Frage an Bettina Hagedorn von Rolf M. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
nachstehend eine Information der GdP:
Zitat
”Die große Koalition hat sich darauf geeinigt, die Lebensarbeitszeit für die Bundespolizeien in Deutschland im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes generell vom 60. auf das 62. Lebensjahr zu erhöhen. Eine Berücksichtigung der besonderen Belastungen durch Schichtdienst und andere unregelmäßige Arbeitszeiten bei der Erhöhung der Lebensarbeitszeit wird es nicht geben”. Das hat der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Rudolf Körper, heute gegenüber Vertretern der Gewerkschaft der Polizei in Berlin erklärt. “
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
es steht mir als Polizeibeamter ( BUND) gut an, wenn auch ich meinen Beitrag zur allgemeinen Verlängerung der Lebensarbeitszeit leiste, nur für mein Dafürhalten müßen die Wechselschichtdienstzeiten - zumindest in 10 Jahres Blöcken - schon berücksichtigt werden. Sie müßen sich mal das durchschnittliche Lebensalter auf Polizeirevieren anschauen , das liegt bei Mitte bis Ende 40, d.h. wir überaltern , sind dann in 7-8- Jahren alle im Schnitt Mitte 50 , und sollen dann noch mit über 60Lebensjahren im Wechselschichtdienst Streife fahren, Täter stellen , etc. Das kann doch nicht sein, das man selbst nach jetzt schon 30 Jahren Wechselschichtdienst , dieses noch weiter betreibt bis zum 62 .igsten Lebensjahr. Aber im Ernst, der normale Polizeidienst weist keine altersgerechten Arbeitsplätze und Verwendungen auf, ich sehe das so, dass dann mit Ende 50 bei vielen Kollegen die Polizeidienstfähigkeit nicht mehr besteht, und diese Kollegen zwangspensioniert werden, also eine Pensionskürzung durch die Hintertür.
Das ist nicht sozial, nicht gerecht und für mein dafürhalten auch nicht hinnehmbar, und sowas von der SPD ?
Das hätte ich doch gerne hintergfragt, wie solche Ansichten in der SPD zustandekommen ?
Für eine Stellungnahme wäre ich Ihnen dankbar, mit freundlichen Grüßen Rolf Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage vom 16. Oktober zum Thema Dienstrechtsneuordnungsgesetz. Leider komme ich aufgrund der Haushaltsberatungen, in die ich als Hauptberichterstatterin für das Innenministerium sehr stark eingebunden bin, erst jetzt dazu, Ihnen zu antworten. Hierfür bitte ich Sie um Verständnis.
Das Dienstrechtsneuordnungsgesetz wurde im Deutschen Bundestag am 12. November mit großer Mehrheit in 2./3. Lesung verabschiedet. Das Gesetz gilt ausschließlich mit Wirkung für den Bund. Bisher lag die Altersgrenze bei der Bundespolizei für den Übergang in den Ruhestand bei Tages- und Schichtdienstlern gleichermaßen bei 60 Jahren. Diese Altersgrenze berücksichtigt bereits die besonderen Belastungen für Bundespolizei- und Feuerwehrbeamte. Einen Ausgleich für die Schichtdienstler gab es lediglich in Form von mehr Urlaub und einer Anrechnung von Pausen auf die Arbeitszeit. Das soll auch so bleiben.
Eine Berücksichtigung des Wechselschichtdienstes im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand würde also eine Kehrtwende zur bisherigen Gesetzeslage im Bund bedeuten -- und dafür gibt es im Bundestag KEINE Mehrheiten. Peter Struck hat sich in der Verhandlungsführung gegenüber CDU/CSU insbesondere nach Gesprächen mit führenden Gewerkschaftsvertretern, u.a. dem GdP-Bundesvorsitzenden Konrad Freiberg, zwar massiv FÜR Sonderregelungen von Wechselschichtdienstlern mit 20 bis 25 Berufsjahren Schichtdienst stark gemacht, ist aber an dem Widerstand der Union gescheitert. Die SPD wollte das insgesamt notwendige Gesetz an diesem schmerzhaften Kompromiss nicht scheitern lassen.
