Frage an Christoph Matschie von Mario C.
Sehr geehrter Herr Matschie,
meine Frage betrifft die Finanzierung der Hochschulen in Thüringen. Anfang diesen Jahres konnte man nach den Bildungsprotesten in Jena und Erfurt im Radio vernehmen, dass sie sich auf dem Bedarfsniveau von 2015 (nachdem bspw. an der FSU Stellenkürzungen im Ausmaß von 10% des vorherigen Anstellungsniveaus vorgenommen wurden) für einen 4%igen Finanzzuschuss pro Jahr für die Hochschulen in Thüringen einsetzen werden, im Gegensatz zu den 1%, die von Herrn Voß zugesagt wurden. Sie stellten in Aussicht diese zusätzlichen Finanzmittel aus dem Hochschulpakt 2020 (HSP20) zu entnehmen. Die HSP20-Mittel sind Bundesmittel, die zum Wohle der Hochschulen der Länder verwendet werden müssen.
Das warf in mir die Frage auf, wie Sie in der Lage sind, Mittel aus dem HSP20 zur Zuschussfinanzierung in Aussicht zu stellen, wobei diese Mittel doch von vornherein für die Hochschulen eingeplant sein müssten?
Eine Schlussfolgerung führt dann auf die Frage, für was mit diesen Mitteln (über 10 Mio.€) passiere, wenn die Wünsche von Herrn Voß (nur 1%ige Zuschusssteigerung) umgesetzt werden würden? Für was waren die Mittel gedacht bevor Sie sich für die 4% einsetzten?
Mir ist bewusst, dass Sie sich bei der Beantwortung dieser Frage ggfs. auf eine unfertige Verhandlungsbasis mit dem CDU geführten Finanzministerium (ggfs. noch vor den Protesten) berufen müssen. Aus Gründen der Transparenz würde ich Sie gerne genau dazu bitten, wenn es der Beantwortung der Fragen dient.
Mit freundlichen Grüßen,
M. Chemnitz
Sehr geehrter Herr Chemnitz,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte.
Der Freistaat Thüringen hat seinen Hochschulen ab dem Jahr 2016 den vollständigen Ausgleich der wissenschaftsspezifischen Kostensteigerungen sowie ein zusätzliches Strategiebudget in Höhe von einem Prozentpunkt des jährlichen Zuschusses zugesagt. Meinem Vorschlag folgend hat Thüringen als erstes Bundesland mit einem Beschluss der Landesregierung die gleichlautenden Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu den Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems umgesetzt.
Zunächst möchte ich einen Blick auf die aktuelle Finanzsituation der FSU Jena werfen. Im Jahr 2009 erhielt die Friedrich-Schiller- Universität 128,6 Mio. Euro als Finanzzuweisung. Diese Finanzzuweisung erhöhte sich im Jahr 2012 auf 149,6 Mio. Euro und steigt weiter bis zum Jahr 2015 auf 156,4 Mio. Euro. Von Kürzungen kann insoweit keine Rede sein. Die an der FSU Jena im Rahmen der Struktur- und Entwicklungspläne vorgesehenen Einsparungen sind deshalb ein von der Hochschulleitung benannte Planungsgröße, um die Stärkung von Entwicklungsbereichen zu ermöglichen. Die Friedrich-Schiller- Universität will hierzu ihr Profil in den Bereichen „Light, Life, Liberty“ (Photonik, Lebenswissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften) deutlich schärfen. Diese Profilierung der Universität ist für die Hochschule mit schweren Entscheidungen verbunden. Denn der Ausbau neuer strategischer Entwicklungsbereiche muss durch Strukturanpassungen in anderen Bereichen geleistet werden. Dieser Prozess der weiteren Profilierung wird von mir und den Hochschulleitungen gemeinsam getragen, denn nur so können wir den Thüringer Hochschulen bestens im zunehmenden internationalen Wettbewerb in der Wissenschaft positionieren.
