Frage an Bruni Wildenhein-Lauterbach von Rita H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Wildenhain-Lauterbach,
zur Wahl 2006 wurde Ihnen von einem Bürger eine Frage zu geplanten Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel gestellt, die Sie auch beantwortet haben. Welche konkrete Antwort geben Sie und Ihre Partei zur Wahl 2011 zum Thema Straßenumbenennungen?
Wie bewerten Sie als Wahlkreiskandidatin der SPD die Tatsache, dass die INITIATIVE PRO AFRIKANISCHES VIERTEL innerhalb kürzester Zeit rund 800 Unterschriften allein bei den betroffenen Gewerbetreibenden GEGEN eine Umbenennung von Straßen gesammelt hat? Die Aktion ist noch nicht beendet!
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Fragen zur Abgeordnetenhauswahl 2006, Thema Demokratie und Bürgerrechte 17.08.2006 Von: Bernd Mischke
Sehr geehrte Frau Wildenhain-Lauterbach,
es gibt Initiativen, die sich für eine Umbenennung von Straßen in unserem Afrikanischen Viertel einsetzen, weil die Straßennamen an die Kolonialgeschichte erinnern und aus Sicht der Initiatoren "menschenverachtend und rassistisch" seien. Im Zusammenhang mit der Mohrenstrasse gab es dazu sogar schon entsprechende Artikel in der Zeitung.
Alle reden davon, dass Berlin pleite sei. Hat die Politik nichts Besseres zu tun, als sich mit den Straßenschildern in unserem Viertel zu beschäftigen, die jahrelang keinen interessiert haben? Kann man das dafür notwenige Geld (neue Straßenschilder, Änderungen in Telefonbüchern und Stadtplänen etc.) nicht besser verwenden? Was werden Sie unternehmen, um diesen Unsinn zu stoppen?
Mit freundlichen Grüßen Bernd Mischke
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Antwort von Bruni Wildenhein-Lauterbach 29.08.2006
Sehr geehrter Herr Mischke,
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Die Fraktion der SPD in Mitte, somit auch ich, werden Umbenennungen von Straßennamen im Afrikanischen Viertel nicht unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen Bruni Wildenhein-Lauterbach
Sehr geehrte Frau Handt,
Ich bedanke mich für Ihre Anfrage, die mir die Gelegenheit gibt, mich ein weiteres Mal auf diesem Wege zu äußern. Sie haben in Ihrer Anfrage nur den letzten Satz aus meiner damaligen Antwort zitiert und damit sicher unbeabsichtigt meine Begründung aus dem Zusammenhang gerissen. Auch wenn es diesen Text verlängert, ist es mir doch wichtig, Ihnen die vollständige Begründung aus 2006 in Erinnerung zu rufen:
„ Sehr geehrter Herr Mischke, dieses Thema hat die Bezirksverordneten in der BVV Mitte in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt. Alte Straßennamen haben unsere Stadt geprägt und spiegeln oft vergangene Zeiten wider. Im geschichtlichen Sinne sind deren Benennungen nach unserem Demokratieverständnis das eine oder andere Mal problematisch. Auch ich bin der Auffassung, sehr gründlich zu prüfen, ob Maßnahmen von Straßennamenumbenennungen notwendig sind, zumal in vielen Fällen eine derartige Bereinigung der Geschichte in Wirklichkeit auch geschichtslos sein kann.