Zu kritisieren ist aber, dass es im Fall solch einer Sonderregelung zu einer nur schwer vermittelbaren Benachteiligung der vielen Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, nicht verbeamtet sind und somit weiterhin regulär mit 65 bzw. 67 Jahren in Rente gehen, kommen würde: Schichtdienstler im Gesundheitswesen, in Alten- und Pflegeheimen, Krankenschwestern, Reinigungskräfte, Busfahrer, Fabrikarbeiter und viele weitere. Weil aber angesichts der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung der Konsens besteht, dass die Menschen -- gerade bei Arbeiten mit besonderer körperlicher (und seelischer!) Belastung -- länger GESUND ihre Arbeit machen können müssen, wird in der Bundesbeamtenversorgung zusätzlich der Grundsatz "Rehabilitation vor Versorgung" durch verschiedene Maßnahmen verstärkt. Für uns Sozialdemokraten ist klar, dass besondere Belastungen ggf. durch entsprechende Begleitmaßnahmen ausgeglichen werden müssen -- z.B. wie die schon jetzt für Polizeivollzugsbeamte im Wechselschichtdienst zusätzlichen Urlaubstage und die Anrechnung von Pausen auf die Arbeitszeit.
Hintergrund der Gesetzesregelung ist die erheblich gestiegene und weiter steigende Lebenserwartung sowie die dadurch verursachte Mehrbelastung der Alterssicherungssysteme. Mit der gestiegenen Lebenserwartung geht einher, dass der Gesundheitszustand beim Ruhestandseintritt im Durchschnitt besser ist als in der Vergangenheit - weshalb es vertretbar erscheint, auch die besonderen Altersgrenzen dieser Entwicklung anzupassen. Kern des Gesetzes ist lediglich die sinngemäße Anpassung an die gesetzlichen Regelungen für Tarifbeschäftigte zum Renteneintritt jetzt auch für Beamte -- bestehende gesetzliche Regelungen für Beamte sollen jedoch in ihrem Verhältnis nicht neu justiert werden. Die diesbezüglichen Formulierungen des Gesetzentwurfs wurden zwischen den Koalitionsfraktionen eingehend beraten und im Ergebnis von den maßgeblichen Verhandlungsführern nicht in Frage gestellt.
Die SPD hat sich in den Verhandlungen innerhalb der Großen Koalition für eine sozial gerechte Umsetzung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes stark gemacht. Wichtige Neuregelungen wie beispielsweise die Erhöhung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder in Beamtenfamilien sind auf Druck der SPD entstanden.
Das Gesetz bringt weitere sinnvolle Änderungen: Die Leistungselemente in der Beamtenbesoldung des Bundes werden gestärkt. Der Eintritt berufserfahrener Personen in ein Beamtenverhältnis des Bundes wird erheblich erleichtert. Im Gegensatz dazu ist ein Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis vor Erreichen der Altersgrenze zwar rechtlich möglich, aber weiterhin mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden und scheidet damit in der Praxis meist als Möglichkeit aus. Der Grundsatz "Rehabilitation vor Versorgung" wird gestärkt, um Frühpensionierungen zu vermeiden. Vorrang haben die Verwendung für eine andere Tätigkeit und die Verpflichtung zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb einer neuen Befähigung. In einem sehr wichtigen Punkt, Mitnahmefähigkeit der Versorgung, konnte sich die SPD nicht gegen die CDU/CSU durchsetzen. Obwohl auch alle Sachverständigen bei der Anhörung des Innenausschusses die Mitnahme der Versorgung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis gefordert hatten, ließ sich die CDU/CSU nicht überzeugen und verhinderte eine entsprechende Regelung. Die Union ist demnach dafür verantwortlich, dass Beamte auch künftig schlechter gestellt sind als Arbeitnehmer, da diese ihre Betriebsrente bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht verlieren. Leider hat die SPD im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens die Forderung nach einer Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften gegen die Union nicht durchsetzen können. Wir bedauern dies, jedoch besteht die Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof in absehbarer Zeit die Gleichstellung der Lebenspartner im deutschen Beamtenrecht erzwingen wird.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Entscheidung FÜR das Dienstrechtsneuordnungsgesetz verständlich machen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn