Frage an Carsten Müller von Hendrik D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Müller,
schon im November 2007 verordneten sich die MdB eine Diätenerhöhung. Seit heute geistert die Meldung durch die Medien, dass mit einem weiteren Ansteigen Ihrer Bezüge zu rechnen ist.
Die Zahlen, welche im Raum stehen, treiben einem "einfachen" Angestellten das Wasser in die Augen. Oft scheint (Stichwort: Politik(er)verdrossenheit) die Menge Geld in keiner Relation zur Leistung zu stehen. Auch will mir die ätzende Kritik anderer Parteien ob des Steuervorschlags von Kollege Huber ("Nicht bezahlbar! Vollrausch!") nicht in den Kopf, da doch erhöhte Diäten sehr wohl bezahlbar zu sein scheinen. Ich befürchte, dass bei den zukünftigen Wahlen die Fraktion der Nichtwähler noch größer wird, dass es vermutlich einige geben wird, die Parteien am äußeren Rand des Spektrums wählen werden. Das wird uns alle nicht weiter bringen.
In einem Forum verglich ein Teilnehmer die Bundesrepublik mit einem Baum, der - wie Deutschland - früher kräftig, frisch und gesund war, jetzt aber von Misteln durchsetzt ist.
Ich will jetzt nicht direkt die Gleichung Mistel = Politiker aufstellen. Leider scheint mir in Aussagen Ihrer Kollegen oft genug mit zweierlei Maß gemessen zu werden. Oder, wie woanders schon geschrieben: Dort Wasser predigen, aber selber Wein trinken.
Wie erklären sie den Wählern diese Maßlosigkeit die ein Schlag ins Gesicht derer ist, denen Jahr für Jahr mehr abverlangt wird und von denen man verlangt selbst für das Alter vorzusorgen und den Gürtel enger zu schnallen?
Ich habe sie gewählt überlege aber, angesichts dieser geplanten Maßnahme, ob es für die Zukunft unseres Landes und die Zukunft der Kinder unseres Landes nicht doch Alternativen für die Wahl 2009 gibt.
Vielen Dank für die Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Dietze,
ich danke Ihnen für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch vom 7. Mai 2008 zur geplanten Erhöhung der Abgeordnetenbezüge.
Maßstab für die Höhe der Entschädigung für die Mitglieder des Deutschen Bundestages ist das Grundgesetz (Art. 48 Abs. 3) sowie das Abgeordnetengesetz (§ 11 Abs. 1). Die Abgeordneten haben danach Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Höhe dieser Entschädigung hat sich dabei an den Bezügen eines einfachen Richters bei einem Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6) und den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen (Besoldungsgruppe B 6) zu orientieren. Hinter diesen gesetzlich vorgegebenen Orientierungsgrößen blieben die Bezüge der Bundestagsabgeordneten in der Vergangenheit jedoch um etwa 12 Prozent bzw. ca. 900 Euro zurück. Im November 2007 wurde dies korrigiert. Die Parlamentarier verdienen dadurch ab dem 1. Januar 2009 erstmals wieder so viel wie Bundesrichter bzw. Bürgermeister und Landräte mittlerer Kommunen – mit Ausnahme des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, das den Abgeordneten im Gegensatz zu den Bundesrichtern nicht zusteht. Wichtig ist bei dieser Neuregelung aber auch, dass sich die Diäten zukünftig an der Erhöhung der Beamtenbesoldung orientieren sollen. Die Diäten können sich nur dann erhöhen, wenn die Besoldung der Verwaltungsbeamten und Richter steigt – bei Nullrunden gehen auch die Abgeordneten leer aus. Dadurch soll für die Menschen besser nachvollziehbar sein, wie sich die Bezüge der Abgeordneten zukünftig entwickeln werden.
Mit der Umsetzung des aktuellen Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst wird die Besoldung der Beamten und Richter nun rückwirkend zum 1. Januar 2008 und dann erneut zum 1. Januar 2009 angehoben. Als Folge dieser aktuellen Veränderungen erhöht sich nun auch die Abgeordnetenentschädigung. Diese wird vergleichbar den genannten Orientierungsgrößen R 6/B 6 zum 1. Januar 2009 um 278 Euro (3,63 Prozent) und zum 1. Januar 2010 um 213 Euro (2,68 Prozent) angehoben. Die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung folgt der Erhöhung der Richter- und Beamtenbesoldung aber erst mit einjähriger Verzögerung. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages erhalten darüber hinaus auch nicht die für Januar 2009 vorgesehene einmalige Zahlung in Höhe von 225 Euro. Im Ergebnis kann also von Willkür bei der Entwicklung der Bezüge der Parlamentarier keine Rede sein.
Ein weiterer häufiger Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass die Abgeordneten selbst über ihre Bezüge entscheiden. Kein anderer Berufsstand kann schließlich über sein Gehalt selbst entscheiden. Dieser Vorwurf übersieht aber etwas Entscheidendes: Die Abgeordneten wollen nicht, sie müssen über ihre Diäten entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu unmissverständlich festgestellt, dass dies einzig Aufgabe des Parlaments sein kann. Diese schwierige Aufgabe ist nicht zu unterschätzen. Die Abgeordneten werden sich dadurch stets der Vorhaltung ausgesetzt sehen, sich selbst zu bedienen. Die Verlagerung der Verantwortung auf eine „unparteiliche“ Kommission, wie dies etwa die FDP fordert, ist überaus populär, würde aber zu Lasten der Transparenz gehen und ist auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn die Abgeordneten müssen jede Veränderung in der Höhe der Abgeordnetenentschädigung vor den Augen der Öffentlichkeit im Parlament diskutieren. Die Bedeutung von Transparenz in diesem Verfahren wurde in den vergangenen 30 Jahren unter Beweis gestellt. Die Abgeordneten gehen überwiegend maßvoll mit der Erhöhung ihrer eigenen Diäten um: Seit Inkrafttreten des Abgeordnetengesetzes gab es insgesamt zwölf Nullrunden.
Dass der Gesetzgeber, d.h. das Parlament, gelegentlich auch in eigener Sache tätig wird, lässt sich also nicht vermeiden. Wir müssen deshalb mit Mut und Augenmaß zu unserer Verantwortung stehen und uns auch dem Druck der Öffentlichkeit stellen. Dabei müssen wir den Menschen vor allem eines vermitteln: Eine funktionierende parlamentarische Demokratie ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Abschließend möchte ich festhalten, dass es für Diätenerhöhungen von Abgeordneten nie einen guten Zeitpunkt gibt, allerdings gibt es besonders schlechte Zeiten für solche Pläne. Mit der aktuellen Entscheidung ist auch in meinen Augen ein besonders problematischer Zeitpunkt gewählt worden, vor allem vor dem Hintergrund, dass zurzeit intensiv über Kinderarmut und die zum Teil angespannte wirtschaftliche Situation von Beziehern kleiner Renten diskutiert wird, habe ich großes Verständnis für sachlich geäußerte Kritik an Zeitpunkt und Umfang der beabsichtigten Diätenerhöhung für Abgeordnete.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Carsten Müller MdB