Frage an Christoph de Vries von Ralph S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr de Vries,
ich teile Ihren Schrecken, bezüglich Steigerungsraten in Sorge- und Umgangssachen, an (auch) Hamburger Familiengerichten (bild.de, vom 15.07.2013). Dieser Trend ist jedoch kein nur Hamburg betreffendes Phänomen, sondern bundesweit zu beobachten.
Hinter den meisten, das Kindschaftsrecht betreffenden Sachen, stehen ungelöste Paarkonflikte, die nicht zuletzt aus dem Grunde zunehmen, weil sich die Elternteile immer seltener auf Augenhöhe begegnen und ihre familiären Angelegenheiten selber lösen können/dürfen/sollen.
Die zeitnahe Lösung der Fälle scheitert keineswegs an der Summe der RichterInnen, sondern vielmehr daran, dass es die Gesetzgebung des Bundes, seit spätestens 1977 und bis heute nicht geschafft hat, die Problemlösungen dorthin zurückzuführen, wo sie entstehen und im Sinne der Kinder gelöst werden können: In die Familien, wobei ich den Familienbegriff biologisch verstanden wissen möchte.
Nach Lektüre Ihres Kommentars zur Hamburger Scheidungsstatistik, stellt sich mir die Frage, wie Sie, als Soziologe und Familienpolitiker, auf die Idee kommen, dass mehr Richterstellen die Lösung des wachsenden Problems sein könnten? Handelt es sich bei Ihrer Forderung nicht vielmehr um eine Bankrotterklärung, wenn Sie (noch) mehr staatliche Einmischung in familiäre Angelegenheiten fordern? Bitte führen Sie aus, was Sie mit Ihrer Forderung verbinden (noch mehr Kampf um Kinder, oder weniger, oder lediglich schnellere Abfertigung von Gewinnern/Verlierern, oder…?).
Wie Kinder unter elterlichen Trennungen leiden, ob deren Leid mit der Verfahrensdauer korreliert und ob das überhaupt so sein muss, zu dieser Diskussion mögen wir gelegentlich und ggf. mit weiteren Betroffenen und Experten diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Steinfeldt (Väteraufbruch für Kinder e.V. (LK Harburg), Initiative Hamburger Väter für ihre Kinder)
Lieber Herr Steinfeldt,
ich teile absolut Ihre Auffassung, dass Differenzen um Sorge- und Umgangsrecht zuallererst durch die Eltern und in den Familien selbst beigelegt werden sollten. Die Streitigkeiten dürfen nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Das Wohl des Kindes und nicht persönliche Befindleichkeiten müssen bei den zu treffenden Verabredungen im Vordergrund stehen.
Die Zahlen bei Umgangsverfahren und Sorgerechtsprozessen sprechen aber leider eine andere Sprache. Sie nehmen kontinuierlich zu, weil die betroffenen Eltern offensichtlich entweder nicht willens oder aber nicht in der Lage sind, am Wohl des Kinder orientierte Verabredungen zu treffen. Und weil die Zahl der Richterstellen nicht entsprechend mitgewachsen ist, dauern die Verfahren immer länger mit der Folge, dass die Kinder, die ohnehin schwer an der Trennung ihrer Eltern zu tragen haben, noch länger im Ungewissen sind. Diese für die Kinder belastende Situation zu verkürzen, ist mein Ziel. Diese Forderung ist also, wie Sie sehen, eine politische Reaktion auf zunehmendes Versagen mancher Eltern in der Trennungssituation und kein aktives Eingreifen in familiäre Angelegenheiten.
Ich bin grundsätzlich überhaupt kein Anhänger davon, dass der Staat in die Privatsphäre von Familien eindringt.
Besten Gruß
Christoph de Vries