicht allen das jetzt verabschiedete Gesetz weit genug geht. Man darf aber nicht vergessen, dass es im Bundestag auch viele erbitterte Gegner eines Kohleausstiegs gibt und die SPD den Kohleausstieg nur gegen erhebliche Widerstände bei der CDU im Koalitionsvertrag verankern konnte. Übrigens: Die Grünen waren mit genau diesem Ziel zuvor bei den Jamaica-Verhandlungen noch gescheitert. Ein Nein zu dem jetzt vorliegenden Kompromiss hätte zur Folge gehabt, dass es vorerst gar keinen Kohleausstieg gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Tausend