Frage an Berivan Aymaz von Uli B. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Liebe Frau Aymaz,
nachdem das Flüchtlingslager im griechischen Moria abgebrannt ist, stellt sich die drängende Frage nach humanitärer Hilfe für die dort (wieder) obdachlosen Menschen. Obwohl sich viele Kommunen und Städte in Deutschland bereit erklärt haben, Flüchtlinge aufzunehmen, hat sich unser verehrter Innenmister Seehofer gegen eine umgehende humanitäre Hilfe ausgesprochen. Wir müssen, so Herr Seehofer, auf eine europäische Lösung warten (die aber seit 2015 ausgeblieben ist und die nicht zeitnah zu erwarten ist).
Ich appelliere an Sie, sich für die obdachlosen Flüchtlinge aus Moria einzusetzen und eine möglichst zeitnahe Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Wie ist Ihre Position zu dieser Frage in dieser Situation?
Herzliche Grüße aus Much
Uli Baldauf
Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie eine schnelle Aufnahme von Schutzbedürftigen fordern, die sich in den Flüchtlingscamps auf der griechischen Insel Lesbos befinden.
Darauf möchte ich Ihnen gerne auch in meiner Funktion als Sprecherin für Flüchtlings- und Integrationspolitik der Grünen Landtagsfraktion NRW antworten.
Durch eine jahrelange Politik des Wegschauens ist eine menschenunwürdige Unterbringungs- und Versorgungssituation manifestiert worden und zwar sowohl im Herzen, als auch an den Außengrenzen Europas. In Moria wie in den anderen Lagern auf Lesbos und auch in Lipa bei Bihać an der bosnisch-kroatischen Grenze.
Klar ist: Es muss Schluss sein mit einer Politik des Wegduckens, die sich lediglich mit Betroffenheitsrhetorik begnügt. Es ist beschämend, dass die gemeinsame Reise nach Lesbos von Ministerpräsident Laschet und Flüchtlingsminister Stamp im August 2020 bis heute ergebnislos geblieben ist.
Für uns Grüne sind die Zustände humanitäre Katastrophen mit Ansage. Und wir setzen uns ein für einen menschenwürdigen Umgang mit Schutzbedürftigen. Das haben wir in NRW an vielen Stellen über die letzten Jahre deutlich gemacht:
- Bereits im April 2019 haben wir uns an die Seite der Kommunen und der Zivilgesellschaft gestellt und ein schnelles Aufnahmeprogramm im Rahmen der privaten Seenotrettung gefordert.
- Im März 2020 riefen wir die schwarz-gelbe Landesregierung in einem Antrag dazu auf, sich für ein bundesweites Sofortprogramm einzusetzen, mit dem ein Kontingent von 5.000 besonders schutzbedürftigen Geflüchteten kurzfristig aus den Hotspot-Camps in Griechenland nach Deutschland geholt werden kann. Für die anschließende Verteilung, Unterbringung und Versorgung der Betroffenen haben wir zu einer engen Kooperation zwischen der Landesregierung und den aufnahmebereiten Kommunen in NRW aufgerufen.
- Im September 2020 – unmittelbar nach dem verheerenden Brand im Lager Moria – haben wir die Situation auf Lesbos zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Plenum des Landtags gemacht, in der wir von Ministerpräsident Laschet wissen wollten, welchen Beitrag er denn nun tatsächlich aus NRW zur Lösung der humanitären Katastrophe auf Lesbos leisten will.
- Im selben Monat haben wir ein Landesaufnahmeprogramm in NRW eingefordert. Diese Position haben Monika Düker, unsere damalige Fraktionsvorsitzende, und ich in unseren Reden im Plenum deutlich gemacht.
- Und erneut hatte ich mich in 2020 vor diesem Hintergrund auch dem Weihnachtsappell zahlreicher Politiker*innen aus verschiedenen Landesparlamenten angeschlossen und Land und Bund aufgefordert, Aufnahmeprogramme für die Geflüchteten auf den griechischen Inseln auf den Weg zu bringen.
- In unserem Antrag „Humanitäres Totalversagen vor den Toren und im Herzen Europas“ hatten wir Anfang 2021 die schwarz-gelbe Landesregierung wiederum eindringlich aufgefordert, sich endlich an die Seite der zahlreichen solidarischen Kommunen zu stellen.
- In meiner Rede im Plenum am 27. Januar 2021 hatte ich auch eindringlich an den damaligen Ministerpräsidenten, Armin Laschet, in seiner neuen Rolle als CDU-Bundesvorsitzender appelliert und ihn dazu aufgerufen, mit einem Landesaufnahmeprogramm unter Beweis zu stellen, wie ernst er es mit einer humanitären Flüchtlingspolitik meint.
- Mit dem Ende der Luftbrücke aus Afghanistan nach Deutschland, verlangte ich im August 2021 in einem Antrag wiederum die Fortsetzung der Evakuierung Schutzbedürftiger Menschen aus Afghanistan.
- Und wie zuvor, so auch jetzt – während des Angriffskriegs auf die Ukraine – handelt die Landesregierung nur zögerlich, anstatt sich rasch und solidarisch an die Seite der Flüchtenden zu stellen. Dazu habe ich in einer Pressemitteilung am 2. März 2022 Stellung genommen und von Herrn Stamp gefordert schnell die Organisation der Unterbringung der Menschen aus der Ukraine in die Hand zu nehmen.
Während die schwarz-gelbe Landesregierung also seit Jahren untätig bleibt, sind es die Kommunen, Kirchen und die Zivilgesellschaft, die eine treibende Kraft von „unten“ für unbürokratische, schnelle Hilfe für Schutzbedürftige sind. Inzwischen mischen sich 297 Kommunen in ganz Deutschland - davon 91 in NRW - aktiv ein und erklären sich als „Sichere Häfen“ mit vielen Resolutionen und Ratsbeschlüssen zur humanitären Aufnahme von zusätzlichen Geflüchteten bereit. Die Kommunen verdienen also unsere volle Unterstützung. Sie wollen Schutzbedürftige aufnehmen, auch weil ihr Verständnis von Europa an die Werte von Humanität und Solidarität gebunden ist.
Ich freue mich, Sie, Herr B., bei diesem Anliegen an unserer Seite zu wissen und kann Ihnen versichern, dass ich mich weiterhin intensiv für die Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen und bosnischen Flüchtlingscamps sowie aus Afghanistan und der Ukraine stark machen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Berivan Aymaz