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Bernhard Herrmann
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Frage von Ulrike S. •

Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen?

Sehr geehrter Herr Herrmann,
meine Tochter ist seit 2021 an CFS erkrankt und kann daher momentan nicht zur Schule gehen. Anlässlich der Diskussion zum Antrag 20/4886 der CDU/CSU am 19.01.2023 im Bundestag waren sich alle Fraktionen einig, dass den Erkrankten dringend geholfen werden muss. Ich würde gern wissen, ob Sie diesem Antrag zustimmen werden. Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank und freundliche Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage und bitte entschuldigen Sie meine späte Rückmeldung.

Als erstes möchte ich Ihnen sagen, dass es mich berührt und es mir sehr leidtut, dass Ihre Tochter und Sie dies durchleben müssen. Als Elternteil fällt es einem nicht leicht, sein Kind leiden zu sehen und ich kann nur erahnen, wie es Ihnen damit geht.

Mich haben einige Schreiben von Menschen mit ME/CFS-Erkrankung und deren Angehörigen erreicht, die ihren Unmut über die unzureichende Versorgungslage äußerten. Meine Fraktion und ich wissen um die großen Einschnitte im Leben sowie die schwierige Lage, in der die ME/CFS-erkrankten Patient:innen und ihre Angehörigen durch ihre Einschränkungen im Alltag und zum Teil den dauerhaften Pflegebedarf sich befinden. Zudem ist uns bewusst, dass sie im Gesundheitssystem vielfach auf Unverständnis treffen, dass Fehldiagnosen gestellt werden oder einzelne Ärzte:innen für Diagnosen teilweise viel privates Geld verlangen, wenn Betroffene bei Ärzt:innen mit Kassenzulassung teilweise über lange Zeiträume keine Termine erhalten.

Sie können sich gewiss sein, dass wir all diese Probleme sehr ernst nehmen und die Thematik einen wichtigen Platz auf der politischen Agenda der Ampel-Fraktionen und insbesondere der Grünen einnimmt. Bereits zu Oppositionszeiten und vor Beginn der Corona-Pandemie haben wir Grüne uns für die Verbesserung der Versorgungssituation von ME/CFS-Erkrankten eingesetzt (siehe Drucksache 19/12204 vom 7. August 2019). Nicht zuletzt hat ME/CFS als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden; wir haben uns auf die Verbesserung der Forschung und der Versorgung verständigt.

Auch befassen wir uns fraktionsübergreifend bereits seit dem Frühjahr 2022 im Rahmen einer Petition damit, welche Verbesserungen seitens der Politik möglich und nötig sind, um die Änderungen zur Versorgung von ME/CFS-Patient:innen im Gesundheitswesen anzustoßen. Die entsprechende Petition ist auch weiterhin „offen“ und es finden kontinuierlich Gespräche der Berichterstatter:innen aller Fraktionen statt, in denen gemeinsam beraten wird, welche politischen Schritte und Beschlüsse Sinn machen, um Betroffenen bestmöglich zu helfen.

Auch wenn es keinen Gesetzestext oder Koalitionsantrag gibt, der den Namen „ME/CFS“ trägt, so haben wir als Ampel doch seit Beginn der Legislatur Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern:

Zur Forschungsförderung sind Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro für 2022 und 2023 bewilligt und werden bereits bewirtschaftet. Im Vergleich zu anderen Forschungsfeldern gibt es eine hohe Bewilligungsquote von Forschungsanträgen (etwa 1/3 der Summe aller beim Bundesministerium für Forschung und Bildung eingegangenen Anträge wurden bewilligt). Dazu gehört beispielweise eine klinische Studie an der Charité Berlin, in deren Rahmen aktuell die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient:innen mit Long-Covid und Chronischem Fatigue Syndrom erforscht wird. Dies ist sehr wichtig, um potenzielle Behandlungsmöglichkeiten auf verschiedene Wirkstoffe auszuweiten. Gleichzeitig gibt es auch Mittel für eine geplante Studie in Erlangen mit dem Medikament BC 007, das bislang in einigen wenigen Heilversuchen bei Long-Covid-Patient:innen erfolgreich getestet wurde.

Ein zentrales Anliegen von uns Grünen ist es, gemeinsam mit den Ampel-Partner:innen die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern, damit mehr Menschen schneller eine Diagnose bekommen aufgrund derer sie adäquat behandelt werden können. Dazu wurde nun der Gemeinsame Bundesausschuss, der die inhaltlichen Vorgaben der gesundheitlichen Versorgung macht, per Gesetz beauftragt. Er soll bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnlichen Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS erarbeiten. Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden muss. Außerdem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um den Betroffenen einen ersten Anlaufpunkt zu geben und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote adäquat zu informieren und zu beraten.

Darüber hinaus sind wir bemüht, die politische und wissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema anzuregen, um die Erkrankung bekannter zu machen. Zu diesem Zweck haben wir als Ampel und als Grüne Fraktion bereits verschiedene Veranstaltungen organisiert.

Obwohl ME/CFS als Erkrankung schon seit 1969 anerkannt ist, haben die CDU/CSU-geführten Vorgängerregierungen diese über 16 Jahre lange ignoriert, obwohl wir Grüne, wie oben erwähnt, die vorherige Regierung nachdrücklich dazu aufgefordert haben, sich des Themas endlich anzunehmen. Erst seitdem wir als Ampelkoalition die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt haben und bereits entscheidende Verbesserungen eingeleitet haben, hat auch die CDU/CSU-Fraktion das Thema für sich entdeckt. Viele ihrer Forderungen werden entweder bereits umgesetzt, sind in Planung oder gehören nicht in unseren Einflussbereich. So kann die Bundesregierung beispielsweise weder Curricula für die Fortbildungen von Mediziner:innen selbst festlegen noch kann sie selbst Schwerpunktarztpraxen und -kliniken finanzieren. Schaufenster-Anträge mit Appellen und Forderungen an Gremien, auf die wir keinen Einfluss haben, bringen uns nicht voran – zielführende fraktionsübergreifende konstruktive Zusammenarbeit aber schon.

Mit besten Grüßen
Bernhard Herrmann

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