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Carsten Müller
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Frage von Heike R. •

Warum noch immer unterschiedliche Bewertung gleicher Rechtsverletzung?

Sehr geehrter Herr Müller,
warum gibt es im deutschen Recht im 21.Jhr. noch immer unterschiedliche Bewertungen bei Straftaten???
Wenn ich ein Auto einbeule, zerkratze,... und micht entferne, um mich nicht selbst zu bezichtigen, werde ich strafverschärfend wegen Fahrerflucht belangt,
Wenn ich z.B. ein Kapitalverbrechen begehe und mich entferne, auch um micht nicht selbst zu bezichtigen, wirkt dieses hingegen nicht strafverschärfend !
Ist diese Ungleichbewertung vom GG gedeckt? Wann endlich wird Fahreflucht in der Bewertung nicht höher gestellt, als ein Kapitalverbrechen? Was ist die nachvollziehbare Begründung für dieses Paradoxum?

Heike R.

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Sehr geehrte Frau R.

vielen Dank für Ihre Frage.

Die Norm des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in § 142 StGB findet sich dem Grunde nach bereits seit mehr als 100 Jahren im Strafgesetzbuch. Der Straftatbestand des § 142 StGB hat den Zweck, das private Interesse der Unfallbeteiligten zu schützen, da die zivilrechtlichen Ersatzansprüche der Beteiligten durch ein Entfernen vom Unfallort vereitelt werden können. Entfernt sich der Verantwortliche frühzeitig, so entstehen für den Geschädigten Schwierigkeiten bei der Beweissicherung der Schäden und der Verfolgung von Ansprüchen, die bei Nichtverfolgung sein Vermögen gefährden.

Ich gebe Ihnen Recht, dass § 142 StGB eine Ausnahmebestimmung darstellt, die den Verantwortlichen dazu verpflichtet, sich selbst zu belasten. Diese Ausnahme ergibt sich aufgrund der Besonderheiten des Massenstraßenverkehrs und der damit verbundenen Anonymität, die insbesondere bei der Verwirklichung einer Gefahrenquelle ein Problem darstellt. Denn die Teilnahme am Straßenverkehr erhöht das Risiko des Eintritts eines Schadens und verringert zugleich gerade aufgrund der Anonymität die Beweissicherungsmöglichkeit der Beteiligten. Daher hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, dass derjenige, der den Straßenverkehr nutzt, bei eintretenden Schäden auch dafür einstehen und hierzu einen Beitrag leisten muss, indem er sich grundsätzlich nicht vom Unfallort entfernt, bis seine Daten für mögliche Ansprüche gesichert sind.

Diese Konstellation führt dazu, dass § 142 StGB den nemo tenetur-Grundsatz einschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber noch im Jahr 1963 entschieden, dass die Norm verfassungsgemäß ist (BVerfGE 16, 191). Zur Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass es sich bei der angeordneten Selbstbelastung lediglich um eine solche handelt, die sicherstellen soll, dass der Verantwortliche solche Daten angibt, die die Verfolgung von privaten Schadensersatzansprüchen ermöglichen. Geschützt wird durch die Norm also nur das private Feststellungs- und Beweissicherungsinteresse der Unfallbeteiligten. Dies bedeutet weitergehend, dass die Daten auch nicht durch staatliche Organe aufgenommen werden müssen. Den Unfallbeteiligten steht es frei, die Situation auch eigenständig zu klären. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, dass gerade in besonderen Situationen des Straßenverkehrs das Interesse des Geschädigten höher wiegt.

Ich hoffe, Ihnen damit geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Müller

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