Mit dem Hochschulpakt 2020 haben Bund und Länder seit dem Jahr 2007 auf die gestiegenen Studierendenzahlen, insbesondere durch die doppelten Abiturjahrgänge in den alten Ländern reagiert. Bund und Länder haben seitdem rund 19 Milliarden Euro für die Finanzierung zusätzlicher Studienplätze zugesagt. Thüringen gehört im Hochschulpakt, wie die anderen neuen Länder, zu den sogenannten Halteländern. Infolge des drastischen Geburtenrückgangs nach der Wende sank die Nachfrage nach Studienplätzen durch Schulabgänger aus dem eigenen Land erheblich. Dessen ungeachtet hat sich Thüringen im Hochschulpakt 2020 verpflichtet seine Studienplatzkapazitäten trotz dieses Rückgangs der Nachfrage zu halten und nicht abzubauen. Diese Studienplätze sollten gezielt Schulabsolventen aus anderen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden, die aufgrund doppelter Abiturjahrgänge im eigenen Land nicht den gewünschten Studienplatz finden. Vor diesem Hintergrund erhalten die neuen Länder Bundesmittel zur Aufrechterhaltung ihrer Studienplatzkapazitäten. Einzelne neue Länder haben den zulässigen Weg eingeschlagen und kürzen im Gegenzug für die zusätzlichen Bundesmittel nunmehr Landesmittel. Doch nicht in Thüringen. Ich habe mich erfolgreich in der Landesregierung gegenüber dem CDU- geführten Finanzministerium durchgesetzt, dass Thüringen nicht in diese Sackgasse rennt und bei unverzichtbaren Zukunftsinvestitionen, wie der Hochschulbildung spart. Stattdessen steigen die Zuweisungen an die Thüringer Hochschulen in der laufenden Finanzierungsvereinbarung um 120 Mio. Euro. Weitere 120 Mio. Euro werden den Thüringer Hochschulen aus dem Hochschulpakt 2020 zusätzlich zur Verfügung gestellt. In den vergangenen Jahrzehnten war die Entwicklung der Thüringer Hochschullandschaft durch einen beeindruckenden Auf- und Ausbau gekennzeichnet. Nunmehr verstetigen sich die Studienanfängerzahlen auf dem jetzigen Niveau von rund 10.000 pro Jahr. Die Hochschulen treten damit von der Ausbau- in eine Konsolidierungs- und Profilierungsphase ein. Die Laufzeit der Rahmenvereinbarung III bis 2015 mit ihrem verlässlich definierten Finanzvolumen soll dafür genutzt werden, die Hochschullandschaft diesem Rahmen anzupassen. Dafür hat jede Hochschule ihren Struktur- und Entwicklungsplan erarbeitet. Die Struktur- und Entwicklungspläne sind Grundlage der Strukturanpassung und diese ist Voraussetzung für die nachhaltige Finanzierung der Hochschulstruktur ab dem Jahr 2016. Mit der im Dialog erarbeiteten Hochschulstrategie Thüringen 2020 geben wir den Thüringer Hochschulen gute und verlässliche Perspektiven. Die wichtigsten Eckpunkte sind:
Die Thüringer Hochschulen erhalten eine Zukunftsgarantie. Jede Hochschule bleibt erhalten. Sie verstärkt eigene Schwerpunkte und schärft so ihr individuelles Profil. Diese Profile ergänzen sich gegenseitig. Die Thüringer Hochschullandschaft wird damit zu einem leistungsfähigen, differenzierten und vollständigen Gesamtsystem.
Die Thüringer Hochschulstandorte vernetzen sich. Nach einer Phase des Aufbaus seit 1990 richtet sich die weitere Entwicklung an neuen Leitgedanken aus: strukturelle Stabilisierung, inhaltliche Profilierung und Komplementierung sowie hochschul- und hochschulartenübergreifenden Kooperationen.
Durch attraktive Bedingungen in Lehre und Forschung werden die Hochschulen als Wachstumskerne des Landes gestärkt. Gute Studienangebote, planbare Karrieremöglichkeiten und ein starkes Forschungspotenzial helfen, Studierende, Wissenschaftler sowie Fachkräfte aus dem In- und Ausland anzuziehen und an Thüringen zu binden.
Die Innovationsfähigkeit des Thüringer Wissenschaftssystems wird durch den Ausbau der Forschungsinfrastruktur erhöht. Darüber hinaus wird die bereits bestehende Verzahnung von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie der Wirtschaft noch enger gestaltet.
Die Hochschulentwicklungsstrategie 2020 sagt das Land den Hochschulen jetzt eine verbindliche Finanzierung zu. Der Freistaat wird ab dem Jahr 2016 jährlich alle wissenschaftsspezifischen Kosten- und Tarifsteigerungen übernehmen. Zusätzlich werden die Kostensteigerungen durch ein Strategiebudget in Höhe von einem Prozentpunkt aufgestockt. Dies entspricht nach derzeitigen Planungen einem Aufwuchs der Finanzzuschüsse an die Hochschulen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr. Somit steigert der Freistaat Thüringen mit der Hochschulstrategie die Hochschulfinanzierung um rund 287 Millionen Euro auf zukünftig 2.158,8 Millionen Euro. Die Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 wurden in meiner Amtszeit stets vollständig den Hochschulen zur Verfügung gestellt. Eine Planung, dass die HSP 2020-Mittel nicht den Hochschulen zur Verfügung gestellt werden hat es im Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur nicht gegeben und wird es auch nicht geben. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Christoph Matschie