Frage an Beate Müller-Gemmeke von Stefan H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke!
Nach dem EuGH Urteil zum Arzneimittelversand und der Preisbindung stelle ich mir viele Fragen teils auch in Bezug zur Haltung der SPD und Grünen (Parteien wie Fraktionen).Nachdem sich Herr Lauterbach gegen ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausspricht, weil er eine Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen zu erkennen glaubt, verstehe ich als Apotheker die Welt nicht mehr. Die nicht gerade apothekenfreundliche Politik in Deutschland (egal ob das einschlägige Ministerium von SPD, Grünen oder FDP besetzt war) hat doch erst dazu geführt, dass ein solcher Mangel zu befürchten steht (etwa 10% aller Apotheken, nicht zuletzt in ländlichen Gebieten, mussten in den vergangenen ca 10 Jahren schliessen oder fanden keinen Nachfolger(in) mehr). Nun wird der erzeugte Mangel also befürchtet?
Die in der Öffentlichkeit häufig zu vernehmende Ansicht, es existierten zu viele Apotheken in Deutschland passt irgendwie wiederum nicht zu der Tatsache, dass Deutschland eine im europäischen Vergleich unterdurchschnittliche Anzahl von Apotheken pro 100.000 Einwohnern aufweist.
Die Apotheken verursachen etwa 2,3% aller Kosten im Gesundheitswesen und sollen an so vielem schuld (weil zu teuer) sein?
Vernichtete man alle Apotheken in Deutschland so, blieben doch etwa 97,7% aller Kosten immer noch bestehen... ist dies die Lösung der Finanzprobleme im deutschen Gesundheitssystem? Und wer macht die bestehende Arbeit gänzlich ohne Bezahlung (denn nur so könnte man die o.g. etwa 2,3% wirklich einsparen)?!
Keines der Länder, welche die Versorgung mit Arzneimitteln liberalisiert hat,(wie z.B.USA oder GB) schwimmt im Bereich Gesundheit im Geld...ist das nicht auch eine Aussage? Offenbar scheinen andere Faktoren für das Wohl oder Wehe eines Gesundheitssystems viel bedeutsamer zu sein.
Viele Fragen, die sich meine Mitarbeiterinnen und ich angesichts einer immer stärker bedrohten Zukunft stellen.
Ich bitte herzlich um Antworten und verbleibe
Mit freundlichem Gruß, S. Hartert
Sehr geehrter Herr Hartert,
vielen Dank für Ihre Frage zum EuGH-Urteil zur Medikamentenpreisbindung und zur Zukunft der Apotheken.
2004 wurde mit Zustimmung von SPD, CDU und Grünen der Versandhandel erlaubt und trägt seitdem für viele Patientinnen und Patienten zur Arzneimittelversorgung bei. Gerade für Patientinnen und Patienten mit komplexen chronischen Erkrankungen oder auch in sehr dünn besiedelten ländlichen Räumen ist der Versandhandel ein echter Zugewinn.
Für uns Grüne steht aber fest: Der Versand ist eine gute Ergänzung, das kann aber keinesfalls ein Ersatz für die vielen, wichtigen Leistungen der Präsenzapotheken sein. Die persönliche Beratung, die kurzfristige Arzneimittelherstellung und das Angebot von Nacht- und Notdiensten müssen unbedingt erhalten bleiben.
Es stimmt, die Zahl der Apotheken nimmt ab. Allerdings nur in einem geringen Maße. Heute gibt es etwa 1.000 Apotheken weniger als 2007. Demgegenüber steht, dass die Zahl der in öffentlichen Apotheken beschäftigten Apotheker_Innen seit 1990 deutlich gestiegen ist und auch der durchschnittliche Umsatz von Apotheken wächst.
Wir Grünen meinen nicht, dass die Apotheken der Grund für die katastrophale finanzielle Lage des Gesundheitssystems sind. Ganz im Gegenteil: Apotheken spielen eine wichtige Rolle in unserem grünen Konzept einer aufeinander abgestimmten und Sektor übergreifenden regionalen Versorgung. Vor allem in ländlichen und sozial benachteiligten Regionen kommt es auf die gute Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe, auch der Apothekerinnen und Apotheker an. So muss etwa bei der Planung von Ärztehäusern oder Medizinischen Versorgungszentren auch die Arzneimittelversorgung durch Apotheken von Beginn an mitgedacht werden. Auch die Digitalisierung kann die Stellung der Apothekerinnen und Apotheker in der Versorgung stärken. Wichtig ist, dass die Apotheken beim Medikationsplan und beim Medikationsmanagement stärker eingebunden sind und das elektronische Rezept endlich umgesetzt wird.
Die Zunahme chronisch erkrankter und älterer Menschen mit eingeschränkter Mobilität stellt die Daseinsversorgung insbesondere in dünn besiedelte Regionen vor Probleme. Zukünftig wird es auch um mehr gehen als nur um die Abgabe von Medikamenten. Sie als Apotheker sind als fachkundiger Partner für die Patientinnen und Patienten und für die Ärzteschaft von großer Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke