Frage an Bettina Hagedorn von Hermann S. bezüglich Finanzen
Wo und wie kann man erfahren, welche Zahlungen Frau Schmidt wegen der privaten Nutzung eines Dienstwagens für den Spanien-Aufenthalt abgeführt hat. Insbesondere interessieren dabei die Lohnkosten, die Ersparnis an Kfz-Steuer , die Versicherungsbeiträge einschl. der Abnutzung, weil ja immer der "geldwerte Vorteil" zugrunde gelegt werden soll, also das was der "Normalbürger" auch zu tragen hat.
MfG
H. Schröder
Sehr geehrter Herr Schröder,
Sie haben sehr kleinteilige Fragen in Bezug auf die private Nutzung des Dienstwagens während des Spanienurlaubs von Frau Schmidt gestellt, die ich in dieser Differenziertheit weder beantworten kann noch will. Ihr Vergleich mit dem „Normalbürger“ ist – mit Verlaub – unangemessen, weil in Deutschland – wie in allen anderen Ländern der Welt auch – Regierungsmitglieder Privilegien haben, die mit ihrem überdurchschnittlichen dienstlichem Engagement zu tun haben. Zu beurteilen ist dann die Abgrenzung von dienstlicher und privater Nutzung und die - nach den Richtlinien für Regierungsmitglieder - korrekte Erstattung. Diese Überprüfung ist durch die Behörde geschehen, die dafür zuständig ist: durch den Bundesrechnungshof, der weisungsungebunden und unabhängig agiert. Unter http://www.bmg.bund.de/ finden Sie den bereits am 5. August vom Ministerium veröffentlichten Brief des Bundesrechnungshofs, in dem klargestellt wird, dass Frau Schmidt dem Bundeshaushalt in keiner Weise Schaden verursacht hat und dass die Trennung dienstlicher und privater Fahrten korrekt erfolgt ist. Das endgültige Ergebnis der Überprüfung lag im August vor und war im Beisein der Ministerin und des Bundesrechnungshofes ebenso wie die Beauftragung einer Privatkanzlei für einen Gesetzentwurf durch Wirtschaftsminister von Gutenberg und das Geburtstagsessen für Herrn Ackermann mit 30 Gästen im Kanzleramt durch Kanzlerin Merkel Gegenstand einer stundenlangen – nicht öffentlichen - Debatte im Haushaltsausschuss, dessen Mitglied ich bin. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich während dieser stundenlangen Debatte bei allem Respekt vor oppositionellem Wahlkampfgeplänkel mehrfach fragte, ob wir in Deutschland angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrise mit allen Auswirkungen für die Menschen nicht eigentlich wichtigere Dinge zu diskutieren hätten.
Lassen Sie mich zweierlei klar stellen: Ich habe zu denjenigen gehört, die – auch öffentlich – vom ersten Tag der so genannten „Dienstwagenaffäre“ das Handeln von Ulla Schmidt unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit als „instinktlos“ bezeichnet habe. Bei dieser Bewertung mache ich keinerlei Abstriche. Dennoch bin ich entsetzt, wie Medien und Öffentlichkeit bei der Beurteilung von Vorgängen im „Sommerloch“ und Vorwahlkampf offenbar sämtliche Maßstäbe abhanden gekommen sind:
Da wird die skandalöse Boni-Zahlung von 2,9 Mio. € an den HSH-Vorstand Nonnenmacher nach wenigen Tagen aus den Schlagzeilen verbannt, da wird weder wochenlang problematisiert, dass der CDU-Finanzminister in Schleswig-Holstein Wiegard diesen Vertrag im Dezember 2008 abgesegnet und darüber geschwiegen noch dass sein „Chef“ CDU-Ministerpräsident Carstensen das Kieler Parlament zu diesem Vorgang wissentlich belogen hat – stattdessen graben „Focus“ und CDU jetzt Protokollnotizen von 2003 (!) aus, bei denen SPD-Spitzenkandidat Ralf Stegner als einer von 20 Aufsichtsratsmitgliedern einer Investition von 60.000 € auf den Cayman-Islands zugestimmt haben soll. Mit Objektivität hat eine solche Presseberichterstattung nichts zu tun.
Und Gleiches gilt auch für die Presselandschaft im Hinblick auf Ulla Schmidt und die private Dienstwagennutzung: wochenlang wurde dieses Thema in den Medien „gekocht“ und das teilweise in einem Ton, der – milde ausgedrückt - absolut unangemessen war. In etwa zum gleichen Zeitpunkt erschienen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, nach denen die Ärztehonorare im Durchschnitt um 7,8 % im 1. Quartal 2009 gestiegen waren - in Niedersachsen übrigens um 17,6 % und in Berlin um 32,7 %. Gab es dazu ein spürbares Presseecho? Und das, nachdem die Medien uns monatelang berichtet hatten, dass Deutschlands Ärzte unmittelbar am finanziellen Abgrund stünden – übrigens nachdem (Steuer)geld im Milliardenumfang zu ihren Gunsten von der Politik (durch Ministerin Ulla Schmidt) _zusätzlich_ zur Verfügung gestellt wurde und nachdem Ärztefunktionäre die Verteilung dieses Einnahmeplus offensichtlich in eigener Zuständigkeit nicht gerecht unter den Fachärzten verteilt hatten. In einigen Arztpraxen hängen seit Monaten Plakate von Ulla Schmidt, wo in verhetzender Art und Weise zur Abwahl von Ulla Schmidt aufgerufen wird unter dem Motto (wörtlich): „Wählen Sie was Sie wollen. Aber nicht die SPD.“ Die Ärzte in Schleswig-Holstein quittieren die 10 € Praxisgebühr auf einer „Protestquittung“, auf der steht: „Diese Gesundheitspolitik macht krank, wählen wir Sie ab.“ – ich habe noch NIE einen kritischen Presseartikel zu dieser Kampagne gelesen. Erinnern wir uns daran, dass die Krankenkassen in unverschämter Weise in diesem Sommer milliardenschwere Forderungen an den Staat erhoben, um die (Schweine)grippe-Impfung in Deutschland zu bewerkstelligen - Presseecho? Man muss Ulla Schmidt nicht mögen – aber sie ist die dienstälteste Gesundheitsministerin auf einem Regierungsstuhl, der in der Vergangenheit stets ein Schleudersitz war. In Norddeutschland würde man sagen: Sie hat Haare auf den Zähnen. Vornehm ausgedrückt: sie ist eine unbestritten kompetente und durchsetzungsstarke Ministerin, was im „Haifischbecken“ Gesundheitspolitik überlebenswichtig ist. Bei den Ärztefunktionären, bei den Krankenkassen und in der Pharmaindustrie ist ihr Beliebtheitsgrad deswegen möglicherweise gering – es ist aber im Interesse der Beitragszahler, Patienten und Wähler, dass IHR Geld gegen die Begehrlichkeiten der Funktionäre, Verbände und Wirtschaft bewahrt wird. Die Medienkampagne im August 2009 gegen Ulla Schmidt spielte vor allem jenen in die Hände, die sich liebend gerne einer kämpferischen Gesundheitsministerin entledigt hätten, um künftig ihre eigenen Interessen leichter durchsetzen zu können. Ich wünsche mir, dass Sie, Herr Schröder, meine Sichtweise ein wenig nachvollziehen können.
Mit freundlichen Grüßen