1. Wenn Sie aus medizinischen Gründen keinen Wehrdienst leisten durften (mussten),warum haben Sie als Befürworter einer Dienstpflicht kein FSJ geleistet? 2. Werden Sie nachträglich dienen?
Guten Tag Herr de Vries,
vielen Dank für Ihre Antwort bezüglich der von der CDU befürworteten allgemeinen Dienstpflicht.
Sie behaupten, dass eine Dienstpflicht den gesellschaftlichen Zusammenhalts stärken würde. Ist es nicht unfair, wenn junge Menschen dazu gezwungen werden gering bezahlt für das Gemeinwohl zu arbeiten, während Steuerbetrug (z.B. Cum-Cum) und massive Unternehmensgewinne das Allgemeinwohl verletzten?
Ich bedaure, dass Sie von einem angeborenen Herzfehler betroffen sind und wünsche Ihnen einen guten Umgang damit. Sie scheinen aber als MdB arbeiten zu können, warum haben Sie kein FSJ geleistet?
Auch passen Sie auf meine Frage, ob Sie bereit wären nachträglich 1 Jahr sich im Sinne der von Ihnen befürworteten allgemeinen Dienstpflicht zu engagieren?
Mit freundlichen Grüßen, Thomas S.
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachfrage zu einer allgemeinen Dienstpflicht.
Eine solche allgemeine Dienstpflicht gab es in den 90er Jahren nicht, sondern es gab eine Wehrpflicht, für die man aus Gewissensgründen einen Ersatzdienst ableisten konnte.
In der damaligen Lage standen sich zwei hochgerüstete Blöcke gegenüber und der Warschauer Pakt verfügte damals über das größte Arsenal konventioneller Waffen in Europa. Ein Krieg lag im Bereich des Möglichen, deshalb war es wichtig, Verteidigungsfähigkeit zu zeigen und deshalb wollte ich mich auch zu 12 Jahren Bundeswehr verpflichten und keinen sozialen Dienst ableisten.
Die Probleme der Spaltung der Gesellschaft waren Mitte der neunziger Jahre noch nicht virulent. Die Erkenntnis, dass die Abschaffung der Wehrpflicht und natürlich auch des Wehrersatzdienstes, auch gesellschaftliche Folgen haben würden, ist uns allen wohl erst später gekommen.
Deshalb fordern wir ja auch nicht die Wiedereinführung der Wehrpflicht, sondern eine Dienstpflicht, bei der ein Wehrdienst nur eine Erfüllungsmöglichkeit ist. Auch ihr Vergleich der Dienstpflicht mit Steuerbetrug oder Unternehmensgewinnen hinkt. Steuerbetrug ist strafbar und darauf basierende Unternehmensgewinne können zurückgefordert werden (wenn handelnde Politiker ihre Aufgabe ernst nehmen).
Hohe Gewinne von Unternehmen, sofern sie rechtmäßig erarbeitet werden, sind nicht allgemeinwohlschädlich, im Gegenteil. Die Gewinne z. B. der Firma Biontech führen zu Steuereinnahmen, Investitionen, schaffen Jobs und belohnen Aktionäre, die frühzeitig in dieses Unternehmen investiert haben. Von den Gewinnen deutscher Unternehmen leben wir im Grunde alle.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries