Frage an Claudia Tausend von Peter M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Liebe Frau Tausend
der anstehende Gesetzentwurf zur "Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen" - §611a BGB gefährdet akut die wirtschaftliche Existenz mehrerer hunderttausend freiberuflicher IT-/Managementberater, Ingenieure, Ärzte und anderer qualifizierter Freiberufler.
Bereits seit einigen Jahren berichten Freelancer, dass die Auftragslage aufgrund der geänderten Prüfungspraxis der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und der dadurch verursachten Rechtsunsicherheit, schlechter wird. Nur wenige Unternehmen vergeben noch Direktverträge an Freelancer. Selbst Freelancer Verträge über Vermittler werden weit seltener beauftragt.
Offiziell hat Ihre Partei das Ziel, die 10% Scheinselbstständigen zu schützen, die ausgebeutet werden und sich von ihrem Lohn keine Rücklagen oder keine angemessene Altersversorgung leisten können. Doch es scheint so, dass Ihre Partei wesentlich mehr daran interessiert ist, die weit größere gut verdienende und wenig schutzbedürftige Gruppe der selbständigen Berater in die gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen und die Rentenkasse aufzufüllen.
Meine Fragen:
- Ist es Ihnen egal, dass hunderttausende Selbständige um Ihre Existenz bangen müssen?
- Ist es Ihnen egal, dass die meisten Freelancer durch den Gesetzentwurf bereits jetzt eine schlechtere Auftragslage haben?
- Ist es Ihre Absicht, mit dem Gesetzesentwurf keine Rechtssicherheit zu schaffen, Auftraggeber ohne Not zu kriminalisieren, die Vertragsfreiheit einzuschränken und Selbständige in die Gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen?
- Ist es Ihnen egal, dass viele ältere Selbständige arbeitslos werden?
- Ist es Ihnen egal, dass viele qualifizierte Freelancer ihre Leistungen dann in anderen Ländern anbieten werden, die bessere Rahmenbedingungen bieten?
- Ist es Ihnen egal, dass durch diese schlechte rechtliche Basis Projekte ins Ausland verlagert werden, verschoben werden und die deutschen Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden?
MfG
Peter Monien
Sehr geehrter Herr Monien,
Arbeitnehmerüberlassungen und Werkverträge sind wichtige Instrumente in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Seit einigen Jahren benutzen Arbeitgeber verstärkt Leiharbeit und Werkverträge dazu, Belegschaften zu spalten und Lohndumping zu betreiben. Dadurch sind Beschäftigte zweiter und dritter Klasse entstanden. Sie verfügen über weniger Lohn, haben schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Rechte. Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, Leiharbeit und Werkverträge zu regulieren, um den Missbrauch zu beenden und das Umgehen von Arbeitsstandards verhindern. Hierfür sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden.
Der Referentenentwurf sieht zur Missbrauchsbekämpfung die Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Dienstvertrag vor. Eine gesetzliche Fixierung der Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz, ist im BGB erforderlich, um das Arbeitsverhältnis zu definieren und damit den Arbeitsvertrag vom Werkvertrag abgrenzen zu können. Die sinnvolle Arbeitsteilung dieser beiden Instrumente wird dadurch nicht eingeschränkt, da die Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt. Betrug wird aber in Zukunft deutlich erschwert.
Für ehrliche Arbeitgeber wird mit den Regelungen des aktuellen Referentenentwurfes mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit geschaffen. Im Referentenentwurf wird gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien werden zur Verbesserung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit festgeschrieben. Für die Feststellung eines Arbeitsvertrages kommt es auf die getroffenen Vereinbarungen, also auf den Vertrag, und auf dessen praktische Durchführung an. Widersprechen sich der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung, ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses zur Einordnung als Arbeitsvertrag maßgebend. Mit den Regelungen des Referentenentwurfes bekommen die Betroffenen und Prüfbehörden einen klaren Orientierungsrahmen. Sie dienen damit der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei der Anwendung des geltenden Rechts.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt diskutieren wir über einen Referentenentwurf, der noch nicht vom Kabinett beschlossen und damit dem Deutschen Bundestag noch nicht übermittelt wurde. Die Union stellt sich gegen die klaren Vereinbarungen des Koalitionsvertrages und blockiert die eigentlich verabredete Ressortabstimmung zu dem Gesetz. Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf war bereits ein Kompromiss im Sinne der ganzen Sache. Erst nach Einbringung ins Parlament wird im Rahmen einer öffentlichen Anhörung dieser Referentenentwurf mit Expertinnen und Experten diskutiert und dann abschließend im deutschen Bundestag beraten und verabschiedet.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Tausend