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Christoph Matschie
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Frage von Simone F. •

Frage an Christoph Matschie von Simone F. bezüglich Familie

Guten Tag Herr Matschie,

1. Sind Straßenausbaubeiträge ohne gültige Satzung rechtmäßig?
2. Wie sehen Sie die Finanzierung von Straßenausbaubeiträgen in 5 Jahren in Thüringen?
3 Bereits zur letzten Landtagswahl 2004 hat die damalige CDU-Landesregierung nach öffentlichen Protesten die Wasserbeiträge abgeschafft. Ist dies auch auch bei Straßenausbaubeiträgen im Jahr 2009 denkbar bzw. ist diese wegen der "komplizierten Materie" (Zitat Innenminister M.Scherer) undenkbar.
4. Welche notwendigen Maßnahmen zur finanziellen Sicherstellung sozial Schwacher -inkl. Berufstätiger mit Aufstockungen nach der SGB II-Gesetzgebung- sind nach Ihrer Meinung notwendig?

Viele Grüße
S.Fichtmüller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Fichtmüller,

vielen Dank für die Gelegenheit Ihnen unsere Positionen zu ausgewählten kommunalpolitischen Themen darlegen zu können. Grundsätzlich orientieren wir uns dabei an den von den Mitgliedern der SPD jüngst beschlossenen Papieren, wie etwa den Kommunalpolitischen Leitlinien und dem Regierungsprogramm.

Zu 1.) Sind Straßenausbaubeiträge ohne gültige Satzung rechtmäßig?
Beiträge, die ohne eine dementsprechende Satzung erhoben werden, sind grundsätzlich rechtswidrig. Allerdings können unter bestimmten Voraussetzungen auch rückwirkend Straßenausbaubeiträge erhoben werden, sobald die Gemeinde eine Satzung erlässt. D. h. das Fehlen einer gültigen Satzung kann im Nachhinein geheilt werden. Hier hat der Bürger keinen Vertrauensschutz, da die Gemeinde zur Erhebung der Beiträge nach § 7 Abs. 1 ThürKAG verpflichtet ist und er davon ausgehen konnte, dass er mit Beiträgen an der Finanzierung der Straßenbaumaßnahme beteiligt wird.

Zu 2.) Wie sehen Sie die Finanzierung von Straßenausbaubeiträgen in 5 Jahren in Thüringen?
Entscheidend dafür ist zunächst sicherlich der Wahlausgang: Eine SPD- geführte Landesregierung wird künftig die geringen Einkommen der Menschen in Thüringen besser berücksichtigen und mehr Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beitragschuldner nehmen, die aufgrund der niedrigen Löhne in Thüringen so gering ist wie nirgends sonst in Deutschland . Wir haben deshalb, als der Landtag im vergangenen Monat das Kommunalabgabengesetz wegen der vom Thüringer Verfassungsgericht für nichtig erklärten Reform des Abwasserbeitragsrechts die Beitragsproblematik erneut beraten hat, auch Vorschläge für die Problematik der Straßenausbaubeiträge gemacht. U. a. haben wir, dass die Kommunen vor Ort selbst entscheiden können, in welcher Höhe sie die Einwohner beteiligen. Als untere Grenze wollen wir einen Satz von 6-10% in Abhängigkeit vom Straßentyp und damit wesentlich weniger als derzeit möglich festlegen. Genaueres dazu finden Sie auch in meinen Ausführungen zur Frage 3.

Zu 3.) Bereits zur letzten Landtagswahl 2004 hat die damalige CDU- Landesregierung nach öffentlichen Protesten die Wasserbeiträge abgeschafft. Ist dies auch auch bei Straßenausbaubeiträgen im Jahr 2009 denkbar bzw. ist diese wegen der "komplizierten Materie" (Zitat Innenminister M.Scherer) undenkbar?
Grundsätzlich kann ich für diese Landesregierung gar nichts ausschließen. Allerdings halte ich ein weiteres Hinauszögern bis nach der Wahl für wahrscheinlich. Denn die Landesregierung hat es in all den Jahren nicht geschafft, die Probleme in Bezug auf Straßenausbaubeiträge zu lösen. Ein Teil dieser Probleme sind hausgemacht und auch durch das teilweise inkonsequente Handeln der Rechtsaufsichtsbehörden – also der Kommunalaufsichten, des Landesverwaltungsamtes – sowie der bisherigen Thüringer Innenminister entstanden. Aus der Inkonsequenz dieser Zeit stammen ein Teil der Probleme von heute, die nunmehr für die Vergangenheit kaum mehr gerecht zu regeln sind. Deshalb hat sich die SPD-Fraktion in diesem Punkt bereits vor nunmehr fast zwei Jahren für eine Stichtagsregelung ausgesprochen. Momentan warten wir mit Spannung darauf, was die Landesregierung hier vorlegt, denn der ursprüngliche Referentenentwurf vom Januar 2008 scheint erstens überholt (der Innenminister hat ein neues Gutachten in Auftrag gegeben und der Ministerpräsident bis dahin angekündigt, alles wie gehabt zu handhaben) und sah zweitens, entgegen der Ankündigungen des Ministerpräsidenten, keine modifizierte Stichtagsregelung vor, sondern beschränkt sich auf erweiterte Möglichkeiten zur Stundung und zur Ratenzahlung.

