Frage an Bernd Rützel von Bernd G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rützel,
im letzten Newsletter von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) steht:
"am Sonntag sagte Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD, der Tagesschau: mit Bezug auf die Autobahnen: "Eine Privatisierung ist ausgeschlossen". Oppermann bezog sich auf Absprachen im Koalitionsausschuss, der vergangenen Woche getagt hatte...
Oppermanns Aussagen zur Privatisierung sind eine Täuschung. Die vorgeschlagenen Änderungen und Korrekturen, von denen Oppermann spricht, ändern an den grundsätzlichen und umfassenden Privatisierungsmöglichkeiten gar nichts.
Wäre Oppermann am 27. März in der Bundestagsanhörung gewesen, wüsste er: Die Privatisierungsmöglichkeiten, die sich durch die vorgeschlagenen 13 Grundgesetzänderungen ergeben, sind so umfangreich, dass Flickschusterei dagegen nicht hilft. Laura Valentukeviciute von GiB hat das als Sachverständige in der Anhörung in klaren Worten dargestellt. Ihre Aussage wurde mehrfach bestätigt durch Sachverständige, die von der Koalition selbst eingeladen wurden. Der von der SPD eingeladene Prof. Georg Hermes erklärte, dass das Eigentum an Autobahnen, der Autobahngesellschaft und allen Tochtergesellschaften nicht ausreicht, um Privatisierung zu verhindern. Entscheidend ist das sogenannte Nießbrauchrecht - die Erlaubnis, die Maut einzuziehen. Prof. Christoph Gröpl – von der CSU eingeladen – äußerte in diesem Zusammenhang die Sorge, "dass der Bund die Türe zu einer Privatisierung in einem Ausmaß aufstößt, die in diesem Umfang von der Öffentlichkeit noch nicht erahnt wird".
So ist die SPD für mich nicht wählbar. Sind Sie bereit sich dafür einzusetzen, dass die Rechte der Bürger am Gemeineigentum nicht eingeschränkt und die nur für eine verdeckte Privatisierung nötige Autobahngesellschaft nicht beschlossen werden?
Sehr geehrter Herr Greschke,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Anlass der Diskussion ist ein Maßnahmepaket, das die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der 16 Länder gemeinsam mit der Bundeskanzlerin im Zuge der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs am 14. Oktober 2016 beschlossen haben. In diesem Gesetzespaket sind neben dem Länder-Finanzausgleich, der künftig maßgeblich zu Lasten des Bundes finanziert werden soll, auch so unterschiedliche Themen wie die Digitalisierung in Bund, Ländern und Kommunen, die Verlängerung des Unterhaltsvorschusses über das 12. Lebensjahr hinaus, ein 3,5 Mrd.-Euro-Paket für finanzschwache Kommunen für die Bildungsinfrastruktur mit „Aufweichung“ des bestehenden Kooperationsverbotes im Grundgesetz sowie die von Finanzminister Wolfgang Schäuble beabsichtigte „Reform der Auftragsverwaltung der Bundesautobahnen“ (und Bundesfernstraßen) enthalten.
Der Gedanke einer Reform der Auftragsverwaltung im Bereich der Straßen des Bundes ist nicht neu und findet auch im Koalitionsvertrag Erwähnung. Es spricht einiges dafür, Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb in eine Hand zu legen. In meiner Fraktion wird dies seit langem diskutiert, wir haben Experten befragt und Gutachten erstellen lassen. Das Ergebnis war ein Positionspapier, das wir im Januar 2016 verabschiedet haben und an dem wir uns selbstverständlich weiterhin orientieren. Seit Mitte Oktober 2016 hat Finanzminister Schäuble gemeinsam mit Verkehrsminister Dobrindt Entwürfe zur Umsetzung des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 14.10.2016 erarbeitet. Der federführend zuständige Haushaltsausschuss hat hierzu nicht nur am 27.03.2017 zwei Anhörungen durchgeführt, sondern auch am 06.03. und am 20.03. je zwei. In diesen insgesamt sechs Anhörungen haben Verbände, Experten, Wissenschaftler und Sachverständige aus der Praxis Vorschläge zur Verbesserung der Gesetze in über 50 Gutachten vorgelegt. Viele haben sich dabei kritisch zu den Vorschlägen von Schäuble geäußert. Die Anhörungen und Gutachten gilt es nun auszuwerten. Das Ergebnis werden - in Abstimmung mit dem Koalitionspartner - zahlreiche Änderungen am Regierungsentwurf sein. Die ursprünglich bereits für den 30.03.2017 geplante Verabschiedung der für die Einführung der Infrastrukturgesellschaft erforderlichen Grundgesetzänderung ist verschoben worden. Sie soll nun Ende Mai stattfinden.
Der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 29.03.2017 unterstützt die privatisierungskritische Haltung der SPD-Bundestagsfraktion. Dort heißt es: „Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben. Der Beschluss der MPK regelt das unveräußerliche Eigentum der Infrastrukturgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften im Grundgesetz. Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird nicht erfolgen. Die Beschaffung im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) erfolgt nur auf der Ebene von Einzelprojekten. Das bedeutet, dass ÖPP im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen ist.“ Auch diesen Beschluss werden wir genau prüfen und auf mögliche Schlupflöcher untersuchen.
Um es klar zu sagen: Ich bin gegen eine Privatisierung unserer Autobahnen und Fernstraßen!
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Rützel