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Aydan Özoğuz
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Aydan Özoğuz von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr gehrte Frau Özoguz,

verstößt ein Staat gegen das Asylrecht, wenn er den Schutz in einem außereuropäischen Flüchtlingslager gewährt und zuerst den Schwächsten(Kinder) hilft?

Hat schon jemand darüber nachgedacht, ob Deutschland in der Türkei ODER im Nordirak ein Lager für Flüchtlinge eigenverantwortlich errichten, verwalten und finanzieren sollte?

Vorschlag: Unverzüglicher Bau mit anschließender öffentlicher Bekanntmachung:

"Hier werden nur Kinder und ihre Eltern aufgenommen. Nach 4 Jahren könnte eine Weiterreise nach Deutschland geprüft werden, wenn vorher die deutsche Sprache erlernt wurde und mindestens 1 Elternteil eine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Im Lager gibt es Schulen für die Kinder und Ausbildungsmöglichkeiten für Erwachsene.

Wenn vorübergehend freie Plätze im Lager fehlen, werden Anmeldungen empfohlen, die später in der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt werden. In der Übergangszeit müssen Sie Hilfe in anderen Staaten suchen.

Der Aufenthalt im deutschen Lager ist für Sie die einzige Möglichkeit, in Deutschland Asyl zu erhalten!
Eine Überforderung des deutschen Staates wäre auch nachteilig für Asylsuchende. Möglicherweise werden bald auch andere europäische Staaten in Ihrer Nähe ein Flüchtlingslager errichten."

Meine Überlegung:

So kann Deutschland weiterhin helfen, ohne vom Verhalten Anderer abhängig zu sein. Die Kosten für das große Lager werden weniger belastend als die in Deutschland und Europa entstehenden Nachteile(u.a. Grenzschließungen!) sein.

Kinder müssen nicht länger auf dem Weg nach Deutschland sterben!

Nach Ablauf der 4 Jahre ist die Integration viel leichter.

Wenn der Krieg vor 4 Jahren beendet wird: Rückkehr der Flüchtlinge in ihre
Heimat und keine Belastung der Kommunen durch diese Flüchtlingsgruppe.

Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre interessante Frage. Ich finde es gut, dass Sie sich, auf der Suche nach einer politischen Lösung der aktuellen Situation, Gedanken über den Tellerrand hinaus gemacht haben. Ihre Idee wurde im vergangenen Jahr sogar schon einmal zumindest in ähnlicher Form öffentlich diskutiert. Hier ging es jedoch um mögliche Einrichtungen der EU in Nord- oder Westafrika, um den starken Wanderungsbewegungen – gerade in Hinsicht auf die lebensgefährliche Mittelmeerpassage – früh zu begegnen. Auch in dieser Debatte wurde jedoch schnell deutlich: Solche Asylzentren können nicht viel mehr leisten, als die Menschen vor Ort über ihre Chancen auf Asyl in Europa zu informieren. Die Bearbeitung von Anträgen ist rein rechtlich kaum vorstellbar, da mitunter, z.B. in Libyen, nicht die gleichen rechtsstaatlichen Bedingungen vorherrschen. Wie Sie richtig festgestellt haben, ist ein Asylantrag vom Ausland aus, gar nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar. Man könnte genau so wenig festschreiben, dass der mehrjährige Aufenthalt in einem solchen „Auffanglager“ die einzige Möglichkeit für einen Asylantrag darstellt. Das Recht auf Stellung eines Asylantrags in Deutschland ist ebenfalls im Grundgesetz verankert und für mich nicht verhandelbar. „Exterritoriale Asylprüfzentren“ von Unterzeichnerstaaten in anderen Staaten wären insoweit also höchstens eine Ergänzung des bestehenden Systems des internationalen Flüchtlingsschutzes und können dieses nicht ersetzen. Als Orte für solche „Prüfzentren“ kämen Drittstaaten in Frage, die von den Schutzsuchenden nach ihrer Flucht aus ihrem Herkunftsstaat durchquert werden. Mir ist allerdings unklar, welchen Vorteil diese Prüfungen in Drittstaaten in den Fällen bringen würden, in denen ein Schutzgesuch abgelehnt wird. Die Betroffenen würden sich wohl in der Regel mit einer Ablehnungsentscheidung kaum abfinden und weiterhin versuchen, nach Europa zu kommen, um dort (erneut) einen Asylantrag zu stellen. Wenn ein Staat Menschen schützen will, die noch nicht auf sein Staatsgebiet oder an seine Grenze gelangt sind, besteht schon jetzt die Möglichkeit, gemeinsam mit dem UNHCR, Flüchtlinge bzw. andere schutzbedürftigen Personen aufzunehmen. Das hat Deutschland mit seinen humanitären Aufnahmeprogrammen für syrische Staatsangehörige in den letzten Jahren getan. Darüber hinaus besteht auch ein permanentes Resettlement-Programm, das mit UNHCR durchgeführt wird. Ich glaube auch nicht, dass sich das UN-System, wie Sie es andeuten, als untauglich erwiesen hat. Das Problem ist jedoch, dass viele Geberländer ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind und dadurch viele Lager (beispielsweise in Jordanien) unter katastrophalen Nahrungsengpässen leiden. Hier ist die internationale Gemeinschaft gefordert.

Sie haben natürlich Recht, was die besondere Rolle der Türkei bei der Bewältigung der aktuellen Situation anbelangt. Eine Verbesserung der Lage vieler hunderttausend Flüchtlinge aus dem Irak, Syrien oder Afghanistan ist ohne eine Zusammenarbeit mit der Türkei undenkbar bzw. aussichtslos. Die Türkei spielt insoweit nicht nur eine zentrale Rolle bei der unmittelbaren Aufnahme und Unterbringung der Schutzsuchenden aus diesen Ländern. Humanitäre Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft ist insoweit unerlässlich. Die türkische Flüchtlingspolitik hat aber auch unmittelbare Auswirkungen auf die Situation in Europa oder genauer in der Europäischen Union. Fehlt es an Unterstützung für die türkische Flüchtlingspolitik oder bleibt diese zu schwach, werden viele Flüchtlingsfamilien entscheiden, weiterzuwandern und sich – teilweise mit Kleinkindern – erneut in gefährliche Situationen begeben. Das kann niemand wollen. Deshalb hat die EU eine Kooperation mit der Türkei vereinbart, die sowohl humanitäre Hilfen umfasst als auch die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei. Unabhängig von der Kooperation mit der Türkei müssen die Staaten der Europäischen Union ein gemeinsames, solidarisches Prinzip entwickeln, durch das die Lasten der Flüchtlingsunterbringung- und –versorgung fair auf alle Mitgliedsländer verteilt wird. Die Entwicklungen der vergangenen Monate, die von starker Abschottung einzelner Staaten und wenig vom Gemeinschaftssinn geprägt waren, habe ich als sehr enttäuschend empfunden.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoğuz, MdB

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