Auch unseren jüngsten Vorstoß, im Zuge der Änderung des KAG im letzten Monat wegen des Urteils des Verfassungsgerichts zur Nichtigkeit der Privilegierungsregelungen im Abwasserbereich, die Probleme im Bereich der Straßenausbaubeiträge mit zu lösen ist von der CDU nicht aufgegriffen worden. Unsere Vorschläge hätten die durch die niedrigen Löhne in Thüringen bedingte geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen stärker in den Blick genommen: wir wollten das rückwirkende Erheben von Beiträgen ausschließen, die Beteiligung der Bürger an Straßenausbau-Maßnahmen drastisch senken (je nach Haushaltslage der Kommunen bis auf 6-10% in Abhängigkeit vom Straßentyp) und die Stundungsmöglichkeiten von 5 auf 20 Jahre ausdehnen. Damit hätten wir eine Schutzgrenze geschaffen, die die geringen Einkommensverhältnisse der Menschen in Thüringen angemessen berücksichtigt.

Da die Landesregierung auch diese Anregungen nicht aufgegriffen hat und nichts eigenes präsentierte, schlussfolgere ich daraus, dass sie sich ohne weitere Befassung mit dem Thema bis Wahl retten will.

Zu 4.) Welche notwendigen Maßnahmen zur finanziellen Sicherstellung sozial Schwacher - inkl. Berufstätiger mit Aufstockungen nach der SGB II-Gesetzgebung- sind nach Ihrer Meinung notwendig?
Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Ziele, die man sich diesbezüglich stecken muss: allen Menschen muss Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (auch finanziell) möglich sein und wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen die besten Voraussetzungen mit auf den Weg gegeben bekommen, damit sie gar nicht erst in eine solche Situation geraten – Stichwort Bildung. Prävention, dass es gar nicht dazu kommt ist meines Erachtens der beste Weg und wenn doch jemand in eine solche Notlage gerät, dann muss unser soziales Netz ihn auffangen. Man muss also denen helfen, die sich momentan in dieser schwierigen Lage befinden. Mit aktiver Arbeitsmarktpolitik helfen wir betroffenen Erwerbslosen, insbesondere den Langzeitarbeitslosen, wieder in Arbeit zu kommen. Unser Thüringer Arbeitsmarktprogramm setzt auf eine Qualifizierungsoffensive für Kurzarbeiter. Wenn in Thüringen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, sich während dieser Zeit weiterzubilden. Arbeitsmarktpolitik muss den betroffenen Erwerbslosen, insbesondere den Langzeitarbeitslosen helfen, wieder in Arbeit zu kommen. Deshalb werden wir ein arbeitsmarktpolitisches Programm für Thüringen vorlegen, welches Integration durch Qualifizierung und die schrittweise Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt zum Inhalt hat. Wo absehbar eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht erreicht werden kann, werden wir mit einer Landesförderung eine Beschäftigung im öffentlichen Bereich ermöglichen. Das entsprechende Programm "Kommunal-Kombi" wird von der derzeitigen Thüringer Landesregierung verhindert.

Auf der anderen Seite gilt es langfristige Konzepte umzusetzen, die Arbeitslosigkeit erst gar nicht entstehen lassen. Denn Arbeitslosigkeit bekämpft man nicht per Knopfdruck. So werden wir in der Wirtschaftsförderung dort Schwerpunkte setzen, wo das Potential für langfristige neue Arbeitsplätze am größten ist. Thüringen verfügt über kaum über nennenswerte Rohstoffe - bis auf einen, der sich dazu noch gut entwickeln lässt: Das Thüringer Potential liegt in den Köpfen der Menschen. Gut ausgebildete Thüringer können unser bester Standortvorteil sein. Denn dort, wo gut ausgebildete Arbeitnehmer sind, wird eine Firma auch investieren. Deshalb setzen wir im Wahlkampf auch auf das Schwerpunktthema Bildung und darauf, dass eine neue Landesregierung sich von der "Billiglohn-Strategie" der CDU verabschiedet. Wir haben deutschlandweit die niedrigsten Stundenlöhne in Thüringen und die längsten Arbeitszeiten. Das ist unserer Meinung nach ein Hauptrund für die anhaltende Abwanderung vor allem gut qualifizierter junger Menschen. Arbeitnehmer in Thüringen gehen im Durchschnitt mit 560 € weniger nach Hause als im Bundesdurchschnitt – das bedeutet auch, dass auch viele Vollzeit arbeitende Menschen auf ergänzende Leistungen angewiesen sind. Das wollen und müssen wir ändern. Wir setzen u.a. den Mindestlohn dagegen, wollen eine höhere Tarifbindung der Unternehmen durchsetzen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik.

Vermehrte Tarifbindung und damit ein höheres Lohnniveau, allgemein verbindliche Mindestlöhne, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik sind ebenso entscheidend für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Thüringen wie auch für die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Matschie