Frage an Aydan Özoğuz von Klaus-Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Özoguz,
im Hamburger Abendblatt erschien am 5./6. September 2015 ein halbseitiger Leitartikel von Matthias Iken.
Überschrift:
Große Chancen, große Risiken. Was tun? Flüchtlinge dürfen träumen- wir nicht.
Die Debatte um eine Willkommenskultur braucht mehr Ehrlichkeit.
Ein wichtiger ungekürzter Absatz aus dem insgesamt sehr aufschlussreichen Leitartikel: " Der syrische Arzt, der durch die öffentlich- rechtlichen Sendungen gereicht wird, ist eine Bereicherung. Er stellt aber, wie alle Fachleute hinter vorgehaltener Hand zugeben, eine kleine Minderheit dar. Andere Flüchtlinge haben eben nur eine rudimentäre Schulbildung oder sind gar Analphabeten. Und auch die, die eine Ausbildung mitbringen, können niemals auf den Stand sein, den deutsche Unternehmen erwarten".
Das klingt aber alles vollständig anders, als uns noch bis vor wenigen Tagen unsere Volksvertreter vorgegaukelt haben! Sie erinnern sich bestimmt! Angekündigt wurden immer mehrheitlich super ausgebildete Fachkräfte auf die unsere Wirtschaft angeblich dringend wartet. Überwiegend Akademiker. Ingenieure, Rechtsanwälte, Zahnärzte, Kardiologen und Herz-Chirurgen!
Fragen: Was wollten insbesondere auch die Regierungspolitiker mit dieser gezielt unwahren Falschinformation bezwecken? Hat man den Flüchtlingen damit nicht mehr geschadet als genutzt? Werden die Flüchtlinge die so geweckte Erwartungshaltung erfüllen können! Uns Bürger wollte man diesen Flüchtlingsstrom als einzige Erfolgsstory für unsere Wirtschaft und den Arbeitsmarkt verkaufen! Ich sehe da einen bewusst kalkulierten Missbrauch! Befürchten Sie nicht, dass die Stimmung in Erkenntnis der absichtlich unter das Volk gebrachten Falschinformationen kippen wird? Ich bin sauer! Jetzt erfahren wir täglich mehr! Haben wir Bürger keinen Anspruch von der Politik vollständig und ehrlich informiert zu werden? Ich sehe realistisch größte Integrationsprobleme auf dem Arbeitsmarkt! Gesellschaftlich nach aller bisherigen Erfahrung sowieso!
Beste Grüße
K.-P.Steinberg
Sehr geehrter Herr Steinberg,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ihre Vorwürfe einer „gezielt unwahren Falschinformation“ der Bevölkerung weise ich zurück. Mir sind keine Äußerungen von Volksvertretern bekannt, in denen „vorgegaukelt“ wurde, es kämen nur oder mehrheitlich hochqualifizierte Flüchtlinge nach Deutschland.
Das Recht auf Asyl ist strikt vom Bereich der Arbeitsmigration zu trennen und gilt für jede Person, die Verfolgung nachweisen kann – gänzlich unabhängig von der beruflichen Qualifikation.
Viele der zuletzt in Deutschland angekommenen Asylbewerber, gerade aus vom Krieg verwüsteten Herkunftsländern wie Syrien oder Somalia, werden für eine lange Zeit, manchmal sogar für immer in Deutschland ihre neue Heimat haben. Diese Menschen gilt es schnellstmöglich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das beinhaltet vor allem, dass sie schnell die deutsche Sprache lernen, aber eben auch eine zeitnahe Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Für die unbestritten existierenden Fachkräfte unter den Flüchtlingen mag dies etwas schneller realisierbar sein, andere werden zunächst eine Ausbildung oder Nachqualifizierung machen müssen. Da viele Unternehmerinnen und Unternehmer keine Auszubildenden mehr finden (die Zahl der gemeldeten unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen erreichte im Ausbildungsjahr 2013/14 mit 37.100 im langjährigen Vergleich einen neuen Höchststand, siehe Berufsbildungsbericht 2015) sind die Flüchtlinge natürlich auch eine Chance, wenn wir uns rechtzeitig um Integrationsmaßnahmen kümmern.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB