Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?
Sehr geehrter Herr Herrmann,
nach der Sommerpause soll der Bundestag noch über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmen. In der neuen Vorlage geht es u.a. um die Aufhebung der jährlichen Sektorenziele.
Wie soll Ihrer Meinung nach das 1,5 Grad Limit von Paris, dem Ihre Partei ja auch zugestimmt hat, eingehalten werden, wenn
a) das künftige KSG noch weicher formuliert wird als das aktuelle KSG
und
b) das aktuelle KSG schon nicht ausreicht, weil es noch bis 2045 erlaubt Treibhausgase auszustoßen, während wir die maximalen 1,5 Grad wahrscheinlich bis 2030 überschreiten werden?
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ihre Sorgen über die Verfehlung der Ziele zum Klimaschutz sind nachvollziehbar und sehr ernst zu nehmen.
Wir Bündnisgrüne haben stets deutlich gemacht, dass wir mit den Entwicklungen in den vergangenen 16 Jahren nicht zufrieden sein können und dass es unsere Aufgabe ist, eine 180 Grad Wende, im Bestreben nach einer sozial-ökologischen Gesellschaft, zu gestalten.
Dass dieser Wandel nicht von einigen wenigen getragen werden kann, sondern auf einem breiten Fundament aus Bürger:innen, Mandatsträger:innen und Unternehmer:innen gebaut werden muss, ist für den Erfolg von enormer Bedeutung.
Die aktuelle, von den Wähler:innen herbeigeführte, Konstellation im deutschen Bundestag schafft viele Herausforderungen beim Bau dieses Fundamentes und sorgt dafür, dass jeder noch so kleine Erfolg hart erkämpft werden muss.
Dennoch haben wir uns der Verantwortung nicht entzogen und uns der Aufgaben gestellt. In der bisherigen Legislaturperiode konnten bereits wichtige Weichen für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens gestellt werden. Sei es das Voranbringen des Schienennetzes oder die Verkürzung von Fristen und Genehmigungsverfahren für den Ausbau Erneuerbarer Energien.
Im Bereich der Bürgerenergie, eines meiner Herzensthemen, konnten wir großartige Fortschritte erreichen. Die großen Energieversorger haben unterdessen erkannt, dass das Festhalten an Kohle zur Stromerzeugung durch die steigende CO2-Bepreisung längst nicht mehr wirtschaftlich tragbar ist und der Ausstieg, entgegen jeglicher haltloser Versprechungen von Oppositionspolitiker:innen und Lobbyvertreter:innen, deutlich vorgezogen wird. Auch mit dem kürzlich beschlossenen Gebäudeenergiegesetz wurde ein weiterer grundlegender Pfeiler gesetzt.
Es gehört zum demokratischen Diskurs und zur parlamentarischen Arbeit, für seine Forderungen und Vorstellungen Mehrheiten zu beschaffen. Dazu benötigt man, aktuell mehr denn je, neben Verhandlungsgeschick natürlich auch ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft. Einer dieser Kompromisse wird die Anpassung des Klimaschutzgesetzes sein, die bereits im Koalitionsvertrag verhandelt wurde. All die oben genannten Errungenschaften wären nicht möglich gewesen, ohne Zugeständnisse an unsere Koalitionspartner:innen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf nicht ohne Änderungen beschlossen werden wird. Unsere Aufgabe muss es daher sein dafür zu sorgen, dass das Klimaschutzgesetz als grundlegende Maßgabe bei allen zukünftigen politischen Entscheidungen die Richtung vorgibt. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch dieses Ziel erreichen können. Zudem wird es auch ohne verbindlicher Sektorenziele deutlich erkennbar bleiben, in welchen Bereichen die größten Verfehlungen zugrunde liegen. Welche konkreten Maßnahmen dann jeweils ergriffen werden müssen, wollen wir selbstverständlich auch in der folgenden Wahlperiode mitentscheiden.
Meine Kolleg:innen in der Fraktion und ich werden daher weiterhin jede noch so kleine Chance wahrnehmen und für jede mögliche Verbesserung im Kampf gegen den Klimawandel streiten.
Natürlich stehen wir aktuell an einem Scheidepunkt und wir bewegen uns noch immer zu stark in die falsche Richtung. Dennoch glaube ich an die Kraft, die Vernunft und die Wandlungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns von Störfeuern und Realitätsverweigerern die Hoffnung nehmen zu lassen, sondern müssen gemeinsam den richtigen Weg einschlagen.
Für Ihre Frage und das damit verbundene Engagement danke ich Ihnen daher sehr und möchte Sie ermutigen, auch zukünftig kritisch zu hinterfragen und unsere Arbeit aufmerksam zu beobachten.
Mit besten Grüßen,
Bernhard Herrmann