Beate Walter-Rosenheimer
Beate Walter-Rosenheimer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rita N. •

Frage an Beate Walter-Rosenheimer von Rita N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Walter-Rosenheimer,

im Wahlprogramm heißt es:

„...dass die Kammern als Interessenvertretung der ganzen Wirtschaft durchsichtiger und demokratischer werden und mehr kleine und mittlere Unternehmen für ihre Gremien gewinnen müssen. Sonst ist eine Pflichtmitgliedschaft nicht länger vertretbar ist.“

Wo sind konkrete, ultimative Forderungen, um z.B. folgende Zustände umgehend abzustellen:

- in den Gremien der Handwerkskammern gibt es lediglich eine Drittelparität (IHKn haben dagegen echte Parität).
- Bei Handwerkskammern dürfen auf Arbeitnehmerseite nur Gesellen an den Wahlen teilnehmen. Nicht wählen dürfen Büroangestellte, Ungelernte und Auszubildende.
- Beschäftigte müssen sich bei ihren Chefs eine Wahlberechtigung erbitten.
- Alle 5 Jahre muss in den 52 Handwerkskammern die Vollversammlung gewählt werden. Seit den 50er Jahren hätten so einige hundert Wahlgänge stattfinden müssen. Laut BT 17/6844 fanden aber nur drei echte Wahlgänge statt. Der Rest waren Friedenswahlen.
- Das Listenwahlsystem lässt echte Opposition nicht zu.

Das alles ist seit 60 Jahren so.
- Was muss geschehen / unterbleiben, damit Grüne einen Reformvorschlag der Handwerksordnung zu o.g. Punkten vorlegen? Oder, weil das Wahlprogramm von Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft spricht:
- Was muss geschehen, damit Grüne die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft angehen?

Ich möchte es einfach weniger schwammig formuliert haben!

Basisdemokratie war ein Grundsatz der Grünen. Seit 30 Jahren machen Grüne Politik und beobachten ebensolange die Situation in den Kammern. Im aktuellen Wahlprogramm langt es aber nur für eine so butterweiche Formulierung zur demokratischen Verfassung in den (Handwerks)Kammern. Das enttäuscht mich sehr.
Frau Walter-Rosenheimer ich hoffe darauf, dass Sie mir an dieser Stelle auf eine trittfeste Interpretation des o.g. Satzes liefern!

Danke

Beate Walter-Rosenheimer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Nyhuis,

vielen Dank für Ihre Fragen und Anregungen.

Wir sehen das Kammernprinzip nur dann weiter vertretbar, wenn die Organisationen transparenter und demokratischer werden. Außerdem sehen auch wir die Schwierigkeit, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind mit ihren Interessen zum Teil unterrepräsentiert sind.

Handwerkskammern übernehmen eine Vielzahl von Aufgaben. Sie sind aufgrund der Wahrnehmung dieser öffentlich-rechtlicher Aufgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts durch gesetzliche Grundlage zur Erhebung von Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder ermächtigt. Diese Rechtsgrundlage bedarf allerdings immer wieder einer Legitimation.

Die von Ihnen vorgebrachten Kritikpunkte sehen daher auch wir als problematisch an. Insbesondere das Demokratiedefizit stellt in Frage, inwiefern die Kammern tatsächlich die Interessen aller zugehörigen Unternehmen und Angestellten repräsentieren. Die geringe Wahlbeteiligung darf nicht dazu verleiten, bequeme Friedenwahlen abzuhalten. Vielmehr muss das geringe Engagement ein Ansporn sein, herauszufinden, wie die Beteiligung verbessert werden.

Analog zu den Reformvorschlägen für IHKen der Grünen in NRW (siehe: http://www.gruene-nrw.de/details/nachricht/selbstverwaltung-der-wirtschaft-staerken-effiziente-kundennahe-offene-und-demokratische-indust.html) sehen wir entsprechenden Handlungsspielraum bei den Handwerkskammern. Von Interesse wird für Sie eventuell auch das Positionspapier "Kammern der Zukunft" der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2011 sein: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/kammern_der_zukunft.pdf

Die sehr kurze und allgemein gehaltene Formulierung im Wahlprogramm ist sicherlich nicht zuletzt der Fülle des Werks geschuldet. Sie können aber davon ausgehen, dass wir für die neue Legislaturperiode Schritt für Schritt konkrete Änderungen und Reformvorschläge prüfen und angehen möchten. Außerdem wollen wir auch die Meisterpflicht unter die Lupe nehmen und prüfen, inwiefern sich die Reformen von 2004 ausgewirkt haben und welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Walter-Rosenheimer

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