Frage an Carsten Müller von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
gestatten Sie mir einige Fragen aufzuwerfen, die aus meiner Sicht die Problematik der Vorratsdatenspeicherung - und damit einhergehend das Unbehagen in der Bevölkerung - verdeutlichen
- Heute kann jede eMail gefälscht werden, der Absender ist kaum jemals recherchierbar. Wer schützt uns davor, dass auf Vorrat gespeicherte Informationen nicht gefälscht, manipuliert oder ausgespäht werden?
- Sie weisen auf die Speicherung von Telefondaten zur Abrechnung hin, die jedoch keineswegs vergleichbar ist - sonst hätte dieses Instrument genügt. Wie wird sichergestellt, dass nicht später mit dem selben Argument auch plötzlich Dateninhalte und vieles mehr zusätzlich "auf Vorrat" gespeichert werden? Die Begehrlichkeiten (auch des Herrn Schäuble) scheinen unbegrenzt.
- Das BSI hat im Lagebericht 2007 vermerkt (Zitat Dr. Udo Helmbrecht): "Eine dauerhafte Verbesserung des IT-Sicherheitsniveaus kann allerdings nicht alleine durch Experten erzielt werden – alle gesellschaftlichen Gruppen müssen dazu ihren Beitrag leisten."
Das BSI stellt fest, dass die heuigen Sicherheitstechnologien unzureichend sind und dennoch setzen Sie sich dafür ein, dass technisch hochmanipulierbare Informationen in noch grösserem Umfang als bisher künftig zum Beweismittel "auf Vorrat" werden sollen. Wie können Sie dies rechtfertigen?
- Der Präsident des Europäischen Verbands der Polizei Heinz Kiefer hat 2005 erklärt: "Für Kriminelle bliebe es einfach, mit relativ simplen technischen Mitteln eine Entdeckung zu verhindern, z. B. durch den Einsatz und häufigen Wechsel im Ausland gekaufter, vorausbezahlter Mobiltelefonkarten. Das Ergebnis wäre ein enormer Aufwand mit wenig mehr Wirkung auf Kriminelle und Terroristen, als sie etwas zu verärgern." Diese Einschätzung wird von anerkannten Experten geteilt. Wenn bereits ein Handy mit Prepaid Karte genügt, um die Vorratsdatenspeicherung definitiv auszuhebeln, wen möchten Sie dann noch überwachen?
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Bleicher
Sehr geehrter Herr Bleicher,
ich danke Ihnen für ihre Zuschrift vom 21. November 2007 hinsichtlich des Themas „Vorratsdatenspeicherung“. Mich freut es, dass wir hierzu auch eine breit angelegte Debatte in der Öffentlichkeit führen und sich die Bürgerinnen und Bürger entsprechend einbringen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch auf meine Antwort zu demselben Themenkomplex vom 15. November 2007 hinweisen, in der ich bereits meine Sichtweise darlege sowie ebenfalls auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehe.
Unzweifelhaft steht fest und darin stimme ich mit Ihnen vollkommen überein, dass der Grundrechtsschutz der Bürger und das Strafverfolgungsinteresse des Staates grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. Nicht zu vergessen ist dabei aber, dass das Strafverfolgungsinteresse des Staates wie leider oft dargestellt nicht bloßer Selbstzweck ist, sondern ebenfalls alleine den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland dient. Die potentiellen Bedrohungen durch Terrorismus oder organisierte Kriminalität auch für Deutschland müssen von mir in diesem Zusammenhang nicht erneut ausgeführt werden. Gerade was die Auswertungen von Verbindungsdaten angeht, möchte ich auch auf die Täterermittlungen im Nachgang zu dem schrecklichen Terroranschlag in Spanien hinweisen.
Die Vorratsdatenspeicherung ist nur eines der Ermittlungsinstrumente der Sicherheitsbehörden, das jedoch meines Erachtens im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen für die wirksame Aufklärung auch gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. Unbestritten bleibt allerdings auch, dass immer wieder Sicherheitslücken gefunden werden können. Darauf muss ebenfalls entsprechend reagiert werden.
Ein allgemeingültiges Patentrezept gegen die durchaus vorhandenen Bedrohungen existiert leider nicht und unsere Bürgerinnen und Bürger sind auf verlässliche Ermittlungsarbeit und eine Vielzahl von in einander greifenden Ermittlungsinstrumenten angewiesen. Allerdings müssen wir dazu unseren Behörden, um weiterhin in Sicherheit leben zu können, auch entsprechende Mittel an die Hand geben. Nur dadurch können wir den größtmöglichen Schutz vor Terrorismus oder organisierter Kriminalität gewährleisten. Die Vorratsdatenspeicherung ist in diesem Sinn nur eines der Mittel und darf in diesem Zusammenhang nicht alleinstehend betrachtet werden.
In diesem so immens wichtigen Thema wie der inneren Sicherheit mit der Begründung inaktiv zu bleiben, dass Sicherheitsmaßnahmen auch umgangen werden können, wäre meiner Ansicht nach ein Fehler mit unter Umständen gravierenden Folgen und rechtfertigt daher das beschlossene Gesetz.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Müller