Bereits 2005 hat die BVV (auch mit den Stimmen der SPD) hierzu folgenden Antrag beschlossen:“ Das Bezirksamt wird ersucht, eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus, sofern dieser in dem öffentlichen Stadtbild (insbesondere in Straßennamen und Namen öffentlicher Einrichtungen des Bezirks Mitte) zum Ausdruck kommt, politisch wie organisatorisch zu befördern“ Ein Forum unter Beteiligung von Wissenschaftlern, Politikern, Anwohnern und anderen speziell mit dem Thema „ Koloniales und rassistisches Afrikabild im bezirklichen Straßenbild“ Interessierten sollten einen Aufklärungsprozess in Gang setzen, unter Berücksichtigung der bereits stattgefundenen Debatten in der Unterarbeitsgruppe „ Straßennamen“ im Bezirk, sowie den Debatten zum sogenannten Afrikanischen Viertel in der Gedenktafelkommission. Dem Ausschuss für Bildung und Kultur sollte ein Katalog von geeigneten Maßnahmen im Sinne der kritischen Brechung des kolonialistischen Afrikabildes unterbreitet werden, mit dem Ziel der abschließenden Abstimmung. Die Unterarbeitsgruppe „Straßennamen“ (zusammengesetzt aus Mitgliedern aller in der BVV vertretenen Fraktionen) hat sich nun verständigt, die Diskussion nicht mit dem Ziel von Straßennamenumbenennungen fortzuführen. Es sollten aber eine oder zwei Informationstafeln im Wedding aufgestellt werden, die die Entstehungsgeschichte des „Afrikanischen Viertels“ darstellen. Dazu wird die Gedenktafelkommission Vorschläge erarbeiten und der BVV eine Empfehlung vor legen. „
Die Länge dieses Entwicklungsprozesses mit den demokratischen Diskussionen und Beschlüssen zeigt mir, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Ich bin auch sehr froh, dass es gelungen ist, einen Beschluss in der BVV zu fassen mit dem Text: „ Das Bezirksamt wird ersucht einen Prozess einzuleiten, das Afrikanische Viertel zu einem Lern-und Erinnerungsort über die Geschichte des deutschen Kolonialismus, seiner Rezeptionsgeschichte sowie über den Unabhängigkeitskampf der afrikanischen Staaten zu machen“ Diese von allen Parteien getroffene Entscheidung hat das Bezirksamt veranlasst, das ja bekanntlich mit einer Stimme spricht, nun eine Informationstafel aufzustellen. Die Bürger und die Besucher dieses Ortes haben somit Gelegenheit, sich die Zeit des Kolonialismus mit den Opfern sowie den Unabhängigkeitskampf der afrikanischen Staaten in Erinnerung zu rufen.
Ich stehe voll hinter dieser Maßnahme und zu demokratischen Prozessen und Entscheidungen, die unter Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern und gewählten Volksvertretern passieren. Dazu gehört aus meiner Sicht die vollständige, solide und objektive Betrachtung und Benennung aller Aspekte und Argumente, die ich im Begründungstext zu der von Ihnen genannten Unterschriftenaktion der Initiative „ Pro Afrikanisches Viertel“ vermisse.
Sie sagen in Ihrem Flugblatt, dass Ihnen Menschen aus anderen Ländern in Deutschland willkommen sind, diese aber keine Sonderrechte haben dürfen, z.B. alleine über die Benennung von Straßennamen zu bestimmen. Sie nennen diese Menschen „afrikanische Neubürger“. Damit wird aus meiner Sicht nur Unruhe und Stimmungsmache erzeugt.
Die Krönung ist eine Aktion einer Ihnen nahestehenden Partei, die sich jetzt mit einer Plakatierung unter anderem gegen die Umbenennung der Kamerunder Straße ausspricht. Anlässlich meiner vielen Kiezrundgänge werde ich natürlich auch auf dieses Thema angesprochen. Mir ist nicht bekannt, ob Sie oder andere Mitglieder Ihrer Initiative auch für die Verbreitung der Thesen wie „afrikanische Neubürger werden vom Staat ins Afrikanische Viertel zwangsumgesiedelt ( es werden ja sichtbar immer mehr), bis hin zum Gerücht, bald wird auch der Cocktail „Lumumba“ in den Kneipen verboten, verantwortlich sind.
Es gibt aber weder Sonderrechte für „afrikanische Neubürger“, noch Zwangsumsiedelungen, noch geplante Straßennamenumbenennungen, z.B. die der Kameruner Straße.
Da alles Gerüchte sind , halte ich die Unterschriftenaktion für entbehrlich und wie wache Bürgerinnen und Bürger schon erkannt haben für eine Wahlkampfkampagne der CDU, die sich auch nach dem 18.September schlagartig erledigt hat und erst wieder zu den nächsten Wahlen in 2016 thematisiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Bruni Wildenhein-Lauterbach