Frage an Bettina Hagedorn von Stephan H. bezüglich Verkehr
Moin!
ich vernisse im Rahmen Beltbrücke seit Jahren eine offizielles Gutachten von Geophysikern und die ehrliche Neuberechnung der Brückenkosten unterteilt in Festlandanbindung bis zur Belt- brücke und dann Beltbrücke. Verwundert hat mich bei einer Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl auch, dass Herr Breitner (FDP) ein klares Pro-Bekenntnis vor Puplikum abgegeben hat, sonst keiner weiter. Nach der Wahl aber ein SPD-Abgeordneter des Landes klar und selbstsicher sich äußerte, dass die Brücke kommen wird und dies feststeht.
Sehr geehrter Herr Hedicke, lieber Stephan
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 2. Juni zum Thema Feste Fehmarnbeltquerung.
Ich befasse mich, wie Du als ehemaliges langjähriges SPD-Mitglied weißt, schon seit langer Zeit kritisch mit dem Thema Fehmarnbeltbrücke – als Ostholsteinerin und damit als unmittelbar Betroffene, aber auch auf Bundesebene als Haushälterin. Ich habe immer wieder deutlich auf die Gefährdung von mindestens 700 Arbeitsplätzen allein bei dem Fährbetrieb aufmerksam gemacht, da die Brückenbefürworter in ihren Kalkulationen von der Einstellung des Fährbetriebes ausgehen. Zusätzlich sind in der Tourismusregion Ostholstein – insbesondere auf Fehmarn selbst – während der langjährigen Bauphase zahlreiche Betriebe und Arbeitsplätze im Beherbergungs- und Gastronomiebereich in Gefahr, denn der Urlauber dort sucht Ruhe, Fitness und intakte Natur und will nicht Voyeur einer monströsen Baustelle sein. Ich sehe enorme Gefahren für Umwelt und Naturschutz, insbesondere für den sensiblen Ostseeraum. Die wachsende Kollisionsgefahr angesichts von 70 geplanten Brückenpfeilern und wachsendem Schiffsverkehr im Fehmarnbelt gerade durch die Einhüllentanker, die von und nach Kaliningrad mit Öl unterwegs sind, stellt eine echte Gefahr dar und wurde von mir mit Fachleuten auf dem Podium schon mehrfach bei Veranstaltungen beleuchtet (zuletzt im Oktober 2007 in Heiligenhafen).
Sowohl auf das mangelnde verkehrliche Konzept (die zweigleisige, elektrifizierte Bahntrasse, die ökologisch vernünftig ist, wird nicht vor 2025 fertig sein – es kommt also bis dahin mehr Verkehr nur auf die Straße statt auf die Schiene) wie auch auf die haushaltspolitischen Risiken habe ich vielfach öffentlich hingewiesen und mich bereits viele Male schriftlich an das Verkehrs- sowie an das Finanzministerium gewandt. Darüber kann sich jeder auf meiner Homepage ausführlich informieren. Allein in den vergangenen zwei Jahren habe ich acht Presseerklärungen herausgegeben und u.a. über die Investorenkonferenz im Jahr 2006, die Verhandlungen mit Dänemark über die Kostenverteilung und die Gefahr durch Schiffskollisionen - aber auch über den in diesem Zusammenhang bedeutsamen Verkauf von Scandlines - informiert. Die entsprechenden Pressemitteilungen vom 23.06.06, 06.10.06, 27.02.07, 15.06.07, 19.06.07, 29.06.07, 11.01.08 und 09.05.08 findet man auf meiner Homepage
(http://www.bettina-hagedorn.de/publikationen/presse/index.htm). Im gleichen Zeitraum habe ich rund neun Mal in meinem „Bericht aus Berlin“ (BaB) über die neuesten Entwicklungen zum Thema Beltquerung berichtet, nachzulesen ebenfalls auf meiner Homepage(http://www.bettina-hagedorn.de/publikationen/
bericht_aus_berlin/uebersicht_bab.htm) in den BaB-Ausgaben 24-28, 30-32 und 34. Die SPD Ostholstein hat sich auf dem Kreisparteitag am 1. Dezember 2007 in Grömitz klar positioniert: Unter der Überschrift "Zukunft der Vogelfluglinie" lehnt die SPD den Brückenbau ab. Die Vogelfluglinie, so der Beschluss, ist nicht nur für Ostholstein die wichtigste Verkehrsader, sondern auch die wichtigste europäische Verbindung von und nach Skandinavien und kann die zu erwartenden Verkehrsströme störungsfrei und effizient bewältigen. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass sich auf der von Dir angesprochenen Podiumsdiskussion bis auf Herrn Breitner von der FDP niemand für die Brücke ausgesprochen hat, da dort hauptsächlich Kommunalpolitiker der SPD Ostholstein anwesend waren.
Ich vermute, dass Du mit dem SPD-Abgeordneten, der sich positiv zur Brücke geäußert hat, den wirtschaftspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion Bernd Schröder meinst. Es ist bekannt, dass die Kieler Landtagsfraktion schon seit langem den Bau einer Festen Beltquerung befürwortet und sich dabei auf den Koalitionsvertrag der Großen Koalitionen in Kiel und Berlin von 2005 beruft. Da das Projekt in diesen Verträgen jedoch als Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) verstanden wurde, für das es – so der damalige Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Rohwer – „eine faire Risikoverteilung zwischen Staat und Wirtschaft geben müsse“ und diese „faire Risikoverteilung“ seitens der Wirtschaft im September 2006 zu Lasten des Staates aufgegeben wurde, können diese Verträge aus meiner Sicht nicht mehr zur Rechtfertigung dienen, dass die öffentliche Hand jetzt das gesamte Projekt zu Lasten der dänischen und deutschen Steuerzahler finanzieren soll. Wie es nun aussieht, kann von einem PPP-Projekt allerdings keine Rede mehr sein – das hat sogar der Staatsminister im Kanzleramt de Maizière im Herbst 2006 in einem Interview kritisiert. Obwohl die Wirtschaft in der Vergangenheit immer die angebliche Risikolosigkeit von Investitionen in das Projekt Feste Beltquerung betont hat, hat sie bei einer eigenen Risikobeteiligung letztlich "gekniffen": für mich ist das ein Indiz dafür, dass die Wirtschaft und insbesondere die Banken das Risiko für eine seriöse Refinanzierung über Mauteinnahmen viel höher einschätzen, als sie es bislang zugeben wollten, und darum mit eigenem Kapital nicht ins Risiko zu gehen bereit sind. Angesichts dieser Verschiebung zu Lasten der Steuerzahler, bin ich froh, dass die ursprünglich vorgesehene Teilung der Kosten zu je 50% zwischen Deutschland und Dänemark seit Ende 2006 „vom Tisch“ ist. Die Kosten für die Brücke zwischen Puttgarden/Ostholstein und Rødby sollen nun ausschließlich von Dänemark übernommen werden, so dass das Risiko für die drastisch steigenden Rohstoffpreise (Stahl!) und Baukosten, für die unsoliden Verkehrsprognosen (der Fährverkehr ist seit 2007 voll privatisiert und unterliegt nicht mehr dem Einfluss des dänischen Verkehrsministeriums – somit wird der Fährverkehr auch trotz Brücke nicht eingestellt und es gibt eine konkurrierende Verkehrsverbindung, die die prognostizierten Mauteinnahmen zum Kollaps bringen wird) und für die nach 2013 unsicheren EU-Zuschüsse ausschließlich bei Dänemark liegt. Deutschland finanziert allein die Hinterlandanbindung mit knapp 1 Mrd. Euro bis 2025, was aus meiner Sicht selbst dann gut angelegtes Geld ist, wenn es dauerhaft beim Fährverkehr bleiben sollte – Ausbau und Elektrifizierung von Schienenstrecken nach Skandinavien können auch Häfen in ihrer Verbindung und Kapazität in sinnvoller Weise stärken. Die finanzielle Beteiligung des Landes Schleswig-Holstein in Höhe von 60 Mio. Euro ist gemessen an den Gesamtkosten ein kleiner Beitrag – für das arme Land Schleswig-Holstein aber sehr viel Geld, das woanders fehlen könnte. Doch wie hoch auch immer die Kosten letztlich sein werden - ich halte es für illusorisch, dass sich die gewaltigen Investitionen bei diesem eher geringen Verkehrsaufkommen jemals über Mauteinnahmen refinanzieren lassen werden. Es scheint, als seien nicht nur der Warnow-Tunnel und der Herrentunnel in Lübeck als PPP-Projekte gescheitert und ein „Millionengrab“ – ich bin gespannt, ob das dänische Parlament (Folketing) dem Staatsvertrag zustimmen und diese unkalkulierbaren Kosten zu Lasten des dänischen Steuerzahlers übernehmen wird. Zu Deiner Frage nach einer „ehrlichen Neuberechnung der Brückenkosten“ muss ich Dich auf das Verfahren verweisen, das jetzt ansteht. Ich teile die Auffassung, dass die völlig veralteten Kostenprognosen angesichts galoppierender Rohstoff- und Baukosten völlig revidiert werden müssen – die Verantwortung dafür liegt aber bei den Bauträgern – also für die Brücke bei Dänemark. In Deutschland sind große Bauprojekte wegen der eskalierenden Kostenentwicklung der letzten Zeit schon als nicht finanzierbar gestoppt worden – prominentes Beispiel ist der bayrische Transrapid.
