Frage an Bettina Hagedorn von Gerhard R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
zu: Lobbyisten und Abgeordnete gegen das Volk.
Im Bekanntenkreis gab es dazu folgendes Beispiel:
Der nachfolgend erwähnte und nicht realisierte Regierungsentwurf sollte eine leichtere Realisierbarkeit des Haftpflichtanspruchs nach Anwaltsfehlern ermöglichen.
Dazu:
www.rak-nbg.de
Zwischenprüfung am 26.11.2010. Winterabschlussprüfung 2011/I am 18./19. Januar 2011. Direktanspruch gegen die Berufshaftpflicht- versicherung?
Ursprünglich sollte (Regierungsenwurf) ein allgemeiner Direktanspruch gegen den Versicherer für alle Pflichtversicherungen eingeführt werden - vergleichbar der action directe in Frankreich oder dem Direktanspruch in der Kfz- Haftpflichtversicherung. Dann hätte der Mandant bei Eintritt eines Haftungsfalles einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherer geltend machen können. Für einen allgemeinen Direktanspruch wurden das Ziel der Vereinheitlichung des Versichertenschutzes im Pflichtversicherungsbereich und die damit verbundene Verbesserung des Verbraucher- und Versichertenschutzes sowie die leichtere Realisierbarkeit des Haftpflichtanspruchs angeführt. Der Regierungsentwurf wurde nicht umgesetzt: Nur in seltenen Ausnahmefällen gibt es einen Direktanspruch. Im Regelfall muss der Mandant gegen den Anwalt klagen. Beispiel: Eine vereinbarte Berufung scheitert, weil der Anwalt die Frist versäumt hatte. Der Mandant muss beweisen, dass in der Berufung ein besseres Ergebnis erzielt worden wäre. Laut Bekanntenkreis kommt es vor, dass der Anwalt dann dies bezweifelt. Muss der Mandant damit rechnen, dass der Anwalt während des Klageverfahrens erhaltene Informationen im Falle einer Klage gegen ihn verwendet?
Wenn weniger Haftpflichtansprüche durchgesetzt werden können, steigen die Gewinne beim Versicherer und und die Anwälte(Prämienstabilität) profitieren auch. Ob das auch mit Parteispenden honoriert wurde, können Sie mir vielleicht mitteilen.
Wird die SPD sich für einen Direktanspruch einsetzen?
Gruß
G. Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Direktanspruch gegen Berufshaftpflichtversicherungen bei Rechtsanwälten“. Sie beziehen sich darin auf die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, das am 05. Juli 2007 von der damaligen Großen Koalition im Bundestag verabschiedet worden ist – aktuell gibt es von keiner Seite Bestrebungen, das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erneut zu ändern. Dennoch möchte ich gerne auf die Fragen und Vorwürfe eingehen, die Sie in Ihrer Anfrage äußern. Wie Sie richtig schreiben, enthielt der damalige VVG-Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums – damals unter Führung der Sozialdemokratin Brigitte Zypries! – ursprünglich den Vorschlag, für alle Pflichtversicherungen einen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung einzuführen. Davon wäre selbstverständlich auch ein Schadensersatzanspruch bei Anwaltsfehlern erfasst gewesen, schließlich sind Rechtsanwälte gemäß § 51 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. In der parlamentarischen Beratung ist dieser im Regierungsentwurf vorgesehene allgemeine Direktanspruch gestrichen beziehungsweise auf drei konkrete Fallgruppen beschränkt worden: die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, wenn der Versicherungsnehmers insolvent ist oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Damit gibt es im aktuellen VVG einen Direktanspruch konkret für die Fälle, in denen ein Geschädigter in der Praxis häufig Schwierigkeiten hat, seinen Schaden vom Versicherungsnehmer ersetzt zu bekommen. Richtig ist also: Auch wenn der allgemeine Direktanspruch nicht Gesetz geworden ist, ist die 2007 beschlossene VVG-Reform ein Schritt in die richtige Richtung, damit Geschädigte ihre Schadensersatzansprüche verwirklichen können. Das wurde in der 2./3. Lesung des VVG-Reformgesetzes am 05. Juli 2007 übrigens sogar von der Opposition ausdrücklich anerkannt – Jerzy Montag, Grünen-Rechtspolitiker, kommentierte den eingeschränkten Direktanspruch: „Ich glaube (…) nicht, dass das ein herausragender Punkt ist, der uns zu einer Ablehnung zwingen müsste. Denn die Ausnahmen, die jetzt vorgesehen sind, sind ein kleiner Schritt nach vorne.“
Ein Argument, das auch in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses am 28. März 2007 für die Abschwächung des Direktanspruch-Vorschlags aus dem SPD-geführten Justizministerium vorgebracht wurde, betrifft die Beitragssätze für Pflichtversicherungen. So rechnete der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft auf Grundlage einer Studie des DIW etwa für den Bereich der Architektenhaftpflicht mit einer durchschnittlichen Prämienerhöhung auf den 2,5-fachen Satz, was gerade kleine und mittlere Architektenbüros in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könne. Dass Sie derartige ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung, die Abgeordnete im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens berücksichtigen und abwägen müssen, mit der Parole „Lobbyisten und Abgeordnete gegen das Volk“ zu brandmarken versuchen und demokratisch gewählten Abgeordneten ohne jegliche Grundlage Bestechlichkeit unterstellen, finde ich – offen gestanden – zutiefst populistisch und unangemessen. Ein weiteres Argument für die nun umgesetzte schwächere Form des Direktanspruchs war im übrigen, dass jenseits der Fallgruppen, für die er am Ende eingeführt wurde, der Direktanspruch nur selten praktisch benötigt wird. Wenn der Aufenthaltsort des Versicherten bekannt und dieser zahlungsfähig ist, kann sich der Geschädigte schließlich mit seinen Ersatzansprüchen gegen den Schädiger wenden und es ist gar nicht nötig, den „Umweg“ zur Versicherung zu wählen, die zur Aufklärung des Sachverhalts ohnehin wenig beitragen kann. Anders als Ihre Frage es suggeriert, würde die Einführung eines Direktanspruchs die materiellen Voraussetzungen, um etwa für Anwaltsfehler Schadensersatz zu erhalten, nicht absenken. Der Mandant müsste auch dann gegenüber der Versicherung darlegen, dass er durch die Pflichtverletzung seines Anwalts einen tatsächlichen Schaden erlitten hat, er den von Ihnen genannten Berufungsprozess gewonnen hätte. Wenn so ein Schaden nicht nachzuweisen ist, müsste eine Haftpflichtversicherung genauso wenig Schadensersatz leisten wie ein von ihr versicherter Anwalt. Die Debatte um den Direktanspruch hat damit nichts zu tun.
Sie haben auch die Frage gestellt, ob der Mandant bei Haftpflichtprozessen damit rechnen muss, dass der Anwalt während des Klageverfahrens erhaltene Informationen gegen ihn verwendet. Die Antwort darauf gibt § 2 Abs. 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA): „Die Pflicht zur Verschwiegenheit gilt nicht, soweit (…) Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern.“ Mit anderen Worten: Rechtsanwälte dürfen sich trotz ihrer Verschwiegenheitspflicht gegen möglicherweise unberechtigte Klagen ihres Mandanten wehren und dazu im Gerichtsverfahren grundsätzlich geschützte Informationen offenbaren. Es wäre allerdings auch unvernünftig, wenn Anwälte hier gar keine Möglichkeit hätten, sich selbst in solchen Situationen zu verteidigen.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn