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Bettina Hagedorn
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Frage von Joachim B. •

Frage an Bettina Hagedorn von Joachim B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

wie ich Ihren Daten entnehme haben Sie drei Kinder, denen Sie nach Ihrer Entscheidung zum ESM eine große Summe für deren Leben und eventuell den Enkeln mit auf den Weg geben wollen. Auch ich habe Kinder und Enkelkinder, bin bis zu meiner Rente im Bankwesen tätig gewesen und denke, selbst wenn auch deutsche Banken bei der Nicht-Zustimmung pleite gehen würden, könnten unsere Sicherungssysteme, wohlgemerkt nur für unser Land ausreichend sein. Nachdem ich den Artikel in der FAZ gelesen habe, erkannte ich einige meiner Gedanken wieder und mache mir auch selbst große Sorgen. Ich denke, es ist für jeden Abgeordneten schwer und ich respektiere deren Freiheit der Entscheidung. Doch als Bürger sehe auch ich meine Pflicht, meiner Abgeordneten meine Gedanken zu senden. Wie werden Sie bei der Bankenunion abstimmen?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

Ihr Joachim Boecker

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Boecker,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema "Bankenunion". Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich auf Ihre Fragen erst heute antworte. Dafür gibt es einen sehr persönlichen Grund: Ich bin seit Jahren für meine Eltern vorsorgeberechtigt und mein Vater ist im Juni verstorben. Monatelang standen darum neben meiner Arbeit vor allem er und nach seinem Tod meine psychisch und gesundheitlich sehr beeinträchtigte Mutter im Zentrum meines Alltags - es gab natürlich auch viele Angelegenheiten, die ich deshalb für sie zu regeln hatte, weswegen sich diverse Briefe und Mails in meinen Büros unerledigt stapelten. Ab September kamen für mich als stellvertretende Vorsitzende des SPD-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss die wochenlangen Haushaltsberatungen sowie die regelmäßigen Debatten zur Euro und Finanzkrise hinzu, sodaß ich es einfach nicht geschafft habe, alle liegen gebliebenen Vorgänge aufzuarbeiten. Dafür bitte ich um Verständnis.
Als langjähriges Mitglied des Haushaltsausschusses, der in Fragen der europäischen Finanzkrise federführend ist, beschäftige ich mich schon lange und sehr ausführlich mit Themen der EFSF, des ESM, des Fiskalpaktes sowie den Finanzhilfen für Griechenland, Portugal, Irland sowie seit Sommer 2012 für Spanien. In unseren Diskussionen im Haushaltsausschuss spielt seit langem auch der Vorschlag einer "Bankenunion" - verknüpft mit einer zentralen Aufsicht und einem zentralen Sicherungssystem für die europäischen Banken - eine Rolle, da Kanzlerin Merkel auf europäischer Ebene genau diesen Vorschlag nicht etwa vom Tisch gewischt hat, sondern dazu Voraussetzungen formulierte, die zu Recht als "schwammig" bezeichnet werden können. Damit ist ein "Tor" geöffnet worden, und wir sprechen darüber, wie wir die Bedingungen für eine von Merkel in Aussicht gestellte Bankenunion so "festklopfen" können, dass sie aus deutscher Sicht verantwortbar sein kann. Eine starke und einheitliche Aufsicht über grenzüberschreitend tätige europäische Großbanken halte nicht nur ich für durchaus sinnvoll, um eine bessere Regulierung des Finanzsektors und eine effektive Bekämpfung systemischer Risiken zu erreichen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die gegenwärtige "Euro-Krise" zu ganz wesentlichen Teilen dadurch ausgelöst wurde, dass die EU-Mitgliedstaaten Banken mit Steuergeld vor der Pleite retten mussten, die sich auf dem amerikanischen Immobilienmarkt dramatisch verspekuliert hatten. So eine Vergesellschaftung privater Verluste muss in Zukunft schon im Vorfeld verhindert werden!

Sie schreiben, dass sie beruflich aus dem Bankwesen kommen und Kinder und Enkel haben, für deren Zukunft Sie sich zu Recht verantwortlich fühlen. Da geht es mir ähnlich: mein Vater war Banker, ich habe in 20 Jahren ehrenamtlicher Kommunalpolitik im Finanzausschuss gearbeitet und jetzt in 10 Jahren als Bundestagsabgeordnete ebensolange im Haushaltsausschuss. Und auch ich habe nicht nur 3 Söhne, sondern auch schon 2 Enkelkinder. Sie können also sicher sein: auch mir geht es vorrangig um die Verantwortung für die Zukunft der kommenden Generation.

Und genau deshalb habe ich Bedenken hinsichtlich der Pläne der Bundesregierung, in Zukunft die direkte Rekapitalisierung von Banken aus dem Rettungsschirm ESM möglich zu machen. Bislang war es ein zentraler Grundsatz der europäischen Rettungspolitik, dass es keine Haftung der europäischen Staatengemeinschaft für die Schulden und Risiken von Banken geben kann. Der europäische Steuerzahler darf und soll den Banken und Investoren die Haftung für spekulative Anlagen nicht abnehmen - Risiko und Haftung dürfen in einer Marktwirtschaft nicht auseinanderfallen. Deshalb sehe ich die Juli-Beschlüsse zur Finanzhilfe für Spanien, in denen eine direkte Bankenfinanzierung durch den ESM in Aussicht gestellt wird, sehr kritisch und habe mich bei der Abstimmung über den spanischen Hilfsantrag im Deutschen Bundestag der Stimme enthalten.

Den von Peer Steinbrück am 25. September 2012 vorgestellten Plan eines bankenfinanzierten Restrukturierungsfonds für Großbanken halte ich dagegen für richtig und für erheblich gerechter als den Weg der Bundesregierung, die Kosten der Bankenrettung erneut auf den Steuerzahler abzuwälzen. Die Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 hat gezeigt, dass eine unkontrollierte Bankenpleite angesichts der enormen Verflechtungen im Finanzsektor unabsehbare Folgen haben kann. Die Konsequenz darf aber nicht sein, dass Banken sich darauf verlassen können, im Zweifel vom Staat gerettet zu werden - im Gegenteil. Ein effektives europäisches Bankeninsolvenzrecht würde sicherstellen, dass auch bei systemrelevanten Banken nicht der Staat die Haftung übernimmt, sondern die Eigentümer für Risiken einstehen müssen und bei einem Scheitern der Bank die Gläubiger an den Verlusten beteiligt werden. Erst dann würde der bankenfinanzierte Rettungsfonds eingreifen.

Klar ist jedenfalls, dass es eine Lösung der aktuellen Krise nicht ohne eine Stabilisierung des europäischen Bankensektors geben wird. Die SPD fordert daher schon seit geraumer Zeit eine verstärkte Finanzmarktregulierung, die Trennung von konservativem Kreditgeschäft und hochspekulativem Investmentbanking, eine bessere Eigenkapitalausstattung der Banken sowie eine schlagkräftige europäische Bankenaufsicht. Das alles muss zügig umgesetzt werden, damit der Steuerzahler nicht für Risikogeschäfte von Banken haftet!

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir als SPD-Bundestagsfraktion die Vorschläge der Bundesregierung für eine "Bankenunion", die im Moment noch nur auf europäischer Ebene beraten werden, intensiv und kritisch. Ob ich einem Konzept der Regierung am Ende werde zustimmen können, kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen - das wird sehr von den Details des Vorschlags abhängen.

Am 12. Dezember 2012 haben wir als SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit den Grünen einen eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir unsere Forderungen und Erwartungen für eine Europäische Bankenunion formulieren - diesen Antrag, der auf die Details der Bankenunion eingeht, werden Sie hier (bitte verlinken: http://www.spdfraktion.de/themen/rot-gr%C3%BCn-will-banken-strenger-regulieren) finden.

Mit den besten Wünschen für eine frohe Weihnachtszeit und einen guten "Rutsch" ins neue Jahr verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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