Auch die Kosten der Hinterlandverbindung werden von Deutschland neu kalkuliert werden müssen, was aber erst Ende 2009 möglich sein dürfte – wie die Bahn in einem Schreiben an mich vom 8. Mai 2008 bestätigte. Erst dann kann die Bahn konkrete Aussagen u.a. darüber treffen, WIE die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau der Strecke zwischen Lübeck und Puttgarden verwirklicht werden sollen. Es muss u.a. geklärt werden, ob die Strecke eventuell begradigt werden muss, um eine höhere Geschwindigkeit für Züge zu erreichen und inwiefern die Strecke aufgrund des moorigen Untergrunds (zwischen Neustadt und Großenbrode) überhaupt für große Güterlasten geeignet ist. Diese Variantenplanung müssen wir abwarten, bevor konkrete Aussagen über Möglichkeiten des Ausbaus unter umwelt-, lärm- und verkehrstechnischen Gesichtspunkten getroffen werden können. Entscheidend für die Kostenentwicklung wird vor allem sein, ob die jetzige Trassenführung verlegt und begradigt werden muss, was mindestens teilweise aus mehreren Gründen nicht unwahrscheinlich ist. Eine Trassenverlegung wird die Planungsabläufe zeitlich verzögern und die Kosten steigern. Z.Zt. sind darum „ehrliche Neuberechnungen“ unmöglich. Auf deutscher Seite hat der Bundesrechnungshof angekündigt nach Vorlage des Staatsvertrages dieses Werk und seine Grundannahmen zu prüfen und das Projekt eng zu begleiten – auch als Hilfestellung für die Beratungen der deutschen Abgeordneten.
Um zu Deiner Frage nach einem offiziellen Gutachten von Geophysikern zu kommen, möchte ich Dir kurz das weitere Verfahren darstellen. Nachdem im Juni 2007 zwischen Deutschland und Dänemark eine Gemeinsame Absichtserklärung beschlossen wurde, wird der Staatsvertrag im Entwurf auf dieser Grundlage erarbeitet und soll nach den Sommerferien als Entwurf unterschriftsreif sein (das war ursprünglich für Dezember 2007 geplant). Dieser Vertrag ist jedoch lediglich ein Entwurf, der anschließend in beiden Staaten ins parlamentarische Verfahren (in Bundestag und Bundesrat) geht - auf Bundesebene müssen parallel viele betroffene Ministerien eingebunden werden, die ihrerseits dann selbstverständlich Sachverständigengutachten beauftragen können. Dies sind das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt und die Bundesministerien der Finanzen, der Justiz, des Innern, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie für Wirtschaft und Technologie. Auch im Bundestag werden sich die entsprechenden Ausschüsse mit den jeweiligen Aspekten, für die sie zuständig sind, befassen – das reicht vom deutschen und internationalen Planungsrecht, vom Kosten-Nutzen-Verhältnis des Gesamtprojektes sowie seiner Priorisierung angesichts anderer Verkehrsprojekte von nationaler Bedeutung, von Aspekten der Schiffssicherheit bis hin zu den Gefahren für Natur und Umwelt – alle Ausschüsse können dazu Expertenanhörungen ansetzen und werden sich dem Dialog mit betroffenen Verbänden sicher nicht verschließen. Ich hoffe nun ausreichend aufgeklärt zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn