Frage an Aydan Özoğuz von Andreas R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Özoguz,
Ich bin selbst gerade in der Endphase meines technischen Hochschulstudiums. Wie viele Studierende erwäge auch ich, ins Ausland zu gehen.
Ich habe umgekehrt den Eindruck, dass die Migrationspolitik in Deutschland völlig wahllos verläuft. Am Ende kommen keine Fachkräfte nach Deutschland (die ziehen in Länder wo man nicht so wahllos ist, etwa nach England, Kanada, Schweden), sondern Geringqualifizierte, die sofort Anspruch auf Sozialleistungen haben, was ihnen nicht zu verübeln ist, wenn sie diese wahrnehmen.
Erschreckend und bezeichnend ist für mich das folgende Interview von tagesschau.de mit dem Migrationsexperten Klaus J. Bade:
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5663794_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html
Auf Dauer ist eine Drift der Intelligenz ins Ausland zu erkennen, die erschreckend ist und für die deutsche Wirtschaft existenziell sein wird. Wie wollen Sie diesen Trend stoppen? Etwa mit dem im Interview erwähnten Punktemodell?
Grüße
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
Ihrer Analyse stimme ich zunächst einmal zu.
Aber auch Herr Bade hat - nach meiner Meinung - durchaus Recht in seinen Antworten. Nun sind Interviews immer nur kleine Ausschnitte zu einem recht komplexen Thema, daher will ich es auch nicht näher bewerten.
Tatsächlich haben wir in Deutschland nur eine sehr verengte Sicht auf Zuwanderung. Anders lässt es sich kaum erklären, dass die Bevölkerung meist eher dazu neigt, die Parteil zu wählen, die gegen doppelte Staatsbürgerschaft, lange Zeit gegen ein Zuwanderungsgesetz (ja auch gegen das erwähnte Punkte-System), etc. ausspricht. Auch mit Abschiebungen machen Politiker gerne "Punkte", was in meinen Augen höchst zynisch zu bewerten ist. Es zeigt aber, dass wir es einfach nicht schaffen, zu verstehen, wie wichtig Zuwanderung für jedes Land ist - vor allem für überalternde Bevölkerungen in Europa. Und wie heißt es so schön: Die Konkurrenz schläft nicht. Was in anderen Ländern beispielsweise erfolgreichen Studierenden angeboten wird, davon können wir nur träumen. Ich möchte es nicht zu lang machen, aber so gastfreundlich wir während dieser WM sind, so wenig aufgeschlossen sind wir bisher dafür gewesen, Menschen davon zu überzeugen, dass sie zu uns kommen und hier leben können.
Maßnahmen gibt es natürlich viele, aber in dieser Gemütslage eben schwierig zu realisieren. Denken Sie mal an die Green Card Geschichte. Das war ein zarter Versuch. Aber wenn am Ende nur dabei herauskommt, dass diese "Hochqualifizierten", die wir so gern haben wollten, ihre Familien nicht mitbringen dürfen und nach fünf Jahren das Land wieder verlassen sollen, wer bitte, soll denn das attraktiv finden??
Ich hielte auch das im Interview erwänhnte Punkte Modell für ein ganz wesentliches. Hier kann man nämlich Menschen nach ganz klaren Kriterien, die Zuwanderung ermöglichen. Bei uns findet zurzeit hauptsächlichen und fast ausschließlich Familienzusammenführung statt. Das wird uns selbst nicht dazu bringen, für unser Land zu werben. Aber Sie wissen, dass die CDU - trotz der Idee der Süssmuth Kommission dieses Punkte-System einzuführen, es nicht durch den Bundesrat gelassen hätte.
Wir dürfen natürlich nicht darin nachlassen, auf die Notwendigkeit der Zuwanderung hinzuweisen. Vielleicht wird es helfen, wenn wir aus den bisher in der Migrationspolitik gemachten Fehlern besser lernen. Ich habe damit begonnen, in der Migrationspolitik für meine Partei neue Vorschläge zu erarbeiten.
Den ersten Teil finden Sie auf unserer homepage wwww.spd-fraktion-hamburg.de.
Mit freundlichen Grüßen,
Aydan Özoguz