Frage an Bruni Wildenhein-Lauterbach von Gerd A. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Wildenhein-Lauterbach,
seit einiger Zeit beobachte ich, wenn auch nicht im Bezirk Wedding mehr wohnhaft, dass es zunehmend Bestrebungen der SPD Fraktion der BVV Mitte gibt, einige Namen von Straßen im Afrikanischen Viertel umzubenennen. Ich habe auch gehört, dass die Menschen dort zunehmend mit Unbehagen auf diese Pläne, bei denen der dortige Bezirksbürgermeister Dr. Hanke federführend sein soll, reagieren sollen.
Wenn auch nicht (mehr) direkt davon betroffen, so interessiert mich als ehemaliger Weddinger doch immer noch, was dort im Kiez so vor sich geht. Deshalb habe ich einmal etwas im Internet recherchiert, wie Ihre bisherige Meinung als dort kandidierende Wahlkreiskandidatin zu dem Thema Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel war.
Es wird Sie daher auch nicht verwundern, dass ich mindestens einmal fündig geworden bin! Auf eine ähnlich lautende Frage unter Abgeordnetenwatch 2006 zu diesem Thema bezüglich der Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Jahr 2006 antworten Sie: "Die Fraktion der SPD in Mitte, somit auch ich, werden Umbenennungen von Straßennamen im Afrikanischen Viertel nicht unterstützen." Diese Antwort lässt an Deutlichkeit keinen Zweifel zu, dass Sie, im Gegensatz zu der derzeitigen SPD Fraktion in Mitte, Straßenumbenennungen ABLEHNTEN!
Meine Frage: Stehen Sie weiterhin zu Ihrer Aussage von 2006, und werden Sie Ihren Einfluss geltend machen, um die SPD Fraktion in Mitte ebenfalls davon zu überzeugen, dass Straßenumbenennungen gegen den Willen der dortigen Anwohner Sind?
Sollte Sie Ihre Aussage aber nicht mehr aufrecht erhalten, bitte ich um eine plausible Erklärung dafür, warum dies der Fall ist angesichts der Tatsache, dass sich seit 2006 keine relevanten geschichtlichen Erkenntnisse ergeben haben, die eine Änderung der damaligen Aussage rechtfertigen würden. Es sich also bestenfalls um eine nicht nachvollziehbare Änderung der politischen Einstellung aus welchen Gründen auch immer handeln könnte.
Sehr geehrter Herr Abraham,
Ich bedanke mich für Ihre Anfrage, die mir die Gelegenheit gibt, mich ein weiteres Mal auf diesem Wege zu äußern. Sie haben in Ihrer Anfrage nur den letzten Satz aus meiner damaligen Antwort zitiert und damit sicher unbeabsichtigt meine Begründung aus dem Zusammenhang gerissen. Auch wenn es diesen Text verlängert, ist es mir doch wichtig, Ihnen die vollständige Begründung aus 2006 in Erinnerung zu rufen:
„ Sehr geehrter Herr Mischke, dieses Thema hat die Bezirksverordneten in der BVV Mitte in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt. Alte Straßennamen haben unsere Stadt geprägt und spiegeln oft vergangene Zeiten wider. Im geschichtlichen Sinne sind deren Benennungen nach unserem Demokratieverständnis das eine oder andere Mal problematisch. Auch ich bin der Auffassung, sehr gründlich zu prüfen, ob Maßnahmen von Straßennamenumbenennungen notwendig sind, zumal in vielen Fällen eine derartige Bereinigung der Geschichte in Wirklichkeit auch geschichtslos sein kann.
