Frage an Carsten Müller von Marie Helen L.
Sehr geehrter Herr Müller,
wie man Ihrem Profil bei Abgeordnetenwatch entnehmen kann, haben Sie bei der parlamentarischen Entscheidung über die Verlängerung der Griechenland-Hilfen mit JA gestimmt. Ich muss gestehen, dass ich diese Entscheidung schwer nachvollziehen kann. Griechenland erhielt seit dem Ausbruch der Eurokrise 2009 Milliarden an Hilfsgeldern. Heute – wohlgemerkt sechs Jahre später – ringen wir immer noch mit der neuen griechischen Regierung um weitere Finanzspritzen unter Auflage von Reformen, die längst hätten umgesetzt werden müssen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis provoziert mit seinen Aussagen und seinem Auftreten, verweigert die von Finanzminister Schäuble angebotene Hilfe zur Eindämmung der Steuerflucht und stellt Deutschland als den Buhmann Europas dar. Der griechische Premierminister ist dabei keinen Deut besser und bezichtigte heute sogar die Regierungen in Spanien und Portugal die Verhandlungen über eine Verlängerung des Hilfsprogramms zu torpedieren, da sie sich vor Gegner des Spardiktats im eigenen Land fürchten würden. Beide Länder, die im Gegensatz zu Griechenland die Ihnen auferlegten Reformen auch tatsächlich umsetzen, haben diese Vorwürfe scharf zurückgewiesen. Meinem Empfinden nach sollten wir uns das „griechische Verhalten“ nicht länger gefallen lassen und Griechenland nicht noch mit weiteren Finanzierungsmittel unterstützen.
Ich frage Sie deshalb: was waren Ihre konkreten Beweggründe FÜR weitere Finanzhilfen für Griechenland zu stimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Marie Helen Lüdtke
Sehr geehrte Frau Lüdtke,
vielen Dank für Ihre Frage zu meiner Entscheidung FÜR weitere Finanzhilfen für Griechenland, die ich gerne beantworte.
Dass sich Griechenland und die Partnerländer der Euro-Gruppe nach zähen Verhandlungen einigen konnten, ist ein wichtiges Zeichen. Vier Monate lang soll weiter Geld an Athen fließen, wenn die Regierung dort die vereinbarten Reformen weiterführt. Die Liste der angestrebten Maßnahmen, die Griechenland Anfang der Woche vorgelegt hat, enthält gute Ansätze: stärkere Bekämpfung von Steuerflucht und Korruption, Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung sowie eine weitere Reform des Rentensystems. Gleichzeitig wird betont, dass diese Vorhaben mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) abgestimmt werden müssen - und das, obwohl die griechische Regierung ja eigentlich mit dieser Troika nicht mehr zusammenarbeiten wollte. Griechenland hat scheinbar erkannt, dass es europäische Unterstützung nur geben kann, wenn es auch glaubwürdige Anstrengungen gibt, den eingeschlagenen Reformweg weiter zu gehen sowie die vereinbarten Regeln und Auflagen einzuhalten.
Wir werden weiter helfen - wir werden aber auf keinen Fall Wahlversprechen einer linken Regierung in Athen mit deutschen Steuergeldern finanzieren. Ich bin Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble dankbar, dass sie dies dem griechischen Ministerpräsident Alexis Tsipras sehr, sehr deutlich gemacht haben. Nicht zuletzt deshalb habe ich heute im Deutschen Bundestag der Verlängerung des bestehenden Hilfsprogramms auch zugestimmt. Zudem war Griechenland vor dem Regierungswechsel Ende Januar auf einem guten Weg: Das Land hat wichtige Fortschritte bei der Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise gemacht. Nach sechs Jahren der Rezession gab es 2014 erstmals wieder ein leicht positives Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent. Das Vertrauen der Finanzmärkte kehrte langsam zurück - und damit auch Griechenland an den Markt für Staatsanleihen. Das ist auch das Ergebnis einer der umfassendsten Haushaltskonsolidierungen, die ein EU-Land in den letzten 30 Jahren unternommen hat. Laut einer aktuellen OECD-Studie ist Griechenland die reformfreudigste Volkswirtschaft unter allen Industrieländern.
Aber es bleibt noch immer viel zu tun: den Schuldenberg von 322 Milliarden Euro abbauen, die Arbeitslosenquote von rund 25 Prozent senken, die Finanzsituation von kleinen und mittleren Unternehmen verbessern sowie Steuern - die Griechen sollen ihrem Staat rund 73 Milliarden Euro schulden - endlich wirkungsvoll eintreiben.
Die Troika wird ab April die Fortschritte der griechischen Regierung prüfen und Ende Juni werden wir entscheiden müssen, ob Griechenland die letzte Tranche des Hilfspaketes erhält. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Entwicklungen in den kommenden Monaten sehr genau beobachten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Müller