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Aydan Özoğuz
SPD
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Frage von Michael B. •

Frage an Aydan Özoğuz von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Staatministerin Özoğuz,

Erdogans AKP erreichte das Beste Wahlergebnis in Europa – in Deutschland. Damit stützten Wähler bzw. tolerieren Nichtwähler eine Regierung, die Einschränkungen an der Pressefreiheit vornimmt, eine bewaffnete Auseinandersetzung gegen Kurden führt - und Waffen an den IS liefert. Sogar die Immunität oppositioneller Abgeordneter wurde aufgehoben. Das geht nicht ohne Überzeugungsarbeit.
Die Macht Erdogans AKP scheint eng mit Erdogans Fähigkeit verbunden zu sein, in Deutschland Wähler zu mobilisieren:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerken-in-deutschland-waehlten-erdogan-partei-akp-a-1060661.html

Erdogans AKP nimmt auf vielfältige Weise Einfluss auf Deutschland: AKP-nahe Fernsehsender erreichen Wohnzimmer in Deutschland, die türkischen Regierung finanziert 900 Imame in Deutschland. Anwaltskanzleien gehen gegen Autoren in Deutschland vor.
Im Abschnitt „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern“ des Verfassungsbericht 2014 werden lediglich die Aktivitäten türkischer Oppositionsparteien aufgeführt (PKK, Türkische Kommunistische Partei) gelistet.

Werden nur linke Oppositionsparteien der Türkei in Deutschland überwacht – während die Einflussnahme der Regierung, Erdogans AKP geduldet wird?
https://www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht-2014.pdf

Verliert die SPD Wählerstimmen, da Erdogan hierzulande konservative Inhalte verbreitet?

Welche Möglichkeiten hat die türkische Opposition Wähler hierzulande zu erreichen?

Warum gibt es nicht schon längst einen türkisch-sprachigen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk in Deutschland, der linken, Andersdenkenden eine Plattform bietet?
Durch die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei entstand eine Versorgungslücke in der Medienlandschaft. In der Türkei verfolgte Journalisten könnten hierzulande beschäftigt werden, die hier lebenden Türken bezahlen für dafür bereits Rundfunkbeiträge.

mit freundlichen Grüßen,
Baumeister

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Baumeister,

vielen Dank für Ihre vielschichtigen Fragen zur Türkei. Die Geschehnisse der vergangenen Wochen und Monate zwingen im Grunde tagtäglich zu einer neuen Einschätzung der Situation in der Türkei – gerade die von Ihnen thematisierte Behandlung der Opposition sowie Einflussnahme der AKP in Deutschland sind höchst schwierige Themen. Schwarz-Weiß-Malerei wird der Wirklichkeit der Geschehnisse natürlich auch nicht gerecht.

Zunächst einmal haben Sie recht: Auch in Deutschland hat Präsident Erdoğan eine sichtbare Anhängerschaft. Aber man kann nicht sagen, dass der Erfolg der türkischen AKP unmittelbar von türkischen Wählerinnen und Wählern in Deutschland abhängig ist. Dafür ist die Zustimmung für ihn innerhalb der Türkei alleine schon groß genug und die Anzahl der Wähler hier in Deutschland nicht wahlentscheidend.

Bemerkenswert war zuletzt die Tatsache, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung – darunter sogar viele Erdoğan-Gegner – klar gegen den Putschversuch positionierten. Eine gewaltsame Entmachtung des Präsidenten scheint also selbst bei vielen Oppositionellen nicht als richtiger Weg angesehen zu werden. Interessant war auch das Verhalten der teils regierungskritischen Medien in der Türkei, die die Bevölkerung informierten und gegen den Putsch mobilisierten. Umso tragischer sind die von Erdogan ergriffenen politischen Maßnahmen, die allem Anschein nach eine große Schwächung demokratischer Strukturen in der Türkei bedeuten. Sein Umgang mit diesem Sturzversuch, allem voran die Überlegungen zur Todesstrafe, lassen auch eine – zugegebenermaßen von Seiten Europas nie wirklich intensiv vorangetriebene – Mitgliedschaft in der EU in die Ferne rücken.

Mit Bezug auf Deutschland sehe ich natürlich auch Grenzen der Einflussnahme. Eine Beurteilung darüber, wer vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte und wer nicht, ist jedoch grundsätzlich von den Sicherheitsbehörden vorzunehmen und nicht von Politikern. Ich möchte an dieser Stelle trotzdem darauf hinweisen, dass in der Europäischen Union und somit auch in Deutschland die PKK seit 2002 als terroristische Organisation eingestuft ist. Selbstverständlich werden aber z.B. auch faschistische Organisationen beobachtet.

Unabhängig von der dramatischen Lage und den starken außenpolitischen Belastungen derzeit, bewegt mich als Regierungsbeauftragte für Migration, Integration und Flüchtlinge vor allem der Riss, der sich auch in der deutsch-türkischen Community zu zeigen beginnt. Hier müssen wir sehr aufpassen, dass sich innere Konflikte der Türkei nicht weitergehend auf unser friedliches gesellschaftliches Zusammenleben bei uns auswirken. Dazu gehört auch, den teils seit Generationen in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln zu vermitteln, dass sie zu diesem Land gehören. So kann auch einer Einflussnahme von außen am einfachsten vorgebeugt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoğuz, MdB

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