Frage an Canan Bayram von Karin S. bezüglich Petitionen
Im November findet ein digitaler Parteitag der Grünen statt. Bei der Vorbereitung haben aufmerksame Leser des Grundsatzprogramms entdeckt, dass das Thema "Volksabstimmung" nicht mehr enthalten ist. Wie stehen Sie persönlich dazu?
Ich möchte, dass Volksabstimmungen als Instrument einer unmittelbaren Demokratie möglich gemacht werden und fordere Sie auf, sich dafür einzusetzen.
Mit freundlichen Grüssen
Karin Spieker
Liebe Frau Spieker,
Eine vielfältige Demokratie braucht Einmischung, Repräsentanz, Lust zur Auseinandersetzung und Kompromissfähigkeit. Wir wollen, dass unsere Bevölkerung die Möglichkeit bekommt, die politische Agenda stärker selbst zu gestalten. Deswegen setzen wir Grünen uns für jede Form der direkten Demokratie ein.
In unserem aktuellen Grundsatzprogramm setzen wir uns speziell für Bürger*innen-Räte ein. Mit diesen soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die Alltagsexpertise von zufällig ausgewählten Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Bürger*innen-Räte können nach unserer Vorstellung auf Initiative der Regierung, des Parlaments oder als Bürgerbegehren, also von unten aus der Bevölkerung heraus zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Wir halten diese Form der direkten Beteiligung am politischen Aushandlungsprozess in Zeiten starker Polarisierung und gesellschaftlicher Pluralisierung für ein passendes Instrument, um unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen wieder miteinander ins direkte Gespräch zu bringen. Denn nur so kann eine gemeinsame Idee für die Zukunft dieses Landes entwickelt werden, nur im Austausch von Argumenten und Perspektiven kann in einer zersplitterten Gesellschaft Zusammenhalt gesichert werden. Umso mehr gilt das in einer Situation, in der wir sehen, dass Institutionen verknöchern und dass das Pflegen von Privilegien und soziale Selektivität leider zur Zustandsbeschreibung unserer Demokratie gehört.
Mit den Bürger*innen-Räten entstehen öffentliche Debatten aus unterschiedlichsten Perspektiven, mehr Repräsentanz gesellschaftlicher Gruppen, neue Ideen, ernsthafte Gespräche und gemeinschaftsorientierte Diskussionen. Alle Menschen erhalten plötzlich die Gelegenheit, wirklich zu gestalten und mitzuentscheiden. Es geht es um den Austausch von Argumenten, ums Zuhören, Sich-Einlassen. Hass, Hetze, Lügen und Stammtisch-Parolen treten erfahrungsgemäß in den Hintergrund und verschwinden ganz, wenn es um konstruktiven Dialog geht.
Als direkt gewählte Abgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost mache ich auch selbst bei einem Pilotprojekt bei „Es geht LOS“ für einen Wahlkreisrat mit. Weil ich mich dafür interessiere, was die Menschen in meinem Wahlkreis bewegt. Der Wahlkreisrat ist ein spannendes, neues Instrument, mit dem Impulse direkt von den gelosten Teilnehmer*innen für meine politische Arbeit entstehen sollen. Dabei kommen ganz unterschiedliche Personen miteinander ins Gespräch, diskutieren und suchen Lösungen. Mir gefällt daran, dass so die direkte Beteiligung der Menschen an politischen Entscheidungen gestärkt wird und ich erhoffe mir, dass genau diese Kombination zu innovativen Lösungen führt, die allen zugutekommen.
Herzliche Grüße
Canan Bayram
Unseren Antrag für bessere Partizipation auf Bundesebene können Sie hier nachlesen: https://dserver.bundestag.de/btd/19/278/1927879.pdf
Meine Rede zur Direkten Demokratie im Deutschen Bundestag können Sie hier ansehen: https://dbtg.tv/fvid/7505060