Bereits 2005 hat die BVV (auch mit den Stimmen der SPD) hierzu folgenden Antrag beschlossen: Das Bezirksamt wird ersucht, eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus, sofern dieser in dem öffentlichen Stadtbild (insbesondere in Straßennamen und Namen öffentlicher Einrichtungen des Bezirks Mitte) zum Ausdruck kommt, politisch wie organisatorisch zu befördern“ Ein Forum unter Beteiligung von Wissenschaftlern, Politikern, Anwohnern und anderen speziell mit dem Thema „ Koloniales und rassistisches Afrikabild im bezirklichen Straßenbild“ Interessierten sollten einen Aufklärungsprozess in Gang setzen, unter Berücksichtigung der bereits stattgefundenen Debatten in der Unterarbeitsgruppe „ Straßennamen“ im Bezirk, sowie den Debatten zum sogenannten Afrikanischen Viertel in der Gedenktafelkommission. Dem Ausschuss für Bildung und Kultur sollte ein Katalog von geeigneten Maßnahmen im Sinne der kritischen Brechung des kolonialistischen Afrikabildes unterbreitet werden, mit dem Ziel der abschließenden Abstimmung. Die Unterarbeitsgruppe „Straßennamen“ (zusammengesetzt aus Mitgliedern aller in der BVV vertretenen Fraktionen) hat sich nun verständigt, die Diskussion nicht mit dem Ziel von Straßennamenumbenennungen fortzuführen. Es sollten aber eine oder zwei Informationstafeln im Wedding aufgestellt werden, die die Entstehungsgeschichte des „Afrikanischen Viertels“ darstellen. Dazu wird die Gedenktafelkommission Vorschläge erarbeiten und der BVV eine Empfehlung vor legen. „
Die Länge dieses Entwicklungsprozesses mit den demokratischen Diskussionen und Beschlüssen zeigt mir, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Ich bin auch sehr froh, dass es gelungen ist, einen Beschluss in der BVV zu fassen mit dem Text: „ Das Bezirksamt wird ersucht einen Prozess einzuleiten, das Afrikanische Viertel zu einem Lern-und Erinnerungsort über die Geschichte des deutschen Kolonialismus, seiner Rezeptionsgeschichte sowie über den Unabhängigkeitskampf der afrikanischen Staaten zu machen“ Diese von allen Parteien getroffene Entscheidung hat das Bezirksamt veranlasst, das ja bekanntlich mit einer Stimme spricht, nun eine Informationstafel aufzustellen. Die Bürger und die Besucher dieses Ortes haben somit Gelegenheit, sich die Zeit des Kolonialismus mit den Opfern sowie den Unabhängigkeitskampf der afrikanischen Staaten in Erinnerung zu rufen. Ich stehe voll hinter dieser Maßnahme und zu demokratischen Prozessen und Entscheidungen, die unter Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern und gewählten Volksvertretern passieren. Dazu gehört aus meiner Sicht die vollständige, solide und objektive Betrachtung und Benennung aller Aspekte und Argumente, die ich im Begründungstext einer Unterschriftenaktion der Initiative „ Pro Afrikanisches Viertel“ vermisse. Diese sagen in Ihrem Flugblatt, dass Ihnen Menschen aus anderen Ländern in Deutschland willkommen sind, diese aber keine Sonderrechte haben dürfen, z.B. alleine über die Benennung von Straßennamen zu bestimmen. Sie nennen diese Menschen „afrikanische Neubürger“. Damit wird aus meiner Sicht nur Unruhe und Stimmungsmache erzeugt.
Die Krönung ist eine Aktion einer großen Partei, die sich jetzt mit einer Plakatierung unter anderem gegen die Umbenennung der Kamerunder Straße ausspricht. Anlässlich meiner vielen Kiezrundgänge werde ich natürlich auch auf dieses Thema angesprochen. Mir wird berichtet, dass Thesen wie „afrikanische Neubürger werden vom Staat ins Afrikanische Viertel zwangsumgesiedelt ( es werden ja sichtbar immer mehr), bis hin zu dem Gerücht, bald wird auch der Cocktail „Lumumba“ in den Kneipen verboten, verbreitet werden.
Es gibt aber weder Sonderrechte für „afrikanische Neubürger“, noch Zwangsumsiedelungen, noch geplante Straßennamenumbenennungen, z.B. die der Kameruner Straße.
Sie werden sicher verstehen, dass ich diese Gerüchteküche nicht noch aufwerten möchte.
Somit halte ich die Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative für entbehrlich und wie wache Bürgerinnen und Bürger schon erkannt haben für eine Wahlkampfkampagne der CDU, die sich auch nach dem 18.September schlagartig erledigt hat und erst wieder zu den nächsten Wahlen in 2016 thematisiert wird.
Ich freue mich übrigens sehr, dass Sie sich als ehemaliger Weddinger weiterhin für Ihren alten Kiez interessieren. Dafür danke ich Ihnen und gestatte mir die Feststellung: „Das Wohlergehen der Menschen im Kiez liegt uns gemeinsam am Herzen!“
Mit freundlichen Grüßen
Bruni Wildenhein-Lauterbach