Wie möchte die SPD den Fachkräftemangel angehen, während man bei der Migrationsdebatte in der Kerbe der extremen Rechte schlägt?
Sehr geehrter Herr Rützel,
bis 2035 werden voraussichtlich 68.000 Lehrkräfte fehlen, im ÖPNV droht ein Personalmangel, bis 2049 fehlen der Pflege 690.000 Kräfte und in Kitas fehlen 430.000 Arbeitnehmer.
All das sind Zahlen aus der Presse in diesem Jahr und des sind bei weitem nicht alle.
Uns fehlt eine Riesenmenge an Personal und unsere Geburtenrate liegt nach wie vor unter 1,6.
Gleichzeitig führen wir gerade öffentlich eine Debatte, die nicht mehr zwischen Asyl, gewollter und ungewollter Migration unterscheidet. Und fast alle Parteien schlagen gerade in der Kerbe der NPD/AFD.
Wie gedenkt die SPD diesen Missstand zu ändern, während wir gerade der Welt zeigen, bei uns ist man nicht willkommen?
Warum beteiligt sich die SPD an dieser vergifteten Debatte und lässt sich von den Extremisten vor sich her treiben?
Mit freundlichen Grüßen
Michael B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich weise allerdings entschieden zurück, dass die SPD in der Migrationsdebatte in die Kerbe der extremen Rechten schlägt. Die SPD steht zum Grundrecht auf Asyl und arbeitet für eine humane Asylpolitik, die solidarisch von allen EU-Mitgliedstaaten getragen wird. Daneben kümmern wir uns um legale und attraktive Einreisemöglichkeiten für Fachkräfte aus dem Ausland.
Denn mit Ihren Hinweisen auf den bereits bestehenden und künftig noch stark zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel rennen Sie bei mir und bei meiner Partei offene Türen ein. Wir brauchen fleißige Hände und kluge Köpfe aus der ganzen Welt – auch um unseren Lebensstandard zu erhalten.
Deshalb haben wir am 23. Juni 2023 eine Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Deutschen Bundestag verabschiedet mit den drei Säulen Erfahrung, Qualifikation und Potenzial. Damit haben wir die Einwanderung von Arbeitskräften erleichtert, deren Qualifikation zwar nicht formal anerkannt ist, die aber zusätzlich passende Berufserfahrung mitbringen. Wir haben ein Punktesystem eingeführt, um den qualifizierten Kräften aus dem Ausland eine gute Arbeits- und Bleibeperspektive in Deutschland zu geben.
Außerdem haben die Spitzen der Ampelkoalition in ihrer Einigung zur Wachstumsinitiative weitere Erleichterungen für die Fachkräftezuwanderung vereinbart. So soll die Bindungsfrist der Bundesagentur für Arbeit für die Vorabzustimmung verlängert werden, um unnötige Bürokratie zu begrenzen und im Fall einer ausstehenden Arbeitserlaubnis eine erneute Prüfung nach sechs Monaten zu vermeiden. Auch die Einwanderung von ausländischen Arbeitnehmern in die Zeitarbeit soll erlaubt werden, sofern ab dem ersten Tag der Beschäftigung der Grundsatz des „equal pay“ befolgt wird und eine Mindestbeschäftigungsdauer von 12 Monaten vereinbart wird. Die Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes soll durch eine verbesserte Visavergabe und durch Digitalisierung beschleunigt werden.
Eines können wir aber nicht von in der Regierungskoalition oder im Deutschen Bundestag beschließen: Wir brauchen ein Umfeld, in das Fachkräfte aus dem Ausland gerne kommen möchten, weil sie sich sicher und willkommen fühlen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten.
Freundliche Grüße
Bernd Rützel